Wenn in der Nacht auf Sonntag Manny «Pac-Man» Pacquiao, WBO-Titelhalter, in Las Vegas auf Floyd «Money» Mayweather, Titelhalter der Verbände WBA und WBC, trifft, dann ist das DER Superfight der letzten Jahre.
Als alter Boxfan müsste ich eigentlich aus dem Häuschen sein. Doch ich bin es nicht. Der kommerziell erfolgreichste Boxkampf der Geschichte (das kann man jetzt schon sagen) berührt mich irgendwie wenig. Weshalb? Deshalb:
Cablecom: nope. Swisscom-TV: njet. Teleclub: Fehlanzeige. SRF: sowieso nicht. In der Schweiz den «Kampf des Jahrhunderts» zu sehen, ist gar nicht einfach. Kunden von Sky Deutschland können den Kampf via Sky Select und Pay-per-view ... Oh. Als Schweizer kann man ja gar nicht Kunde von Sky Deutschland sein.
Da wird wohl wieder irgendein krakeliger Live-Stream aus den Niederungen des Internets bemüht werden müssen.
Uncool.
Und das zu einer Unzeit am Sonntagmorgen (3.30 Uhr). Falls übrigens jemand einen einfachen Weg kennt, den Kampf in einer erträglichen Qualität zu sehen, bitte im Kommentarfeld melden!
Seit Jahren wünsche ich mir diesen Kampf. Seit Jahren wird verhandelt. 2010 näherten sich die beiden Parteien vielversprechend an, doch dann gerieten sie sich wieder in die Haare. Und das war's dann. Bis heute.
Es ist, wie wenn man sich nach monatelanger Flirterei seiner Angebeteten eröffnet und einen Korb kriegt. Wenn dieselbe Dame fünf Jahre später angedackelt kommt, schlagen die Glückshormone auch keine Purzelbäume mehr.
Was tut man, wenn man von der Liebe enttäuscht wird? Man sucht sich eine neue. So erging es auch mir. Und das leichte Mädchen, das mich und viele andere enttäuschte Boxfans mit offenen Armen empfing, hiess Mixed Martial Arts (MMA). MMA ist vielseitiger, unberechenbarer, schneller und vor allem eines: aufregender. MMA ist Kampfsport in 3D. Sich nun plötzlich wieder für die 2D-Variante begeistern zu müssen, fällt mir schwer. Auch wenn die Ausgangslage derart vielversprechend ist.
Manny Pacquiao ist 36 Jahre alt, hat eine K.o.-Quote von fast 60 Prozent – und trotzdem liegt sein letzter frühzeitiger Sieg sechs Jahre zurück. Von seinen letzten fünf Kämpfen verlor er zwei (gegen Timothy Bradley & Juan Manuel Marquez). Auch wenn sein letzter Kampf gegen den zuvor unbesiegten Algieri mit sechs Niederschlägen durchaus sehenswert war, ist «Pac-Man» nicht mehr im besten Alter.
Konterspezialist Mayweather blieb in seinen 47 Kämpfen bisher unbesiegt. Das ist eindrücklich. Sehr eindrücklich. Und er gilt zurecht als bester «Pound for Pound»-Boxer. Mayweathers letzter K.o. (gegen Ortiz) liegt aber auch schon vier Jahre zurück und war nicht gerade Ruhmreich: Ortiz entschuldigte sich für eine unfaire Aktion – und Mayweather verdankte ihm die Umarmung mit einem Haken und einer finalen Rechten.
16'500 Plätze fasst das MGM Grand. Davon gingen nur gerade 1000 in den öffentlichen Verkauf. Der Rest wurde unter die beiden Lager aufgeteilt, die Casino-Besitzer, die Promoter. Die sympathischen Leute halt.
Von den 1000 Tickets ging keines unter 1500 Dollar weg. Zwei Plätze in der ersten Reihe kosten 360'000 Dollar.
90 Dollar bezahlen US-Amerikaner, um den Kampf per Pay-per-View zu schauen. Das ist Rekord. Trotzdem werden drei Millionen Amerikaner sich den Spass leisten.
Die Vermarktung von Sportanlässen nimmt immer bizarrere Formen an. Für mich wird nicht erst bei diesem Event eine Linie übertreten und es fällt mir immer schwerer, mich vor diesem Hintergrund für die eigentlichen sportlichen Wettkämpfe zu begeistern. Aber vielleicht bin es ja nur ich.
Manny Pacquiao ist ein Sympathieträger, ein bescheidener, gottesfürchtiger Mann, der sich aus den Slums hochgekämpft hat, heute als redlicher Politiker gefeiert wird und auch schon den Vorschlag aufbrachte, die Gagen wohltätigen Zwecken zukommen zu lassen – in seinem Fall sind das immerhin 120 Millionen Dollar. So wird er wenigstens den Medien verkauft.
Gar 180 Millionen wird Floyd Mayweather einstreichen. Auch er hat sich aus der Gosse hochgeprügelt, posiert heute aber lieber vor seinen drei Veyrons und seinem Privatjet. Er ist der Bad Guy in diesem Fight. Denn jeder gute Boxkampf braucht eine Affiche. Und «Gut gegen Böse» ist die klare Nr. 2 nach «Schwarz gegen Weiss».
Mayweather wird von einigen Experten als grösster Boxer aller Zeiten gehandelt. Einer davon ist leider auch er selber. Und immer wenn enormes Talent mit einem enormen Ego gepaart wird, ist das einfach nicht sehr liebenswürdig. Vorgeschichte hin oder her.
Wenn also Mayweather nach zwölf Runden gegen Pacquiao als Sieger feststeht, dann hat ausser einem bereits jetzt schon steinreichen Grossmaul niemand gewonnen.
Und deshalb werde ich den Kampf vermutlich ausschlafen.