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Eigentlich kannte ich ja Rugby nur aus dem Fernsehen, wenn ich gerade im Mr. Pickwick Pub gemütlich ein gutes englisches Ale zu mir nahm. Ganz verstanden habe ich den Sport aber nie, weil Rugby für den Laien halt aussieht, als würde sich ein Haufen Sadisten um ein Ei prügeln. Ich hatte ja keine Ahnung.
Als mich ein guter Kollege vor kurzem darauf angesprochen hat, ob ich mit ihm ins Probetraining der «Baboons» – einem Rugby-Klub aus der Gemeinde Hausen im Aargau – gehen möchte, packt mich die Neugier. Nicht zuletzt, weil die Eindrücke der Rugby-WM in England, die derzeit gerade stattfindet, schon ziemlich faszinierend sind. Ich packe also mein altes Hertha-Trikot aus dem Schrank, hole meine besten Joggingschuhe aus dem Regal und mache mich mich auf ins Rugby-Abenteuer.
Die Umstände auf dem Trainingsgelände passen perfekt zu diesem harten Nischensport (in der Schweiz). Gespielt wird auf einer simplen Wiese hinter einer Turnhalle, es ist arschkalt und ein Viertel der rund 20 Spieler sind angeschlagen oder verletzt. Das hält sie jedoch nicht davon ab, heute mit mir hart ins Gericht zu gehen. Aber ich wollte das ja auch so.
Geleitet wird die Trainingseinheit von Jeremy Toa, der im August mit der Schweizer U20-Nationalmannschaft in Tschechien Europameister wurde. Er springt zurzeit für seinen Vater ein, der das Team normalerweise trainiert. Jeremy selber kann momentan nicht mitspielen, weil er sich an der EM die Bänder in der Schulter gerissen hat. Als ich ihn auf die mühsame Verletzung anspreche, meint er: «Rugby ist pure Leidenschaft, da nimmst du die grosse Verletzungsgefahr in Kauf.» Nicht gerade ermutigend für einen blutigen Anfänger – mit grosser Klappe – wie mich.
Eine Frage interessiert mich vor dem Training brennend. Wie kommt man darauf, in der Schweiz Rugby zu spielen? Jeremy erklärt mir: «Ich spiele schon lange Rugby, da mein Vater ursprünglich aus Samoa kommt und dort gespielt hat. Irgendwann habe ich dann meinen Kumpel Joel mit in meinen ursprünglichen Verein genommen. Wir wollten einfach einmal etwas anderes spielen als Fussball.»
Die beiden landeten 2014 im Kader der U18-Nationalmannschaft und spielten an der EM in Polen. Die Kollegen in der Schweiz verfolgten die Spiele enthusiastisch per Livestream. Nachdem sie von der Europameisterschaft zurückgekehrt waren, schmissen sie für ihre Kumpels eine grosse Party. «An der Feier haben wir unseren Kollegen vorgeschlagen, ihnen den Sport beizubringen und einen Verein zu gründen. Am nächsten Tag standen wir auf dem Feld», so Jeremy.
Auch der Name «Baboons» sei an der Party entstanden. «Plötzlich lief ein Film im TV, der hiess Angriff der Killeraffen. Es handelte sich dabei um aggressive Primaten, die Menschen angreifen. Die Vorstellung fanden wir irgendwie noch lustig. Daher ‹Baboons›», ergänzt Gründungsmitglied Joel Brühlmann.
Danach ist Schluss mit der Fragerei. Das Training wird mit «lockerem» Aufwärmen gestartet. Ein paar Runden um den Platz, dann ein bisschen Linienlauf – halt wie zu meiner aktiven Zeit im Fussballklub. Nur eine Übung erscheint mir dann doch etwas neu. Vorwärtskriechen ohne die Füsse zu benützen. Da spüre ich plötzlich Muskeln, bei denen ich nicht einmal gewusst habe, dass sie sich in meinem Adonis-Körper befinden. Spätestens ab jetzt ist mir bewusst, das wird heute nicht wie beim Fussball-Training der A-Junioren.
Auf das Einwärmen folgen ein paar erste Passübungen. Was jetzt ziemlich simpel klingt, ist in Tat und Wahrheit gar nicht so einfach. Da der Rugby-Ball ja nur nach hinten gepasst werden darf und dabei möglichst nicht «eiern» sollte. Ich komme mir dabei so ungeschickt vor, wie wenn Marc Streit mit Stéphane Lambiel Eiskunstlaufen müsste.
Bevor wir zum harten Teil übergehen – für den ich mir mit meinem Praktikantenlohn extra einen Mundschutz gekauft habe – werden noch ein paar Angriffsübungen absolviert. «Drei Angreifer, drei Verteidiger, wenn die Angreifer nicht durchkommen, dann gibt es Liegestützen», so die Anweisungen des Coachs. Nach der 20. höre ich auf zu zählen.
Endlich kommen wir zu dem Teil, auf den ich mich am meisten gefreut habe: Das Tackling. Mit den «Tackleshields» (Matten) wird ein «Ruck» simuliert. (Rugby-Anfänger? Hier erfährst du alles, was du darüber wissen musst) Das heisst für den Otto Normalverbraucher: Es wird ein Szenario dargestellt, bei dem nach einem erfolgreichen Tackling ein offenes Gedränge zwischen zwei Spielern stattfindet. Sprich: Ich muss so schnell wie möglich das Rugby-Ei schnappen und mich gegen den Gegner verteidigen. Es folgen die ersten Schmerzen.
Nach unzähligen Bauchklatschern üben wir noch ein paar Tacklings auf die «Shields». «Mit dem Kopf durch die Wand» ist hier die falsche Devise, denn ich muss darauf achten, dass ich mit der Schulter «tackle». Das fällt mir nach den ersten Schmerzen im Nackenbereich schnell auf.
Dann wird endlich gespielt. Die «Baboons» spielen 7er-Rugby und sind Teil der «Swiss Super Sevens». Sprich, sie spielen nur mit sieben anstatt mit 15 Spielern. «Wir haben noch zu wenig Spieler, um 15er-Rugby zu spielen, aber es hat auch Vorteile», erklärt mir Gründungsmitglied Joel Brühlmann. Die Partie werde durch die kleinere Anzahl Spieler schneller, da das Feld gleich gross ist wie beim 15er-Rugby und daher mehr Platz da sei.
Und genau diese Schnelligkeit macht mir dann beim Spiel gehörig zu schaffen. Das liegt zum einen daran, dass ich als Einziger mit den Joggingschuhen auf der Wiese einfach null halt habe, zum anderen Teil aber auch, weil es beim ersten Mal einfach schwierig ist, die Laufwege und Taktikabläufe der eingespielten Jungs zu verstehen.
Ein erster «Try» will mir dann doch noch gelingen. Aus dem Spiel heraus schaffe ich es, den Ball in der gegnerischen Zone abzulegen. «Spätestens in vier Jahren führe ich die Schweiz an die Rugby-WM», denke ich mir in diesem Moment. Ein Spielzug später werde ich dann wortwörtlich wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeholt. Autsch.
Nach gut zwei Stunden habe ich meine erste Lektion durch – ohne schlimme Verletzung. Mit ein paar Kratzern bin ich ganz gut weggekommen.
Ich komme zum Entschluss, dass Rugby eben doch mehr als nur ein Gerangel um einen ovalen Ball ist. Im Gegenteil, hohes Tempo, viel Taktik und geschickte Tacklings machen diesen Sport extrem intensiv. Auch nach dem ersten Mal spielen habe ich bei weitem noch nicht alle Regeln ganz verstanden, geschweige denn die Spielabläufe. Doch genau das macht den Sport wohl so spannend. Und beim nächsten «Pickwick»-Besuch werde ich mich wohl lieber ein bisschen mehr dem Rugby widmen als dem Bier.