Es läuft bereits die elfte Minute der Nachspielzeit, als Atlético Madrid noch einmal zu einem Eckball kommt. Es ist die letzte Chance, das Spiel doch noch zu gewinnen. Antoine Griezmann steht am langen Pfosten, von den Gegenspielern fühlt sich niemand für ihn verantwortlich. Die Ecke kommt, wird per Kopf verlängert und dann ist Griezmann zur Stelle. Aus kürzester Distanz köpft er den Ball über die Linie. 2:1 für Atlético. Der Jubel ist riesig, selbst Trainer Diego Simeone rennt zur Eckfahne und feiert den Torschützen.
Ce but d'@AntoGriezmann à la 90e+11 🙀 🏟 #UCL| #AtletiFCP | #LdC | #Grizi | @AtletiFR pic.twitter.com/WeeDmvipgW
— L'UEFA 🇫🇷 (@UEFAcom_fr) September 9, 2022
Bereits einige Tage zuvor erzielte Griezmann beim 1:0 in Valencia das siegbringende Tor. Doch die beiden Spiele haben noch etwas gemeinsam. Beide Male wurde der Franzose nach der 60. Minute eingewechselt. Zu längeren Einsätzen kommt Griezmann momentan nicht.
Doch nicht etwa, weil er zu schlecht spielt. Nein, wenn er auf dem Feld steht, ist er einer der besten bei den Madrilenen. In dieser Saison erzielte er bisher drei Tore, bei etwas über 190 Minuten Einsatzzeit ist das also fast ein Tor pro 60 Minuten. Auch am Dienstagabend in Leverkusen merkte man nach seiner Einwechslung, dass er in der Offensive Dreh- und Angelpunkt sein kann, seine Mitspieler ihn suchen. Der Grund für seine Kurzeinsätze ist ein anderer.
Der 31-jährige Offensivspieler ist nämlich nur leihweise bei Atlético. Eigentlich gehört er dem FC Barcelona. Und das wird auch so bleiben, wenn Griezmann weiter nur als Joker eingesetzt wird. Denn der Leihvertrag beinhaltet eine Klausel, gemäss der Atlético zum Kauf verpflichtet wäre, wenn Griezmann in mehr als 50 Prozent der Spiele eingesetzt wird. Als Einsatz gilt es aber nur, wenn er in der Startelf oder mindestens 45 Minuten auf dem Feld steht.
Und so kommt Griezmann, der im letzten Jahr noch zum Stammpersonal gehörte, mit fast schon akribischer Regelmässigkeit zwischen der 61. und 64. Minute. In jedem der bisher sieben Pflichtspiele. Denn die 40 Millionen Euro Ablöse will der Klub unter keinen Umständen bezahlen. Als Simeone gefragt wurde, ob die Vereinsführung ihn angewiesen habe, Griezmann in Anbetracht der Klausel nicht zu häufig einzusetzen, sagte er gemäss «Spox» vielsagend: «Ich bin ein Mann des Klubs und werde es immer sein.»
Griezmann ist gewissermassen Opfer seines eigenen Talents. 120 Millionen Euro bezahlte der FC Barcelona 2019 für den damals 28-Jährigen, der als einer der besten Spieler der Welt galt. Nur konnte er die riesigen Erwartungen bei den Katalanen nie voll und ganz erfüllen. Weil den Klub im letzten Sommer dann auch noch grosse Geldsorgen plagten, sollte Griezmann den Verein wieder verlassen. Also kehrte er leihweise zurück in die Hauptstadt.
Dort spielte er eine gute Saison, war in 35 Spielen an 15 Toren beteiligt und schien glücklich darüber, zurück bei den «Rojiblancos» zu sein. Nun kann er aber auch dort nicht so häufig eingesetzt werden, wie er – und wahrscheinlich auch Atlético – es gerne hätte. Eben wegen seines Preisschilds. Erschwerend hinzu kommen die schwierigen Beziehungen zwischen den beiden Klubs.
Seit Streitigkeiten rund um den Wechsel von Griezmann nach Barcelona ist die Beziehung abgekühlt. Nun sollen die Katalanen gemäss «Marca» zudem rechtliche Schritte erwägen, da sie im Falle von Griezmann einen Vertragsbruch seitens Atléticos vermuten. Wie «L'Equipe» berichtet, sprechen die Klubs nur über Mittelmänner miteinander.
Doch nun scheint es für Griezmann Licht am Ende des Tunnels zu geben. Denn Atlético und Barcelona stehen angeblich in Kontakt – durch Griezmanns Anwalt – und verhandeln über eine niedrigere Ablösesumme für den Weltmeister von 2018. Gemäss der französischen Zeitung solle eine Einigung kurz bevor stehen. Doch das dementierte jetzt Atlético-Präsident Enrique Cerezo: «Wir haben uns noch nicht mit Barcelona getroffen und beabsichtigen dies auch nicht.»
Griezmann sei besorgt, dass sich ein «Katz-und-Maus-Spiel» zwischen den beiden Klubs entwickelt habe, heisst es. Für ihn ist dennoch klar: Er will unbedingt fest zu Atlético wechseln. Vorerst geht seine Leidenszeit aber weiter.