Rund 3000 Fans verwandeln jedes Spiel der Darts-WM im Londoner «Ally Pally» in eine Party. Der Anlass ist so populär, dass im nächsten Jahr wohl umgezogen wird: Von der Westhalle des viktorianischen Komplexes auf einem Hügel im Norden Londons in die Haupthalle, die doppelt so vielen Fans Platz bietet.
Dabei machen die, die da sind, jetzt schon einen Heidenlärm. Seit gestern kann auch Dragutin Horvat ein Liedchen davon singen. Der 40-jährige Amateur stand erstmals auf der Bühne des Alexandra Palace – und äusserte sich danach tief beeindruckt vom Erlebnis.
«Es war sehr nervenaufreibend», gestand Horvat nach seinem Sieg im Qualifikations-Match gegen den Russen Boris Kolzow im «Sport1»-Interview. Die letzte halbe Stunde vor dem Gang auf die grosse Bühne sei schlimm gewesen: «Es hat nur gezittert in mir. Ich war aufgeregt. Und dann die ersten sechs, neun Darts waren schlecht. Ich dachte nur: ‹Das kann nicht sein!›»
Horvat, kroatisch-stämmig mit dem Spitznamen «Braco» («Bürstchen»), kam mit der für ihn ungewohnten Umgebung nicht klar. «Die Zuschauer, der Druck von ihnen, der Lärm. Ich habe gedacht, dass ich das Ausblenden könnte. Aber ich konnte es nicht.»
Nach einem Fehlstart in den Match fing sich der Darts-Spieler aus Kassel gerade noch rechtzeitig. «Ich sagte mir: ‹Jetzt musst du! Entweder machst du's jetzt oder du gehst als richtiger Loser von der Bühne› und das wollte ich nicht. Ich wollte unbedingt als Gewinner runter gehen und das habe ich geschafft.»
Dank dem Sieg über Kolzow zog Horvat in die Hauptrunde ein, wo er später am Abend auf Simon Whitlock traf. Er freue sich darauf, sagte der WM-Debütant, doch bevor er sich auf die Partie vorbereite, müsse er sich erst einmal abkühlen: «Das ist eine Hitze da oben, gefühlte 400 Grad!» Noch etwas, worauf man nicht gefasst ist, wenn man es noch nie zuvor erlebt hat.
Der erfahrene Whitlock, WM-Finalist im Jahr 2010, kannte sich gut aus auf der Bühne und war dann vielleicht auch deshalb überlegen. «The Wizard» schlug Horvat klar mit 3:0 und beendete dessen WM-Abenteuer. «Ich war zwar entspannter, doch Simon war drei Klassen besser als ich», sagte Horvat.
Dragutin Horvat mag in London bloss ein kurzes Gastspiel gegeben haben. Doch die Erfahrungen, die er und alle anderen WM-Debütanten gemacht haben, sind nicht nur schöne Andenken. Sie können den Spielern der zweiten Stufe effektiv dabei helfen, dass sie bei allfälligen weiteren Teilnahme schon wissen, was auf sie zukommt.
Es sei denn, die Darts-WM zieht tatsächlich in die Haupthalle des Alexandra Palace um, wo doppelt so viele Fans noch mehr Krach und Wärme erzeugen. Wobei diese Atmosphäre dann selbst für den 16-fachen Weltmeister Phil «The Power» Taylor Neuland sein wird.