Die Panik kommt kurz nach Bern, auf der Autobahn-Abzweigung Richtung Lausanne: «Ich weiss wirklich verdammt nochmal gar nichts über den Davis Cup!» Ok, ich habe gehört, dass diese Salatschüssel gestern zum ersten Mal in der Geschichte an die Schweiz ging. Dass Roger Federer ein wirklich guter Tennisspieler ist, ist auch an mir nicht vorbeigegangen. Aber sonst? «Der Davis Cup ist der wichtigste Wettbewerb für Nationalmannschaften im Herrentennis», liest mir mein guter Beifahrer aus Wikipedia vor.
Sport interessiert mich einfach nicht. Ich kann es nicht nachvollziehen, wie man so stolz auf etwas sein kann, das man nicht selbst gemacht hat. Das einzige was ich daran mag, sind die Emotionen. Wenn es sein muss, dann schaue ich den Schluss von Matches. Ich fiebere dann mit, wenn die Verlierer hemmungslos losheulen und sich gegenseitig über den Kopf streicheln. Dann, wenn die Gewinner den Boden küssen und sich knuddeln wie kleine Kinder. Und das Beste ist, wenn sie sich dann auch noch hinknien und Gott huldigen.
Das alles hilft nichts. Die Sportredaktion ist unterbelegt und ich muss als Aushilfe zum Triumphzug von Federer und Wawrinka nach Lausanne. Eines vorneweg: Das Beste am Empfang der Weltmeister ist die Musik. Je näher der Einmarsch der Tennisgötter rückt, desto besser wird sie.
Alles beginnt mit ein bisschen «Papaoutai» von Stromae, geht dann in ein gutes House-Stück von David Guetta über und entlädt sich schliesslich in einem erlösenden «We Are The Champions» von Queen. Zu diesem Zeitpunkt erblicke ich die ersten ekstatischen Tränen in einem jungen männlichen Fangesicht. Der Place de la Navigation am Ufer des Genfersees ist endlich zur Disco geworden. Es fängt an mir hier zu gefallen.
Mit einer halben Stunde Verspätung erklingt endlich Tina Turners «Simply the Best» und die Dämme bei den rund 10'000 anwesenden Fans brechen komplett: «Stan, je t'aime», kreischt es aus den vorderen Reihen, «On est Champion», jubeln die Lausanner im Chor, «Roger, Roger, Roger», schreien die wenigen Deutschschweizer: Severin Lüthi, Michael Lammer, Marco Chiudinell, Roger Federer und der Lokalmatador Stan Wawrinka betreten der Reihe nach die Bühne und stemmen die Salatschüssel. Roger Federer lässt sich von der Musik zu einem kleinen Tänzchen verleiten. Meine Backen werden immer wärmer.
Mit «When I say DAVIS CUP you say – CHAMPION», heizt Chiudinelli dem Publikum noch weiter ein. Sie danken es ihm mit Gejohle. Mit «Die Schweizer haben unglaublichen Lärm gemacht in Lille», revanchiert sich Roger Federer bei seinen Fans. «C'etait dingue!», «Es war verrückt», brüllt er in die Menge – und die Fans rufen, wie zum Beweis, tausend Mal verstärkt zurück.
Die Emotionen kochen in Lausanne definitiv hoch. Ganz zu mir durch, dringen sie allerdings nicht. Mein persönlicher Höhepunkt ist es dann doch, als Roger Federer direkt vor mir steht. Ich denke, dass er bestimmt sehr gut riecht. Das sagt er in mein Mikrophon:
Weitere wichtige Erkenntnisse:
Mit der richtigen Musik, kann man alles feiern.
Es peppt eine Feier extrem auf, wenn rot-weisse Papierschnitzel vom Himmel fallen.
Sportler trinken nicht. Wawrinka hat heute nicht mal einen Kater:
Tennisspieler sehen in Anzügen verdammt gut aus.
Und: Die wahren Helden der Weltmeister-Feiern sind die Fans: