Warum riskierte Dominique Aegerter bloss ohne Not so viel? Er verspielte in der ersten Startreihe alle Siegeschancen, weil er auf eine abtrocknende Piste setzte. Aber es blieb nass und Aegerter war mit einem Trockenreifen auf dem Hinterrad chancenlos.
Weshalb ohne Not so viel Risiko? Diese Frage ist in Assen im Fahrerlager leidenschaftlich diskutiert worden und treibt die Töfffans immer noch um. Und natürlich gibt es die Besserwisser, die jetzt sagen: Es war ein Fehler. Er hätte niemals dieses Risiko eingehen sollen. Er hätte doch bei einem Startplatz in der ersten Reihe auch mit Regenreifen eine Chance gehabt. Aber nach dem Krieg ist jeder Soldat ein General.
Die Antwort auf die Frage, warum Dominique Aegerter im grossen Töffkasino Assen alles aufs Spiel gesetzt hat, ist ganz einfach: Weil er tickt wie ein grosser Rennfahrer. Der legendäre Texaner Kevin Schwanz, 1993 Weltmeister der Königsklasse, sagte mir einmal nach einem missglückten Überholmanöver auf die Frage, warum er denn bloss so viel riskiert habe: «Aber ich musste es einfach tun …»
Das gleiche gilt für Dominique Aegerter. Er musste es in Assen einfach tun. Wenn Männer zu sehr wollen. Das ist auch der Grund, warum er drauf und dran ist, auf Weltniveau ein Siegfahrer, einer der ganz Grossen zu werden. Dazu braucht es das Selbstvertrauen und die Coolness eines Rockstars (hat er schon) und die ultimative Risikobereitschaft (die hat er jetzt grandios gezeigt).
Hat ihm dieses missglückte Reifenpokerspiel geschadet, wie Sportpuritaner und Besserwisser jetzt behaupten? Nein. Ganz im Gegenteil. Dominique Aegerter hat bloss seinen Ruhm gemehrt und weiter an seiner Legende gestrickt und, ganz nebenbei, in Assen Tom Lüthi erneut aus den Schlagzeilen verdrängt. Um die Präsenz in den Medien geht es in diesem Geschäft ja auch.
Wir werden noch in 20 Jahren an den Stammtischen darüber reden. «Weiss Du noch, als dieser verrückte Kerl aus Rohrbach im grossen Töffkasino den Sieg verspielte?» Dass Tom Lüthi in diesem Rennen 6. geworden ist, wird dann schon lange keiner mehr wissen. Und keinen mehr interessieren.