Dieser Auftakt verspricht Spektakel. Nach den zwei ersten Moto-2-Trainings zum GP von Katar hier in Doha steht Dominique Aegerter auf dem 4. Rang. Tom Lüthi folgt auf Position 6. Zwei Schweizer in der Spitzengruppe. Zwei Schweizer, die um den Titel fahren können.
Dominique Aegerter ist zum ersten Mal einer der Titelanwärter. Für Tom Lüthi ist die Favoritenrolle nicht neu. Er gehörte auch 2010, 2011, 2012 zu den Titelkandidaten. Nur letzte Saison nicht – da musste er wegen einer Sturzverletzung pausieren. Aber noch nie hat der Emmentaler eine Moto2-Saison durchgestanden. Bisher fehlte nach gutem Beginn die Konstanz.
Er hat die richtige Mischung zwischen Risiko und Berechnung in der Moto2-WM noch nie ganz gefunden. Er fuhr oft aufs Podest (19mal in 4 Jahren/2 Siege). Aber er stürzt auch viel und war in der in der Moto2- Endabrechnung noch nie besser als WM-4. Im Dauerwettbewerb Töff-WM (18 Rennen) geht es nicht ohne Konstanz.
Dominique Aegerter fuhr bisher selten aufs Podest (zweimal in vier Jahren, kein Sieg). Aber er stürzt fast nie und hat inzwischen 33 Rennen in Serie in den Punkterängen (1. Bis 15.) beendet. Wenn er hier in Doha erneut in die Punkte fährt, stellt er den Regelmässigkeits-Weltrekord von Luca Cadalora (34mal in Serie in den WM-Punkten) ein. Seit Einführung der Moto2-WM ist Dominique Aegerter in Trainings und Rennen 13mal gestürzt. Tom Lüthi hat es 25mal erwischt.
Tom Lüthi könnte mit Dominique Aegerters Konstanz die Moto2-WM gewinnen. Und Aegerter wäre mit Lüthis Speed und Spitzenresultaten auch Weltmeister. Eine Kombination aus den beiden, ein Tom «Luegerter», ergäbe den neuen Valentino Rossi.
Die alles entscheidende Frage vor der Saison 2014 lautet also: Ist Tom Lüthi konstanter und ist Dominique Aegerter schneller geworden?
Vieles spricht dafür. Daniel M. Epp, seit zwölf Jahren Tom Lüthis Freund und Manager sagt: «Tom war noch nie so entschlossen, selbstsicher und zielorientiert. Er musste sich letzte Saison nach einer schweren Verletzung wieder nach oben gekämpft und das hat ihn stärker gemacht». Lüthi bestätigt den Eindruck seines Managers. «Die letzte Saison hat mich stärker gemacht, das fühle ich.» Der letzte Schritt zur Konstanz und zum Moto2-WM-Titel scheint für den 125er-Weltmeister von 2005 nun möglich.
Für Dominique Aegerter ist 2014 vieles neu. Die Erwartungen sind höher. Aus einer Oberaargau Lokalgrösse ist ein Sportler mit nationaler Popularität geworden: Ein Töff-Rockstar mit eher noch mehr Charisma als Tom Lüthi. Es ist die Mischung aus sympathischer Bescheidenheit und gesundem Selbstvertrauen. Ein Selbstvertrauen das vermuten lässt, dass er es faustdick hinter den Ohren hat. Mental ist er so robust, dass ihn der neue Erwartungsdruck eher motiviert als hemmt.
Er hat sich in der letzten Moto2-WM als 5. in der Endabrechung erstmals vor Tom Lüthi (6.) klassiert und ist damit die Nummer 1 in der Töff-Schweiz. Gewiss, Lüthi verlor gut ein Drittel der Saison durch die Verletzungen, die er sich unverschuldet bei einem Teststurz zugezogen hatte. Als er wieder fit war, hielt er seinen Schweizer Rivalen, den «anderen Berne»r, sicher im Schach. Doch das interessiert nicht mehr. Die letzte Wahrheit ist die Resultatliste.
Gelingt Dominique Aegerter 2014 der letzte, so schwierige Schritt ganz nach oben auf das Siegerpodest? Vieles spricht dafür. Er hat in den beiden ersten Trainings zum GP von Katar nicht nur Tom Lüthi hinter sich gelassen.
Viel wichtiger: Er hat problemlos konstant Runde für Runde das Tempo der Spitzengruppe gehalten. So regelmässig und gleichzeitig so schnell war er am Anfang der Saison noch nie. Der letzte Schritt zum ersten GP-Sieg und vielleicht sogar zum ersten WM-Titel scheint möglich.
Tom Lüthi wirkt vor dem Saisonstart ruhig und entschlossen. Dominique Aegerter strahlt eine erfrischende Selbstsicherheit aus. Langsam aber sicher reift der Rock’n’Roller zum Champion.
Tom Lüthi gegen Dominique Aegerter und die beiden gegen den Rest der Welt. Die Saison 2014 kann uns durch die Rivalität der beiden Berner die beste Töff-Saisons aller Zeiten (seit 1949) bescheren: Die erste mit zwei Schweizern, die sich in der zweitwichtigsten WM nicht nur um Podestplätze, Siege und den Titel duellieren.
Es geht auch darum, wer die Nummer 1 im eigenen Land. Zum ersten Mal hat Tom Lüthi ernsthafte Konkurrenz aus dem eigenen Land bekommen. Konkurrenz belebt das Geschäft. Im Idealfall ist treiben sich die beiden Berner gegenseitig so an, dass am Ende einer am Schluss der Saison ganz vorne steht.