Es war ein Deal unter alten Freunden unmittelbar vor Transfertorschluss (Freitag Mitternacht): Chris McSorley tauschte Jérémie Kamerzin und John Fritsche bei Hans Kossmann für Nationalverteidiger Romain Loeffel ein. Kamerzin spielte gestern Abend noch für Servette in Biel und hätte heute Abend bereits mit Gottéron gegen Bern antreten sollen.
Doch Jérémie Kamerzin wird heute gegen Bern nicht auflaufen. Sein Anwalt Georges Müller sagt: «Er wird erst spielen, wenn die arbeitsrechtliche Situation geklärt ist.» Müller sagt auch, das Vorgehen von Chris McSorley entbehre jeder arbeitsrechtlichen Grundlage. «Er hat Kamerzin am Freitagabend nach dem Spiel in Biel mitgeteilt, er müsse packen und morgen mit Fribourg spielen.»
Jérémie Kamerzin war beim 5:2-Sieg von Servette in Biel einer der besten seines Teams. Er assistierte zum Ausgleich (1:1) und erzielte das 2:1 für die Genfer. Und dann nach Spielschluss statt ein dickes Lob die trockene Mitteilung vom Chef: Du muss gehen.
So etwas ist Gang und Gäbe in Nordamerika. In der Schweiz sind die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen anders. Niemand kann gegen seinen Willen gezwungen werden, die Arbeitsstelle zu wechseln. Brisant: Jérémie Kamerzin hat bei Servette einen laufenden Vertrag bis Ende der übernächsten Saison. Gemäss seinem Agenten ist Hans Kossmann, Trainer und Sportchef bei Fribourg, davon ausgegangen, der Vertrag laufe nur noch bis Ende der nächsten Saison. «Die Herren haben sich nicht einmal die Mühe genommen, die Verträge richtig zu lesen.»
Der Vorwurf einer krassen Verletzung des Arbeitsrechtes lässt Chris McSorley kalt. Seine Ausführungen lassen gar vermuten, er sei ein Wohltäter, dem in erster Linie das Wohlergehen seines Spielers am Herzen liegt: «Wir haben in dieser Angelegenheit alles richtig gemacht.»
Der Kanadier führt aus, er habe alles nur zum Wohle des Spielers getan. «Ich habe ihm nur noch limitierte Eiszeit in Spezialsituationen gegeben und das machte ihn nicht glücklich. Ich habe mir überlegt, was ich für ihn tun könnte und erinnerte mich daran, dass seine zweite Wahl vor seinem Transfer zu uns ja Fribourg war. Also habe ich ihm ermöglich, nach Fribourg zu gehen. Es ist für ihn auch kein sportlicher Abstieg. Er kommt in Fribourg in ein Spitzenteam.»
Bon échange pour @FrGotteron. Loeffel est à la rue depuis des mois. Kamerzin amène son gabarit et son slap, Fritsche de la concurrence
— François Rossier (@Franz119) 31. Januar 2014
McSorley betont, er habe alles immer korrekt kommuniziert. «Ich habe seinem Agenten Georges Müller schon vor Weihnachten gesagt, dass es wohl zu einem Transfer kommen werde und er war immer auf dem Laufenden.» Aber stimmt es, dass er Jérémie Kamerzin erst am Freitagabend nach der Partie in Biel über den sofortigen Transfer informiert hat? «Ich habe den Transfer nach dem Spiel offizialisiert.» Georges Müller sagt auf diese Darstellung der Sachlage nur zwei Worte: «Alles gelogen!» Gut kommt die Olympiapause. Da haben die Parteien Zeit, die Dinge zu regeln.
Was die Lage kompliziert: Ein Arbeitnehmer ist gemäss Bundesgerichtsurteil dazu verpflichtet, einem Artisten oder Sportler die Ausübung seines Berufes zu ermöglichen. Weil sonst sein wirtschaftliches Fortkommen (seine Karriere) beeinträchtigt wird. Will heissen: Servette muss Jérémie Kamerzin weiterhin trainieren und spielen lassen – der ehemalige SCB-Junior war ja bisher Stammspieler und Chris McSorley begibt sich auf juristisch abschüssiges Gelände, wenn er ihn auf einmal nicht mehr einsetzt.
Aber Chris McSorley kann Jérémie Kamerzin nicht mehr einsetzen: Er hat zwar mit dem Berner einen gültigen Arbeitsvertrag – aber die Lizenz unwiderruflich nach Fribourg transferiert. Seit Freitag, Mitternacht, ist für diese Transferschluss für Schweizer Spieler. Für Gottéron wäre Jérémie Kamerzin heute spielberechtigt – aber er hat keinen Arbeitsvertrag mit seinem neuen Arbeitgeber. Also «streikt» er heute und spielt nicht.
Georges Müller ist ein hochkarätiger Strafverteidiger und Spieleragent mit NHL-Lizenz. Er hat unter anderem auch Roman Josis 27-Millionen-Deal mit Nashville gestemmt. Er geht davon aus, dass eine Lösung gefunden wird – aber erst, wenn die Vertragssituation mit Fribourg und Servette geklärt ist.
Und das kann noch ein wenig dauern. Deshalb spielt Jérémie Kamerzin heute Abend gegen den SC Bern nicht. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass Chris McSorley bis heute praktisch jede juristische Auseinandersetzung mit seinen Spielern im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht verloren hat. Es wird für ihn auch im «Fall Kamerzin» möglicherweise etwas Unkosten geben.