Dass Melvin Nyffeler (22) nicht weiss, ob er nächste Saison überhaupt in der NLA spielen wird, gehört zu den Kuriositäten unseres Hockeys. Er hat die Meriten eines Jahrzehnttalentes.
Der Zürcher mit Wurzeln im oberaargauischen Huttwil wurde in der ZSC-Organisation ausgebildet, war der Rückhalt der U18- und U20-Nationalmannschaft und in der Saison 2013/14 so etwas wie die Entdeckung des Jahres in der NLA. Er bestritt elf Partien mit dem ZSC und hielt 96 Prozent aller Schüsse. Ein Fabelwert.
Servette köderte ihn mit einem Dreijahresvertrag; er sollte die Nachfolge des nach Zug abgewanderten Tobias Stephan antreten. Doch der Vertrag wurde wieder aufgelöst, weil Chris McSorley doch noch Robert Mayer verpflichten konnte. Und so wechselte Melvin Nyffeler zu Gottéron, um dort Benjamin Conz herauszufordern – was nicht gelang, und deshalb zog er im Sommer 2015 nach Rapperswil, hatte dort den tiefsten Gegentorschnitt der NLB – und bekam trotzdem keinen neuen Vertrag.
So ist er im letzten Frühjahr auf dem Transferwühltisch gelandet, hielt sich bei Thurgau fit, hat nun wenigstens einen Vertrag bis Ende Januar mit Verlängerungsoption in Kloten und ist vorübergehend an Davos ausgeliehen worden. Weil HCD-Goalie Jorgen van Pottelberghe bei der U20-WM gebraucht wird.
Und nun ist Melvin Nyffeler zum Spengler-Cup-Debüt gekommen. Er rettete dem HC Davos heldenhaft den Sieg gegen Minsk (5:4). Der HCD muss heute nicht schon am Nachmittag zum Viertelfinal antreten, bekommt ein paar Stunden mehr Ruhepause und spielt am Abend gegen Jekaterinburg um den Einzug ins Halbfinale. Einen Sieg mit drei Toren Differenz (zum direkten Einzug ins Halbfinale) vermochte aber auch Melvin Nyffeler nicht herauszuhexen – dafür hätte er vier Hände gebraucht und hätte er das geschafft, wäre ihm wohl ein Angebot aus der NHL sicher.
Und was ist nun mit dem Ritterschlag? Melvin Nyffeler ist die gleiche Ehre widerfahren wie vor ihm Jonas Hiller, Leonardo Genoni und Reto Berra. Er durfte nach dem Spiel nur kurz fürs Fernsehen ein paar Worte sagen. Als ihn anschliessend die zahlreichen Chronisten befragen wollten, sagte er artig: «Ich muss zuerst unseren Goalietraier um Erlaubnis fragen.» Der aber sagte «Nein».
Genau so hat es Marcel Kull einst auch bei Jonas Hiller, Leonardo Genoni und Reto Berra gehalten, als sie noch HCD-Neulinge waren: keine Ablenkung während des Spengler Cups durch ausführliche Interviews. Marcel Kull gilt als «Goalieflüsterer», als mit Abstand bester Torhütertrainer im Land. Wenn er einen Torhüter als so gut taxiert, dass er ein Interviewverbot wert ist, dann ist das ein Ritterschlag.
Vielleicht findet Melvin Nyffeler für nächste Saison doch noch einen Arbeitgeber in der NLA. Es kann durchaus sein, dass Klotens Sportchef Pascal Müller seinen Vertrag Ende Januar erst bis Saisonende verlängert und Melvin Nyffeler auch für die nächste Saison als Ersatz für Martin Gerber unter Vertrag nimmt. Erster Kandidat ist eigentlich Niklas Schlegel (22, Nummer 2 bei den ZSC Lions).
Aber mit ziemlicher Sicherheit wird Melvin Nyffeler nach seiner Odyssee durch die Nationalliga mit einem geringeren Salär zufrieden sein – und das ist beim EHC Kloten ein starkes Argument. Ganz abgesehen davon, dass Melvin Nyffeler mindestens so gut ist wie Niklas Schlegel.