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Ein paar Probleme zu viel im Circus Maximus «SC Berano»

Der Rapperswiler Nando Eggenberger, links, gegen Berns Christian Pinana, im Eishockeyspiel der National League zwischen den Rapperswil-Jona Lakers und dem SC Bern, am Freitag, 24. Februar 2023, in der ...
Der Rapperswiler Nando Eggenberger, links, gegen Berns Christian Pinana.Bild: keystone
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Ein paar Probleme zu viel im Circus Maximus «SC Berano»

Die Krise wird beim SC Bern zum Dauerzustand und es wird immer wahrscheinlicher, dass Trainer Toni Söderholm per Ende Saison vorzeitig geht.
24.02.2023, 22:2325.02.2023, 16:08
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Das Debakel gegen die Lakers (2:6) ist eine der schlimmsten Demütigungen seit der letzten Meisterfeier von 2019. Der SC Bern taumelt nun schon seit vier Jahren durch die Liga. Aus der Titelmaschine (Meister 2016, 2017 und 2019) ist ein Circus Maximus des Eishockeys geworden: Zerstreuung, Unterhaltung, Intrigen, Politik und Tafelfreuden. Aus dem einst von Manager Marc Lüthi straff geführten und durchorganisierten Sportunternehmen mit angegliederter Gastronomie ist ein Gastronomiekonzern mit angegliederter Sportabteilung und ausufernder Bürokratie geworden.

Die Folgen dieser Entwicklung sind recht dramatisch. Die Klassierungen in der Qualifikation: Rang 1, 2017. Rang 1, 2018. Rang 1, 2019. Rang 9, 2020. Rang 9, 2021. Rang 11, 2022. Und nun zittern die Berner erneut um die Playoffteilnahme. Die Stadionauslastung ist von 95,63 Prozent in der Zeit vor Corona auf aktuell 86,16 Prozent gesunken.

Pro Heimspiel fehlen inzwischen fast 2000 Zuschauer oder gut 200'000 Franken Einnahmen. Der SCB-Konzernumsatz ist von 65 auf etwas mehr als 50 Millionen zurückgegangen. Um die Fans bei Laune zu halten, haben die Saisonkartenbesitzer soeben einen Konsumationsgutschein über 15 Franken erhalten. Mit gefülltem Magen sind mediokre Leistungen besser zu ertragen.

Was ist passiert? Bereits am 16. September 2022, vor dem ersten Heimspiel (1:2-Verlängerungsniederlage gegen Zug), kann der sensible Zuschauende erkennen, dass es erneut drunter und drüber gehen wird. Vor der Partie wird in einer Zeremonie ein Dress mit dem Namen von Präsident Marc Lüthi in goldenen Farben hochgezogen. Diese Zeremonie ist eigentlich verdienten Spielern nach ihrem Rücktritt vorbehalten. Nur nicht in Bern. Hier sind die Selbstdarsteller neben dem Eis wichtiger als die Hauptdarsteller auf dem Eis.

Sportliche Triumphe und Dramen gehören zur Sportkultur wie Ebbe und Flut zum Meer. Niemand kann anhaltend erfolgreich sein. Die nun schon seit vier Jahren anhaltende sportliche Erfolglosigkeit in Bern ist hingegen selten. Aber einfach zu erklären. Im Circus Maximus (der Circus Maximus war der grösste Zirkus der Antike und unter anderem Schauplatz der legendären Wagenrennen) gibt es ein Problem zu viel. Aus der Offenbarung des Johannes wissen wir, dass vier apokalyptische Reiter den Untergang der Welt bringen. Beim SC Bern gibt es sogar fünf apokalyptische Reiter. Sie heissen: Trainerproblem, Ausländerproblem, Torhüterproblem, Generationenproblem und Führungsproblem.

Beginnen wir mit dem Führungsproblem. Marc Lüthi, seit 1998 der streitbare Architekt des modernen SCB, hat sich vom Tagesgeschäft auf die Position des Präsidenten zurückgezogen. Die Lücke, die er hinterlässt, versucht der kluge Karrierist Raeto Raffainer zu füllen, der für alle Fehleinschätzungen eine gute Ausrede findet.

Die Führungsschwäche produziert gleich zwei weitere Probleme: Kein anderer Klub hat in den vergangenen vier Jahren so miserables ausländisches Personal rekrutiert (Ausländerproblem).

Kein Wunder: Zeitweise ist bei der Besetzung der Sportabteilung auf die Werbewirkung und nicht auf die Kompetenz geachtet worden. Die Folge: In der vierten Saison hintereinander hat der SCB die schwächsten Ausländer der Liga. Soeben haben wir bei der schmählichen 2:6-Niederlage gegen die Lakers einen neuen Höhepunkt erlebt: Sämtliche sechs Ausländer mussten mit einer Minus-Bilanz vom Eis: Colton Sceviour (−1), Cody Goloubef (−2), Oscar Lindberg (−1), Dominik Kahun (−2), Tyler Ennis (−2) und Chris DiDomenico (−2). Sportchef Andrew Ebbett ist wahrlich noch kein Hexenmeister seines Faches.

Wegen der sportlichen Führungsschwäche leidet der SCB zusätzlich unter anhaltenden Fehlbesetzungen an der Bande (Trainerproblem): Toni Söderholm ist der sechste Cheftrainer seit der letzten Meisterfeier von 2019. Der Finne hat das Amt Anfang November von Johan Lundskog übernommen. Seither ist die Mannschaft in allen zentralen Bereichen schwächer geworden. Auch Toni Söderholm kann die Probleme nicht lösen und bekommt Topskorer Chris DiDomenico nicht in den Griff. Der Kanadier pflegt länger als jeder andere Stürmer der Liga pro Partie zu spielen und so wird gespottet: An der Bande steht der Toni stumm und still und der DiDo macht weiterhin, was er will.

Der ehemalige deutsche Nationaltrainer hat einen Vertrag bis 2024. Raeto Raffainer bestätigt Gerüchte um eine vorzeitige Vertragsauflösung per Ende Saison. Sein Trainer sei offenbar im Gespräch für einen Job im Red-Bull-Imperium in München oder Salzburg.

Weil die klare sportliche Führung und damit eine Transferstrategie fehlen, ist die Mannschaft inzwischen überaltert (Generationenproblem). Sechs Leitwölfe sind 30 oder älter. Ihre Leistungen haben dramatisch nachgelassen und sie behaupten ihre Führungsposition mehr und mehr durch Einflussnahme auf die Klub-Innenpolitik statt Leistung. Politik in der Kabine ist Gift für die Leistungskultur.

Am gefährlichsten ist das Torhüterproblem. Philip Wüthrich hat ein enormes Potenzial. Aber Sportchef Andrew Ebbett ist kurz davor, ihn zu verheizen. Der junge Goalie unter der am miserabelsten organisierten Verteidigung der Liga. Gegen Rapperswil-Jona musste er nach dem vierten Gegentreffer und einer Fangquote von 75 Prozent (!) ausgewechselt werden. Er ist drauf und dran, das bedingungslose Vertrauen der Vorderleute (die Voraussetzung für jeden Goalie) zu verlieren. In der Kabine gibt es bereits eine Gruppierung, die vom Torhüter nicht mehr restlos überzeugt ist.

Alle Sportunternehmen müssen mit diesen Schwierigkeiten klarkommen. Die Probleme können gelöst werden. Aber nur dann, wenn sie nicht alle zum gleichen Zeitpunkt auftreten wie in Bern.

Eine sportliche Besserung ist mittelfristig nicht in Sicht. Mehr und mehr wird der SC Bern zu einem SC Berano. Zu einem Lugano des Nordens: Spieler und Publikum gewöhnen sich an anhaltende Erfolglosigkeit und gute Ausreden und geben sich mit der Hoffnung zufrieden, dass es nächste Saison besser wird. Nur noch im Dreschen von Ausreden ist der SCB absolute nationale, ja europäische Spitzenklasse. Bereits Siege gegen Ajoie, das für die Mannschaft nicht viel mehr Geld ausgeben kann als der SCB für seinen Büroapparat, werden als Heldentaten gefeiert. Der SCB hat diese Saison bereits zweimal gegen Ajoie verloren.

Der einzige noch feststellbare Unterschied: In Lugano sichert die kluge Milliardärin Vicky Mantegazza die Finanzierung des Unternehmens. In Bern sind es über hundert freundliche Servicefachfrauen, die in 18 SCB-Beizen das Geld zusammentragen, mit dem der sportliche Circus Maximus finanziert wird. Der SCB kann sich dank des altrömischen Dreisatzes Brot, Bier und Spiele trotz allem in der höchsten Liga unterhalten und für gute Unterhaltung sorgen.

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tikkanen
24.02.2023 22:51registriert November 2014
…in 4 Jahren vom grossen SCB zum lächerlichen Ponyhof. Jetzt soll der Lüthi endlich aufräumen in Lugano Nord. Raffa gehört zusammen mit dem Langweiler Toni und seinen Assi’s umgehend zum Teufel gejagt, Bärtschi soll Thun in den Playoff helfen. Allenfalls reicht seine Kondition in der 1. Liga🤢

Item, Hopp 🐻
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Wayne99
25.02.2023 00:49registriert April 2014
Lüthi soll aufräumen?
Alles Elend hat noch "unter" ihm angefangen!
Das unsägliche Theater mit den Leuenbergers, dann Chatelain/Schelling!
Von da an ging es nur noch Berg ab!
Im Moment ist es fast so schlimm wie damals in den 80igrn in der NLB! Blamage über Blamage. Auch damals alles Hausgemachte Probleme ( Ua. Hugo Steinegger).
Aber irgendwann kamen wieder mal gute und fähige Leute und es ging wieder "obsi"!
Das gibt Hoffnung! Aber die heissen wohl nicht Ebbett/Raffainer!
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maylander
24.02.2023 22:46registriert September 2018
Kein Wunder ist Dido des Chronisten bester Freund. Sorgt er doch stets für Unruhe und spannende Geschichten.
Zustände wie in Lugano sind schon längst in Bern angekommen. Die Diven gehen hintenrun zu allerlei wichtigen Personen und sorgen dafür dass der Trainer ausgewechselt wird. Nun ist der Obersportchef schon fast froh über ein Angebot aus München. Die Auslöse an den deutschen Verband wird jedoch beim SCB hängen bleiben.
Weiter wurde ja schon ein Ersatz für Wüthrich angestellt, wohl auch auf Wunsch einiger Feldspieler.
Unter- und Obersportchef in Bern reagieren doch nur noch.
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