Genf bring den SC Bern in Bedrängnis. Bild: KEYSTONE
Nach der schmählichsten SCB-Niederlage seit Einführung der Playoffs stehen eine Dynastie und der Ruf eines Welttrainers auf dem Spiel. Aber der SCB bleibt Favorit und Titelanwärter.
Die schmählichste SCB-Playoff-Niederlage für den SC Bern? Ja, das ist dieses 2:3 n.V. gegen Servette. Natürlich wird nun fabuliert von einem starken Gegner, den man respektieren müsse. Von den Unabwägbarkeiten, die dem Eishockey innewohnen. Und mit Verweis auf die NHL wird erklärt, wie gering doch heute der Unterschied zwischen den Teams geworden ist.
Für eine Analyse der Serie SC Bern gegen Servette ist das alles barer Unsinn. Noch nie ist ein Qualifikationssieger in der ersten Runde gegen einen so schwachen Gegner in so grosse Not geraten.
Natürlich wird Servette vom besten Coach der Liga geführt. Aber Chris McSorleys Mannschaft ist nominell nicht viel besser als die «Miserablen» aus Rapperswil-Jona. Die Hälfte seiner Jungs hätte bei beim SCB keinen Stammplatz.
Kein Vergleich zu Gottéron, Lugano, dem SCB, Zug, Biel oder Lausanne, jenen vermeintlichen Aussenseitern, die in der Vergangenheit vom 8. Platz aus den Qualifikationssieger in Bedrängnis gebracht oder gar aus den Playoffs gekippt haben.
Mit Robert Mayer hat Servette nicht einmal einen grossen Torhüter. Er hatte mit 88,98 Prozent die schwächste Fangquote aller Stammgoalies der Qualifikation.
Ramon Untersander verteidigte erstmals seit dem 13. November (7:0 gegen Servette) wieder. Er hatte sich am 29. September in der Partie gegen Biel (2:5) bei einem Check eine Kopfverletzung zugezogen. Der Entscheid zum Comeback fiel am Mittwoch. «Ich habe dem Trainer gesagt, dass ich bereit bin. Nach einem weiteren Gespräch am Donnerstagvormittag war dann klar, dass ich spiele.» Er habe bei dieser Entscheidung das letzte Wort gehabt. Der WM-Silberheld hat sich nahtlos in die Mannschaft eingereiht und 26:10 Minuten Eiszeit problemlos absolviert. Untersander sagte nach dem Spiel, er fühle sich gut. Aber die zweite Partie nach einer so langen Pause werde schwieriger sein.
Der Einsatz von Verteidiger Eric Blum am Samstag ist ungewiss. Er ist von einem Puck im Gesicht getroffen worden und musste vorzeitig in die Kabine (28. Minute). Nach einer ersten Einschätzung ist offen, ob er am Samstag spielen kann.
Jan Mursak musste das Spiel bereits in der 10. Minute nach einem nicht bestraften Check von Servette-Amerikaner Tommy Wingels beenden. Nach einer ersten Einschätzung ist sein Einsatz am Samstag nicht möglich. Er kann durch den Kanadier Zach Boychuck ersetzt werden.
Hier ist die Frage: War es ein Check in den Rücken des Slowenen, der von den Schiedsrichter hätte geahndet werden müssen? Ist ein Verfahren zu erwarten? Selbst nach mehrmaligem Studium der TV-Bilder ist die Situation nicht klar genug zu erkennen, um ein Urteil zu fällen. Ein Freispruch der TV-Richter wäre vertretbar. Die Schiedsrichter konnten die Situation in Echtzeit unmöglich überblicken. Sie haben die Partie hervorragend geleitet. (kza)
Wie ist es dann möglich, dass der SCB gegen dieses Servette in zwei Playoff-Heimpartien während 155 Minuten und 49 Sekunden gerade mal zwei Tore erzielt? Die Antwort finden wir in der Qualifikation. Die Früchte des Minimalismus haben den wahren SCB verdorben.
Trainer Kari Jalonen hat zu gut gearbeitet und aus dem SCB eine perfekte Hockeymaschine gemacht. Sie funktionierte so gut, dass es in den letzten Monaten auch dann zum Sieg reichte, wenn sie nur im Standgas leise vor sich hin brummte.
Seit der Weihnachtspause haben wir nie mehr den wahren SCB gesehen. Mit einem provozierenden Minimalismus haben die Berner den Qualifikationssieg eingefahren und darüber hinaus das Publikum gelangweilt. Nur ja keinen Meter zu weit laufen und keinen Check zu viel.
Womit wir beim Kern der Sache sind: Trainer Kari Jalonen hat seine Jungs taktisch so gut geschult, dass sie mit spielerisch-taktischen Mitteln die Qualifikation nach Belieben zu dominieren vermochten.
Hat Kari Jalonen sein Team «zu gut» gemacht? Bild: KEYSTONE
Seit der Weihnachtspause hat der SCB nie mehr sein bestes Hockey gespielt. Es war nicht notwendig. Es reichte ja trotzdem zum Qualifikations-Sieg. Das Resultat dieser Leichtigkeit des Seins ist ein Minimalismus, den die Spieler nicht mehr aus den Kleidern bringen und den SCB in arge Rücklage gebracht hat.
Kritik an diesem unsäglichen, aber taktisch perfekten Verwaltungs-Hockey ist als billige Polemik abgetan worden. Denn die letzte Wahrheit steht immer oben auf der Resultatanzeige. Und selbst wenn es nur ein 2:1 gegen die «Miserablen» aus Rapperswil-Jona war – der Sieger hat immer recht.
Die Frage, die diese Meisterschaft entscheiden wird: Gibt es den wahren, den ursprünglichen, kurzum den echten SC Bern noch?
Wir haben ihn in diesem Viertelfinale noch nicht gesehen. Oder im letzten Spiel höchstens 20 Sekunden lang. Mit der dem wahren SCB eigenen Entschlossenheit fuhren Mark Arcobello und Captain Simon Moser in Unterzahl einen Konter und erzielten das 1:0.
Wie sich zeigen sollte, war dieser Treffer nicht die Erlösung. Sondern das Signal zu noch mehr Minimalismus auf dem Weg in die schmählichste SCB-Playoff-Niederlage aller Zeiten.
Der Versuch, das Spiel zu kontrollieren und zu verwalten missglückte. Eishockey ist eben ein unberechenbares Spiel auf einer rutschigen Unterlage. Was sich eindrücklich beim Anschlusstreffer zum 2:1 gezeigt hat: Yanick Burren lenkte den Puck unglücklich und unhaltbar ab – ein solches Tor gibt es in hundert Playoff-Partien höchstens einmal. Aber es kann fallen.
Die Highlights der Partie. Video: YouTube/MySports
Nun müssen wir hier eine Klammer aufmachen und fragen: Was ist denn der wahre SCB? Nun, der wahre, der ursprünglichen, kurzum der echte SCB spielt mit einer Konzentration und Intensität von europäischem Niveau.
Es hat noch einen erfolgreichen freundlichen SCB ohne Härte und Intensität gegeben. Die Intensität gehört seit Anbeginn der Zeiten zur DNA eines grossen SCB und jeder grosse SCB der Vergangenheit war ein unfreundlicher, rauer und böser SCB.
Würde die Berner so intensiv zur Sache gehen wie die Langenthaler und Oltner in der eben angelaufenen Halbfinalserie in der Swiss League, dann würden sie in diesem Viertelfinale mit 3:0 führen.
Langsam aber sicher reift die Erkenntnis, dass es so nicht weitergehen kann. Captain Simon Moser, ein wahrlich grosser Captain, sagte nach der Niederlage in der Nacht auf den Freitag über die Startphase: «Im ersten Drittel hat einer die Scheibe geführt, die anderen sahen ihm zu und hoffen, dass er etwas bewegen würde.»
Der grosse, mächtige SCB hatte sich im ersten Drittel im eigenen Stadion mit einem Torschussverhältnis von 8:12 richtiggehend vorführen lassen. Nicht von den New Jersey Devils. Von Servette! Das kommt einer Bankrotterklärung gleich. Einer Kapitulation. Was Wunder, wenn der Aussenseiter Mut schöpfte und am Ende triumphierte.
Das sagt Genfs Tanner Richard zum Spiel. Video: YouTube/MySports
Zum Vergleich ein statistischer Wert des wahren, echten, grossen SCB: Beim ersten Final-Heimspiel am 6. April 2017 dominierte der meisterliche SCB den EV Zug im ersten Drittel mit 18:6 Torschüssen und siegte am Ende 5:0.
Das Ende des zweitlängsten Spiels unserer Hockeygeschichte nach 95 Minuten und 49 Sekunden war ein unglückliches für den SCB. Die Genfer waren am Ende ihrer Kräfte. Verteidiger Mike Völlmin vermochte auf der Linie zu retten und fast im Gegenzug fiel der Siegestreffer. Johan Fransson hatte mehr aus Verlegenheit als aus Überzeugung geschossen.
Wäre Kari Jalonen ein gewöhnlicher Trainer und der SCB ein gewöhnliches Hockeyunternehmen, dann wäre diese Niederlage der Anfang vom Ende.
Aber Kari Jalonen ist ein Trainer von Weltformat und der SCB eine Dynastie mit drei Qualifikationssiegen und zwei Titeln in den letzten drei Jahren. Wenn ein Trainer diese Sache noch zu einem guten Ende zu bringen vermag, dann Kari Jalonen.
Am Ende einer Meisterschaft erkennen wir immer Schlüsselmomente. Ein Spiel, manchmal ist es sogar nur eine Szene, als Wendepunkt. Von da an geht es in die richtige Richtung.
Dieses schmähliche 2:3 n.V. kann ein solcher Wendepunkt sein. Wenn diese Niederlage dazu führt, dass nun der wahre, der echte SCB auftreten wird, dann werden wir hinterher sagen, dass in der Hitze dieses Viertelfinals der neue Meister gebacken worden ist. Wie 2013, als der SCB im Viertelfinale gegen Servette sogar mit 1:3-Siegen zurücklag und schliesslich doch Meister wurde.
Wenn nicht, dann bedeutet dieses 2:3 n.V. das Ende der grossen SCB-Dynastie und die grösste Niederlage des Welttrainers Kari Jalonen.
Auch Leonardo Genoni ist gefordert. Bild: KEYSTONE
Es stehen also eine Dynastie und die Reputation von Kari Jalonen auf dem Spiel. Noch ist für den SCB alles möglich. Auch der Titel. Der SCB verbleibt weiterhin in der Favoritenrolle.
Aber es braucht ab sofort mehr als ein paar «Folklore-Checks» von Tristan Scherwey. Thomas Rüfenacht sollte endlich mehr sein als bloss ein Maulheld. Andrew Ebett muss wieder ein Leitwolf werden. Und schliesslich und endlich ist der SCB auf einen Leonardo Genoni angewiesen, der besser ist als Robert Mayer.
Die Schweiz ist ein kleines Land. Und doch kommen ganz schön viele Kilometer zusammen, wenn die zwölf Eishockeyteams der höchsten Liga und ihre Anhänger umher reisen. Fakten zu 50 Runden Regular Season.
Am Freitag beginnt die neue Saison um die Eishockey-Meisterschaft. Der HC Lausanne muss dazu nach Lugano reisen. 378 Kilometer hin, 378 Kilometer zurück. Mehr als acht Stunden werden die Waadtländer im Car sitzen.
Es ist eine der weitesten Auswärtsfahrten. Aber längst nicht die einzige, die ziemlich lange dauert. Schliesslich kämpfen Teams weit im Westen (Servette), tief im Süden (Lugano) und im bergigen Osten (Davos) gegen jene aus dem Mittelland um den Titel. Ohne den Moralfinger zu heben: …