Der Milliardär Hansueli «Jöggi» Rihs zahlt also doch nicht neues Geld in die Kriegskasse ein. Die Lakers haben die billigste Billig-Lösung gewählt, feuern Anders Eldebrink und machen den bisherigen Assistenten Michel Zeiter zum Cheftrainer.
Ach, welch ein Spektakel. Welch ein Schauspiel. Michel Zeiter ist nämlich Kult. Er war «König der Löwen» bei der Renaissance des Stadtzürcher Hockeys und führte die ZSC Lions zu den Titeln von 2000 und 2001. Der kräftige Stürmer war auf den ersten Blick zu erkennen. Er trug als einziger Spieler der Liga weisse Schlittschuhe. Seine Sturmläufe waren sein Markenzeichen und rissen die Fans im Hallenstadion von den Sitzen – und immer akustisch begleitet mit einem langgezogenen «Suuuusi». Ja, sie nannten ihn nicht «Rakete» oder «Hammer».
Er trägt bei der Berufsausübung nicht mehr weisse Schuhe, aber modische Kleidung inklusive einem seidenen Foulard und fährt Aston Martin. Weil er ein ganz besonderer Rock'n'Roller ist. Eine der sympathischsten und interessantesten Persönlichkeiten unseres Hockeys. Er zelebriert das gepflegte Rebellen-Image und würde auch als Empfangschef im Nobelrestaurant «Kronenhalle» oder als Direktor eines Luxushotels beste Figur machen.
Im rauen Macho-Sport Hockey ist er sozusagen ein Dandy. Würde er heute weisse Handschuhe statt weisse Schlittschuhe tragen, müssten wir an den amerikanischen Schriftsteller Tom Wolfe denken.
Michel Zeiter war in Visp Spieler und dann Trainer – und scheiterte. Nicht weil ihm für diesen Beruf die fachliche Kompetenz fehlt. Ganz im Gegenteil. Er ist eigentlich viel zu nett, zu kultiviert und zu intelligent, um einer wilden Horde von Männern vorzustehen, die sich mit einem Stecken in der Hand täglich aufs Glatteis begeben, oft «f...» sagen und hinterlistig danach trachten, einander in die Spielfeldabschrankung zu bugsieren. Und darüber hinaus hat er die in diesem Beruf sowieso seltene Gabe der Selbstironie. Toben kann er auch nicht. Er wirkt auf den ersten Blick immer ein wenig mürrisch und traurig und abweisend.
Aber er versteckt hinter der freundlich-mürrischen «Fassade» bloss sein freundliches Wesen, seine Klugheit und seinen feinen Humor. Er pflegt eine intellektuelle Melancholie, die einem Schriftsteller gut anstehen würde. Irgendwie mahnt er in einem guten Sinne an Victor Hugo, der einmal sagte, Melancholie sei das Vergnügen, traurig zu sein. Wir können, aufs Hockey übertragen, auch sagen: Melancholie ist das Vergnügen, bei den Lakers Trainer zu sein.
Und nun soll dieser kultivierte Gentleman also die Lakers retten. Ohne jede Boshaftigkeit sage ich: Wenn jemand für den Job eines Feuerwehrmannes nicht geeignet ist, dann dieser freundliche Melancholiker mit dem Aston Martin. Wenn er die Lakers unter regulären Umständen rettet, dann zahle ich Lakers-Sportchef Harry Rogenmoser zehn Prozent von Zeiters Gehalt für die Zeit der Liga-Qualifikation.
Natürlich wird Michel Zeiter toben und versuchen, seine Spieler aufzurütteln. Er mag es, den harten Mann zu spielen, und versucht auf vergnügliche Art und Weise, «taff» zu wirken. Nur kauft ihm das einfach keiner ab. Nicht, als er Spieler war – deshalb wurde er ja als «Suuusi» verehrt – und erst recht nicht als Trainer. Die Spieler werden ihn nicht ernst nehmen. Aber vielleicht werden sich die Lakers zusammenreissen, weil sie Michel Zeiter so gut mögen. Die sanfte Krisenlösung.
Im Herbst seiner Karriere stürmte Michel für die SCL Tigers (2007 bis 2010, 104 Spiele/95 Punkte). Aus dieser Zeit gibt es eine Episode, die im Dorf unvergessen bleibt. Er fuhr einmal mit seinem edlen Sportwagen vor dem Hotel Hirschen vor, dem besten Hause am Platz. Mit einem Aston Martin. Den hat er heute noch. Die Langnauer bewunderten die edle Karosse, sagten ihm aber, es mache sich im Dorf nicht gut, wenn die Spieler mit so teuren Autos auftauchen. Er beherzigte den Rat und fuhr, wenn schon, höchstens mal in der Nacht mit dem schönen Auto.
Nun fährt er also nicht mit dem Aston Martin an die Ilfis. Sondern als Cheftrainer mit dem Mannschaftsbus der Lakers. Wir können es auch so sagen: Wenn die SCL Tigers nach einem Auftaktsieg in Rapperswil nun den Aufstieg gegen die von Michel Zeiter gecoachten Lakers nicht schaffen – dann nie mehr.
Denn keiner weiss besser um die schiere Aussichtslosigkeit seiner Mission als Michel Zeiter selber. Unvergessen seine träfe Kuranalyse, als er im Dezember 2013 nach der Entlassung in Visp seine Arbeit als Assistent von Anders Eldebrink aufgenommen hatte. «Das Verlieren ist hier in den Kabinenwänden. Das bringt man nicht mehr raus.»
Vielleicht sollten die Lakers auch noch einen Maler als Assistenten von Michel Zeiter verpflichten. Um die Kabinenwände neu zu streichen.