Die Amtsenthebung des Trainers ist oft kein gutes Zeichen für ein Hockeyunternehmen. Weil das Scheitern eines Trainers auch die Folge von tiefersitzenden Problemen sein kann. Und dann ist die Amtsenthebung des Chefs nur Symptom-Bekämpfung.
Es gibt Ausnahmen, die diese Regel bestätigen. In diesem Falle die ZSC Lions. Die Zürcher haben bewusst einen Stilwechsel vollzogen. Weg vom extrem nordamerikanischen Stil, den die zwei NHL-Generäle Bob Hartley (Meister 2012) und Marc Crawford (Meister 2014) so erfolgreich verkörpert haben. Ein Stil, der sich aber in den letzten zwei Amtsjahren von Marc Crawford «abgenützt» hatte. Die ZSC Lions scheiterten zweimal hintereinander im Viertelfinale, 2016 sogar als Qualifikationssieger.
Der Stilwechsel zu schwedischem Hockey war also wohl überlegt und richtig. Kritik ist nicht angebracht. Das Problem ist lediglich, dass ja jeder Stil von einer Person gelehrt wird. Der Stilwechsel mag noch so klug sein – wenn der falsche Mann dem Team diesen Stil beibringen will, dann ist Scheitern programmiert.
Bei den ZSC Lions gibt es beunruhigend viele Anzeichen dafür, dass mit Hans Wallson und seinem Assistenten Lars Johansson die falschen Männer den richtigen Stil lehren. Dabei geht es nicht um fachliche Kompetenz. Sondern um den Führungsstil. Oder präziser ausgedrückt: um die Fähigkeit, diesen Führungsstil auf die ganz besonderen Verhältnisse in der Schweiz und bei den ZSC Lions anzupassen.
Die ZSC Lions sind ein schwierig zu führendes Team. Die Strukturen sind zwar professionell. Aber Spieler, die in der Vergangenheit viel gewonnen haben – 2014, 2015 und 2016 die Qualifikation, 2012 und 2014 den Titel – sind davon überzeugt, zu wissen, was gut und richtig ist.
So wie es schwierig ist, alten Hunden neue Tricks beizubringen, so ist es für einen Trainer nicht einfach, routinierten und erfolgreichen Spielern seine eigenen Vorstellungen über Eishockey beizubringen. So wie es halt im Leben ganz allgemein schwierig ist, Gewohnheiten zu ändern. Und das Ändern von liebgewordenen Gewohnheiten ist ein zentraler Bestandteil eines Stilwechsels, wie ihn die ZSC Lions anstreben.
Über den Erfolg eines Stilwechsels wird in der Kabine entschieden. Wenn die Spieler den Mann des neuen Stils nicht mögen, dann wird am Ende des Tages der Trainer gefeuert. Vielleicht vorher noch ein Ausländer oder sonst ein Spieler – aber die Trainerentlassung ist nicht zu vermeiden.
Viele ZSC-Spieler mögen ihren neuen schwedischen Trainer nicht. Das war damals übrigens auch bei Bob Hartley der Fall. Aber im Unterschied zu Hans Wallson war der Kanadier der viel bessere Bandengeneral. Er hatte dieses feine Gespür, um im Pulverdampf der hitzigen Spiele den Durchblick zu behalten und die Emotionen zu managen. Hans Wallson ist hingegen ein hochbegabter Hockey-Lehrer, der einfach nicht verstehen kann, warum seine Schüler in Zürich so viel schwerer von Begriff sind als daheim in Schweden, der besten aller Hockeywelten. Die Zürcher müssten doch froh sein, von einem Schweden die Erleuchtungen des Eishockeys empfangen zu dürfen.
Die ZSC Lions haben in der Vergangenheit mit einem Stil- und Trainerwechsel schon einmal beste Erfahrungen gemacht. Im Januar 1998 feuerte Sportchef Simon Schenk den deutschen Trainer-Titan Hans Zach und ersetzte ihn durch den Kanadier Kent Ruhnke. Hans Zach war mit mindestens so viel Vorschusslorbeeren nach Zürich gekommen wie jetzt Hans Wallson.
Simon Schenk erinnert sich noch gut an diese aufregende Zeit: «Nach 30 Tagen im Amt musste ich schon beim Verwaltungsrat den Antrag auf die Entlassung des Trainers stellen. Der Graben zwischen der Mannschaft und Hans Zach war einfach zu gross geworden.» Der Trainerwechsel wirkte Wunder. Im Frühjahr 2000 wurden die ZSC Lions Meister und verteidigten ihren Titel 2001.
Hans Zach hatte noch Simon Schenks Vorgänger Bruno Aegerter (heute Sportchef in Visp) angestellt. Nun ist die Situation sehr ähnlich wie damals im Januar 1998. Sportchef Sven Leuenberger ist neu im Amt. Kommt es, wie es kommen muss, dann feuert auch er einen Trainer, den er nicht angestellt hat. Hans Wallson ist von Leuenbergers Vorgänger Edgar Salis engagiert worden.
Im Falle einer Entlassung des schwedischen Trainers (und unweigerlich natürlich auch seines Assistenten) werden die ZSC Lions, wie uns die Geschichte lehrt, 2019 und 2020 Meister.