Hollywood hat den Walk of Fame. Mit den in Stein verewigten Namen der Prominenten aus der amerikanischen Unterhaltungsindustrie am Hollywood Boulevard. Hockey hat die unter den Stadiondächern aufgehängten Banner oder Trikots mit den Namen der Legenden.
Nun ist in Bern der Mann geehrt worden, der in der bernischen Unterhaltungsindustrie und im eidgenössischen Hockey seit 1998 mindestens so wichtig ist wie Steven Spielberg für Hollywood: SCB-Manager Marc Lüthi. Er ist vor dem Saison-Eröffnungsspiel gegen Zug auf dem Eis verabschiedet worden. Zu den Klängen des Berner Marsches ist das Banner mit einer goldenen Nummer 1 und seinem Namen unters Dach der Berner Hockey-Tempels hinaufgezogen worden.
Sein Banner ist nun hoch über dem Tor rechts von der Spielerbank zentraler und besser sichtbar platziert als jene der SCB-Legenden. Marc Lüthi ist der erste Manager unserer Hockeyhistorie, der so geehrt wird. Ehre, wem Ehre gebührt: Marc Lüthi war ja viel mehr als «nur» SCB-Manager. Er ist der Architekt des neuen, modernen SCB. Die Frage ist deshalb: Wird es eines Tages beispielsweise eine ähnliche Zeremonie für Filippo Lombardi zu den Klängen der Hymne «La Montanara» in Ambri geben?
Der Vergleich mit Hollywood ist bewusst gewählt: Die US-Filmmetropole ist eine Traumfabrik. Sie produziert Träume, Dramen und manchmal Märchen. Und so war es im Berner Hockeytempel: Ein Märchen vor dem Spiel, das Spiel ein Drama und die SCB-Leistung so, dass Träume erlaubt sind. Ein wenig Hollywood.
Die Abschiedszeremonie von Marc Lüthi ist das Märchen. Eine wunderbar aufgeführte Vorspiegelung falscher Tatsachen. Was da als Abschied vor dem Puckeinwurf inszeniert worden ist, war in Tat und Wahrheit das Krönungsspektakel für den König von Bern – und ein historischer Moment: Der SCB ist mit dieser Zeremonie nun offiziell von einer Hockeyfirma in eine gefühlte Monarchie umgewandelt worden.
Marc Lüthi hat im Alter von 61 Jahren am 1. September sein Amt als Manager an Raëto Raffainer übergeben und sich auf die Position des Verwaltungsrats-Präsidenten zurückgezogen. Zurückgezogen? Nein, ganz im Gegenteil. Richtig ist: Der charismatischste Sportmanager im Land hat nun erstmals beim SCB das höchste Amt übernommen, das es in einer Aktiengesellschaft gibt. Und damit endlich den Thron bestiegen.
Als SCB-König muss er weniger arbeiten und darf mehr Repräsentations-Aufgaben wahrnehmen. Sein Platz ist nicht mehr hinter dem SCB-Schreibtisch. Sondern über allen SCB-Schreibtischen, auch über dem seines Nachfolgers Raëto Raffainer. Als Präsident hat Marc Lüthi nun formell, also juristisch, in allen SCB-Dingen – im Sport, im Kommerz - das allerallerallerletzte Wort und er kann sich darauf verlassen, dass das Volk ihn richtigerweise weiterhin als einzige wahre Autorität im Königsreich SC Bern respektiert und verehrt.
Bis zum 31. August konnte Marc Lüthi als Manager nur den Sportchef, den Trainer oder einzelne Spieler feuern. Jetzt kann er als König (Pardon: Präsident) zum ersten Mal auch den Manager des Amtes entheben.
Grund für Amtsenthebungen gibt es nach dem ersten Spiel der Saison allerdings keine. Es war der perfekte Match für den Neubeginn: Niederlage mit Drama. Niemand hatte gegen Doppel-Meister Zug einen Sieg erwartet. Leitwolf und Feuerkopf Chris DiDomenico gesperrt (er darf am nächsten Dienstag in Biel erstmals Emotionen entfachen), Verteidiger Eric Gélinas und Tempostürmer Dominik Kahun verletzt. Also nur drei von sechs Ausländern einsatzfähig.
Objektiv, wer behauptet, mit DiDomenico und Kahun hätte der SCB gewonnen. Zweimal ist dem SCB der Ausgleich zum 1:1 nach Konsultation der Bildermaschine annulliert worden. Der erste zu Recht, der zweite zu Unrecht. Erst der dritte Treffer zählte. Hollywood auch auf dem Eis im bisher besten Spiel unter Trainer Johan Lundskog.
Das erste Spiel sagt so wenig über den weiteren Verlauf einer Saison aus wie der Hochzeitstag über das Gedeihen einer Ehe. Und doch: Endlich sind erstmals seit dem letzten Titel von 2019, erstmals nach drei Jahren der Irrungen und Wirrungen, des Kommens und Gehens, der Zweifel und der Hoffnung, die sportlichen Umrisse eines neuen SCB zu erkennen. Die Ordnung im Spiel so gut wie vielleicht noch nie unter Johan Lundskog. Captain Simon Moser im guten Sinne «böse» (aber erst er). Torhüter Philip Wüthrich solid, und der neue Kanadier Colton Sceviour hat im ersten Spiel schon getroffen.
Aber eben: Am Ende hat der SCB in der Verlängerung halt doch verloren. Ja, der SCB ist so gut wie seit der letzten Meistersaison 2018/19 nicht mehr. Der Anschluss an die Spitzengruppe kann gelingen. Aber nichts ist so schwierig wie der letzte Schritt von einer guten zu einer grossen Mannschaft. Der SCB ist erst eine gute Mannschaft.