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Das, was Lugano und Bern spielen, ist die Fortsetzung von Eishockey mit anderen Mitteln – in Anlehnung an jene Lehre des Kriegsphilosophen Carl von Clausweitz, die besagt, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Wobei das Wort «Krieg» im Zusammenhang mit diesem Finale nichts zu suchen hat. Es sei lediglich erklärt, in welch begeisternder, beeindruckender Art und Weise beide Teams sich von Spiel zu Spiel steigern und wie sehr sich das Hockey, das wir jetzt sehen, vom Hockey zwischen September und Februar unterscheidet.
Die Intensität hat im Finale von Spiel zu Spiel zugenommen. Vom unbeschwerten, lüpfigen Spektakel in der ersten Partie (5:4 für Lugano) zum intensiven Abnützungskampf in der zweiten (1:0 für Bern) und nun zu einer wahrscheinlich nicht mehr zu steigernden Intensität in der dritten Partie (3:2 n.V. für Bern).
Dieses Finale unterscheidet sich von allen finalen Auseinandersetzungen seit Einführung der Playoffs im Jahr 1986. Intensiv waren schon viele Finals. Bereits Ende der 1980er-Jahre zwischen den gleichen zwei Mannschaften und noch einmal zu Beginn dieses Jahrhunderts zwischen Lugano und den ZSC Lions.
Aber diese Zusammenballung von Talent, Kraft und Emotionen, die wir jetzt erleben, hat es so in unserem Hockey noch nicht gegeben. Auch nicht in den Finals zwischen Davos und den ZSC Lions. Und auch nicht in den SCB-Finals gegen Servette und Fribourg-Gottéron und schon gar nicht in den Finals, die Kloten bestritten hat.
Wenn wir das Finale 2016 international einordnen, dann gibt es wahrscheinlich nur eine Parallele aus den 1980er- und frühen 1990er-Jahren aus der NHL. Die epischen Auseinandersetzungen zwischen den Calgary Flames und den Edmonton Oilers (mit Wayne Gretzky). Die Flames in der Rolle des SC Bern, die Oilers in jener des HC Lugano.
Diese Rivalität gilt als intensivste der neueren NHL-Geschichte. «The Battle of Alberta» (beide Teams sind in der Provinz Alberta domiziliert) hat das moderne NHL-Hockey so geprägt und die spielerische Entwicklung beeinflusst wie einst die Finals zwischen dem «Grande Lugano» und den «Big Bad Bears» 1989, 1990 und 1992.
Theo Fleury, der kleine, giftige Stürmer der Calgary Flames hat einmal erzählt, was eine solche Playoffserie bedeutet. Es sind Worte, die exakt auf das zutreffen, was wir in diesen Tagen zwischen Lugano und Bern sehen.
Eishockey kommt aus Nordamerika. Wir verwenden bis hinauf zur Verbandsbezeichnung (Swiss Ice Hockey») fast nur englische Wörter. Deshalb seien hier Fleurys Worte wiedergegeben, die so treffend die Partie von gestern Abend beschreiben.
«That was when men were men. You better grow some balls or you’re not going to be very successful playing in those games. Those are the games that make you grow, make you better. You find out what you’re really fuckin’ made of in those games.»
Was hat es Bern ermöglicht, diese Partie zu gewinnen? Nein, nicht das Talent. Es ist die noch härtere Härte («some balls»). Und das ausgerechnet in der Partie, in der Lugano erstmals mindestens so tapfer, mutig und hart gespielt hat wie der SCB. Ja, lange Zeit schien es sogar, als habe Lugano seine Identität als Playoff-Team nach zehn langen Jahren gefunden. («You find out what you’re really fuckin’ made of in those games.»).
Die vermeintliche Wende für Lugano bringt ein Faustkampf, den viele gar nicht als den ersten Kumulationspunkt dieser Partie erkennen: 11,50 Sekunden vor Schluss des ersten Drittels provoziert SCB-Bösewicht Thomas Rüfenacht ausgerechnet Luganos Schillerfalter Linus Klasen zu einem Faustkampf. Der schwedische Weichling steht hin und nimmt diese Herausforderung an.
Der SCB hat in dieser Situation dem HC Lugano sozusagen den Fehdehandschuh hingeworfen – und bezahlt erst einmal mit einem schweren Rückschlag. Nicht einmal mehr der erste Gegentreffer in Überzahl zum 0:1 kann die Luganesi jetzt noch erschüttern. Auch nicht das 2:2 der Berner mitten hinein in eine starke Phase des HC Lugano im Schlussdrittel. Das macht für Lugano am Ende die Niederlage umso bitterer.
Der SCB gerät in eine schwierige Situation und muss die Intensität noch einmal erhöhen, um diesem harten, zähen Lugano den spielerischen Atem zu nehmen. Erst in der Verlängerung dominiert der SCB wieder. Ja, Doug Shedden sieht sich genötigt, in der Verlängerung ein «Verschnaufpausen-Time Out» zu nehmen und so ist das 3:2 letztlich ein verdientes, ein logisches und vor allem für Lugano ein bitteres Resultat.
Natürlich sagt jetzt niemand, die Entscheidung sei gefallen. Davor hüten sich die Berner wie der Teufel vor dem geweihten Wasser. Die Chronisten der «Berner Zeitung» wagen nicht einmal zu sagen, dass ab heute die Arbeit an der Meister-Sondernummer beginnt. Es steht erst 2:1.
Und so hören wir jetzt nach dem grossen Kampf das, was Spieler nach solchen Partien in allen Ligen und Ländern sagen. Man nehme die Serie Spiel für Spiel. Man hebe sicher nicht ab. Es sei noch gar nichts entschieden. Immer wieder erwähnt wird die Bedeutung des Teamgedankens. Auch Tristan Scherwey will sich nicht als «Vater des Sieges» feiern lassen und betont, wie wichtig eben die Mannschaftsleistung sei.
Luganos Captain Steve Hirschi war am Dienstag nachdem 0:1 in Bern mit seiner Mannschaft hart ins Gericht gegangen und hatte moniert, man habe zu wenig für den Sieg getan. Mit der Reaktion nun auf diese Niederlage in Bern war er zufrieden. «Wir sind wieder aufgestanden, wir waren mutig und wir sind schliesslich einem sehr starken SCB unterlegen. Wir haben gesehen, dass wir eine Chance haben.» Zufrieden könne er trotzdem nicht sein. «Das kann ich doch nicht nach einer Niederlage!»
Vielleicht täusche ich mich. Aber es sind nicht Worte, die mich zur Prognose verleiten, Lugano werde dieses Finale mit 2:4-Siegen verlieren. Es sind die optischen Eindrücke im Kabinengang unten im Bauch der Resega nach diesem Drama. Doug Shedden, dieser emotionale Feuerkopf, sagte natürlich nicht, er glaube nicht mehr daran. Ein Kanadier kapituliert niemals. Aber seine Körpersprache war irgendwie die eines besiegten Bandengenerals.
Und da ist noch etwas: Der SCB hat alle Playoff-Partien gewonnen, die in die Verlängerung gingen – vier in der Verlängerung und eine im Penaltyschiessen. Das Selbstvertrauen der Berner ist jetzt kugelsicher und wasserdicht – das war gerade in der Verlängerung zu spüren. Kaum jemand zweifelte, dass dem SCB der Sieg zufallen würde und es ist der SCB, der diese «Verlängerungs-Spieler» in seinen Reihen hat. Tristan Scherwey hat gestern in der 70. Minute zum zweiten Mal nach der vierten Halbfinalpartie gegen Davos (3:2) in der Verlängerung getroffen.
Vielleicht täusche ich mich. Aber die Bescheidenheit der ganzen Lugano-Entourage (der Männer und Frauen rund ums Team) nach dem Spiel unten im Kabinengang drückte irgendwie Respekt vor dem SCB und ein bisschen Resignation aus. So, als habe man eingesehen, dass selbst dieses grosse, selbst dieses beste Lugano seit dem Titelgewinn von 2006 nicht gut genug ist, um diesen SCB zu stoppen.
Dass selbst Elvis Merzlikins, im zweiten und dritten Spiel (aber nicht beim Finalauftakt), Luganos bester Goalie seit Ronnie Rüeger, die Berner nicht aufhalten kann. Es ist eine bittere Ironie des Schicksals, dass er bei Luganos Auftaktsieg ein Lottergoalie war und bei den beiden Niederlagen nun ein Held. Lugano kann sich von dieser Niederlage erholen. Für einen Sieg, für die Ehrenrettung wird es vielleicht noch reichen. Aber mehr nicht. Der SCB wird Meister.
Der historischen Wahrheit willen sei erwähnt, dass die Schiedsrichter mit ihrer grosszügigen Regelauslegung erst diese Intensität möglich machten – aber so auch den SCB bevorzugten. Danny Kurmann und Didier Massy sei im Sinne des Spektakels, des Dramas und der Spannung für die grosszügige Spielleitung gedankt – aber sie müssen vom objektiven Chronisten auch gerügt werden. Weil sie mehrere Regelwidrigkeiten der Berner durchgehen liessen, die Lugano um allerbeste Torchancen brachten. Die Schiedsrichterleistung wird, wenn der SCB Meister werden sollte, in Lugano die Verschwörungstheorien befeuern.