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So stellen wir uns Hockey am Montagabend vor. Die ZSC Lions spielen gegen die SCL Tigers. Wenig Inspiration, mehr Arbeit als Spiel. Wenig Leidenschaft. Viele Fehler. Aber am Ende gewinnt der himmelhohe Favorit doch 2:1.
Der neutrale Beobachter, der sich nur auf das Spiel konzentriert, denkt: Solches Hockey habe ich doch diese Saison auch schon gesehen! Und denkt nach: Wo war das bloss? Und schliesslich kommt die Erleuchtung: Ja, natürlich. In Bern. Vor der Entlassung von NHL-Coach Guy Boucher.
Der neutrale Beobachter wird neugierig und nimmt das Matchprogramm zur Hand. Dort sind neben den Spielern immer auch die Coaches aufgeführt. Aha! Marc Crawford. Ist das nicht der berühmte NHL-Coach? Richtig. Stanley Cup-Sieger 1996. Aha. NHL-General in Zürich, NHL-General in Bern, ähnliches Hockey.
Gleiches Hockey? Nun, es gibt durchaus Parallelen. Die Neigung zu schematischem Hockey ist bei den ZSC Lions nicht zu übersehen. Die Zürcher verloren im letzten Frühjahr das Finale gegen den HC Davos (1:4 Siege) ähnlich klar wie der SCB das Halbfinale gegen den gleichen Gegner (0:4). Die ZSC Lions scheiterten in der Offensive ziemlich genau gleich wie die Berner wegen ihres ewig gleichen, schematischen Spiels. Und noch eine Parallele in dieser Saison, die aber nichts mit den Coaches zu tun hat: Die ZSC Lions wie der SC Bern müssen diese Saison auf den Torhüter Nummer 1 verzichten. Die Berner für den Rest der Saison. Die Zürcher vorübergehend. Das Fehlen der Nummer 1, eines Meistergoalies, hat immer Auswirkungen auf das Spiel einer Mannschaft.
Also auch viel Guy Boucher in den ZSC Lions? Nein, nur eine Prise. Aber nicht so viel, dass durch diese Prise das ganze Hockey-Menu so versalzen wird wie das in Bern der Fall war.
Die entscheidende Differenz: Marc Crawfords Selbstvertrauen wirkt auf den Chronisten echt. Der Kanadier weiss, dass er gut ist und versucht nicht ständig mit allerlei Theater der Welt zu beweisen, dass er gut ist. Er wirkt nicht wie ein Schauspieler. Er hat immerhin 1234 NHL-Spiele gecoacht. Er war 1995 NHL-Coach des Jahres. Es gibt über ihn sogar einen Film. Er hat durchaus Legendenstatus. Seine Auftritte nach einem Spiel sind bestimmt, seine Analysen betont sachlich, wie in der NHL üblich. Aber immer schwingt ein bisschen Selbstironie durch. Er wirkt souverän. Er muss sich auch nicht bei jeder Gelegenheit auf allen Kanälen bei den NHL-Organisationen als Trainer anbiedern.
Guy Boucher hat nicht einmal 300 NHL-Spiele gecoacht. Er hat im Profihockey ausser dem Schweizer Cup nichts gewonnen und ist ein «Nobody» in der wichtigsten Liga der Welt. Er wirkt wie ein Schauspieler und sein Selbstvertrauen künstlich wie antrainiert. Die Geschichte ist verbürgt: Er soll sofort nach seiner Entlassung einen bekannten kanadischen Hockeyexperten angerufen und ihm das Märchen aufgetischt haben, er sei bloss entlassen worden, weil er in Bern eine Zweijahresofferte ohne NHL-Klause nicht akzeptiert habe. Das tönt gut. Und natürlich hat man dem gescheiterten SCB-Trainer geglaubt. Der SCB hat dem Kanadier nie eine Vertragsverlängerung offeriert. Kein Schelm, wer denkt: Lächerlich. Peinlich.
Ist der Chronist bösartig? Nein. Nur neutral. Und er setzt sich mit dem überaus interessanten Experiment mit NHL-Coaches in unserem Hockey auseinander. Wenn Trainer aus der besten und wichtigsten Liga der Welt in der Schweiz arbeiten, dann lohnt es sich schon, genauer hinzusehen.
Die unterschiedlichen Persönlichkeitsprofile von Marc Crawford und Guy Boucher wirken (bzw. wirkten) sich auf die Mannschaft, auf die Spielphilosophie und die Resultate aus. Der SC Bern und die ZSC Lions haben nominell nahezu gleichwertige Teams – mit leichten Vorteilen für die ZSC Lions.
Die ZSC Lions stehen nach dem Sieg mit ein bisschen «Guy-Boucher-Hockey» über die SCL Tigers alleine an der Tabellenspitze. Sie feierten mit Marc Crawford 2014 den Titel und kamen 2015 ins Finale. Der SC Bern tauchte mit Guy Boucher als erster Meister der Geschichte in die Abstiegsrunde und rutschte diese Saison nach der letzten Niederlage mit dem Kanadier an der Bande unter den Strich. Die unumstössliche Wahrheit wird oben auf der Resultattafel und in der Tabelle sichtbar.
Es gibt allerdings noch eine Differenz. Die Macher der ZSC Lions (Manager Peter Zahner, Sportchef Edgar Salis) sind nicht so «NHL-hörig» wie Marc Lüthi und der inzwischen abgesetzte Sportchef Sven Leuenberger in Bern. Sie lassen sich die Transfers nicht vom Trainer diktieren wie die Berner. Sie lassen es gar nicht zu, dass zu viel Guy Boucher das Hockeymenu versalzen kann.
Und schliesslich und endlich haben die ZSC Lions eine Mannschaft, die sich spielerisch nicht so entmündigen und in ein taktisches Korsett zwängen lässt wie die Berner. Offensive Freigeister wie Roman Wick oder Robert Nilsson, Luca Cunti oder Denis Malgin lassen sich nicht in taktische Käfige sperren. Schlauer Opportunismus ist in Bern nützlich um unter Manager und SCB-Mitbesitzer Marc Lüthi Karriere zu machen. Im Verhalten der Spieler erkennen wir eher die Neigung zum bequemen Opportunismus als zur Revolution in der Kabine. Kaum Zufall.
Eine Prise Guy Boucher kann die ZSC Lions durchaus so den Titel kosten wie im letzten Frühjahr. Aber nicht die die Position und Reputation als Spitzenteam. Anders als der SC Bern sind die ZSC Lions stark genug, um einen NHL-Coach zu ertragen.
du bist ein emmentaler und langnau fan, stimmts?