Trainer Johan Lundskog steht im SCB-Umfeld in der Kritik wie kaum ein anderer Trainer seit dem Wiederaufstieg von 1986. Sogar auf der klubeigenen Webseite (!) wird im Fan-Forum unter dem Titel «Lundskog raus!!!!!!!!!» (mit neun Ausrufezeichen) die Arbeit des Trainers polemisch bis sehr polemisch hinterfragt. Nicht ganz zu Unrecht. Eine Mannschaft, die theoretisch gut genug wäre für einen Spitzenplatz, steht auf Rang 7. Neunmal hintereinander ist es nicht mehr gelungen, mit drei Punkten zu gewinnen. Die Heimspiele gegen Langnau und Biel sind schon nach 60 Minuten verloren gegangen. Am Samstag nun der vorläufige Tiefpunkt mit einer schmählichen 2:5-Pleite gegen Kloten. Der höchste Auswärts-Sieg des Aufsteigers.
Die Kritik ist also nicht unbegründet und lediglich der Lust an Polemik zuzuschreiben. Aber die Stimmung im Volk entspricht nicht immer den Befindlichkeiten der Regierung. Ist die Kritik am Ende gar unbegründet? Es obliegt dem Chronisten, beim obersten operativen SCB-Chef nachzufragen und ein Stimmungsbild des SCB-Innenlebens zu vermitteln. Ganz objektiv. Ohne Polemik. Ohne versteckte Boshaftigkeiten. Einfach schreiben, was ist.
SCB-Manager (Chief Executive Officer) Raëto Raffainer ist nach der 2:5-Niederlage gegen Aufsteiger Kloten nicht zufrieden. Er ist enttäuscht. Aber keineswegs beunruhigt. Er mahnt, bei einer Beurteilung nicht bloss ein Spiel heranzuziehen. Sondern das Gesamtbild im Auge zu behalten. Und das sei durchaus positiv. Der SCB sei sportlich und wirtschaftlich auf Kurs. Obwohl im Schnitt inzwischen rund 2000 weniger Fans ins Stadion kommen als vor der Pandemie. «Ja. Es wäre unverantwortlich, wenn wir mit dem gleichen Zuschauerschnitt wie vor der Pandemie budgetiert hätten.»
Dann ist der SCB also finanziell auch bei durchschnittlich nur noch etwas mehr als 14'000 Fans pro Spiel tatsächlich auf Kurs? «Ja. Die Zahlen entsprechen dem, was wir budgetiert haben.» Es gelte auch zu berücksichtigen, «dass wir bisher zwar zwei Derbys hatten, aber keines am Freitag oder Samstag». Traditionell ist der Publikumsaufmarsch am Freitag, Samstag oder Sonntag in Bern grösser als am Dienstag. Raëto Raffainer sagt, auch der Anteil der «No-Shows» halte sich im Rahmen. Also jener Ticketbesitzer, die nicht ins Stadion kommen. Der Publikumsaufmarsch ist also kein Grund zur Sorge.
Und wie steht es mit der sportlichen Bilanz? Die 2:5-Heimniederlage gegen Aufsteiger Kloten wird von vielen zahlenden Kundinnen und Kunden als bittere Schmach empfunden. «Auch wir sind enttäuscht», sagt der oberste SCB-Manager. Aber verunsichert ist die SCB-Führung nicht. Ja, Trainer Johan Lundskog sitzt offensichtlich fester im Sattel denn je. Raëto Raffainer erklärt, warum das so ist und nicht ein einziges Mal entfährt ihm der verräterische Satz «Der Trainer ist kein Thema».
Die Nachfrage, ob der Trainer bleibe, könne er am Sonntagvormittag nach der Niederlage gegen Kloten verstehen. Erst recht von jemandem, der noch so gerne gegen den SCB polemisiere. «Aber wir haben das grössere Bild im Auge. Wir haben unter anderem in Zug und in Davos gepunktet und am Freitag haben wir super gespielt. Die Lakers mussten gegen uns erst die zweite Heimniederlage hinnehmen. Das zeigt, dass die Entwicklung der Mannschaft stimmt. Wir sind aber mit der Scheibe noch zu oft ungeduldig. Das müssen wir ändern. Und zwar schnell.»
Dass dem Trainer die notwendigen Anpassungen zügig gelingen werden, steht für Raëto Raffainer ausser Zweifel. Er gibt zu bedenken, dass der SCB auf diese Saison nach vielen Transfers praktisch eine neue Mannschaft habe. Der Trainer stehe zwar schon in der zweiten Saison. «Aber mit dem erneuerten Team erst in der 17. Runde.» Da müsse man schon ein wenig Geduld haben. Arno Del Curto sei in Davos auch erst in der 6. Saison Meister geworden.
Zu berücksichtigen sei auch die neue Ausgeglichenheit der Liga, die so gross sei wie noch nie. Es gebe keine Spiele mehr, die man einfach gewinnen müsse. «Inzwischen ist jedes Resultat möglich. Daran müssen wir uns erst gewöhnen.» So gesehen passt Klotens Sieg in Bern durchaus ins Gesamtbild der Liga: Ajoie hat ja unter anderem auch schon gegen Gottéron oder Lugano gewonnen, Langnau gegen Zug und die ZSC Lions und Kloten gegen die ZSC Lions. Dann darf sich ja auch der SCB mal einen überraschenden Punktverlust leisten. Eben.
Raëto Raffainer sagt, die Stimmung sei gut. Der Sportchef sei täglich in der Garderobe und spüre den Puls. «Unsere Garderobe lebt.» Den Satz, den verräterischen, alle stünden hinter dem Trainer, sagt er nicht. Nur so viel: «In einer Garderobe sind nie alle zufrieden.» Wo er recht hat, hat er recht.
Aber es gibt halt schon Ursachen für sachliche Kritik, die über die Enttäuschung nach Punktverlusten oder Niederlagen hinausgeht. Beispielsweise wird die Zuteilung der Eiszeit kritisiert. Zu viel Eiszeit für die Veteranen und Leitwölfe und zu wenig für die hochkarätigen Talente. Beispielsweise für Joshua Fahrni, einen der besten jungen Schweizer Stürmer der Liga. Er kommt nicht einmal auf 10 Minuten. Und Fabian Ritzmann nicht einmal auf 6 Minuten. Auch darauf weiss Raëto Raffainer eine kluge Antwort: «Joshua Fahrni ist seit der Junioren-WM im Sommer ausser Form.» Ihm fehle nach wie vor die Energie. «Wir tun alles, um ihn aufzubauen. Er und Ritzmann sind voll und ganz ins Team integriert.» Es gebe kaum einen anderen Klub, der zwei Junioren-Internationale so gut in die erste Mannschaft integriert habe.
Da also der SCB finanziell und sportlich auf Kurs ist, könnte bald einmal die Vertragsverlängerung mit Johan Lundskog ein Thema werden. Jeder Trainer hat einen Agenten, der sich spätestens während der Nationalmannschaftspause im November nach den Zukunftsperspektiven erkundigt. Um sicherzustellen, dass sein Klient auch in der kommenden Saison Arbeit hat. Soeben ist ja in Zürich bereits die Situation von Trainer Rikard Grönborg geklärt worden. Der Schwede geht spätestens per Ende Saison.
Raëto Raffainer lässt sich in einer so hochheiklen Sache nicht aufs verbale Glatteis locken. Er sagt, Johan Lundskog werde von einem überaus professionellen und verständigen Agenten vertreten, der nicht jetzt schon auf eine Entscheidung drängen werde. Und doch ist die Frage: Was wäre die Antwort auf eine entsprechende Frage nach der nächsten Saison? «Dass wir die Entwicklung abwarten und dass es für eine Entscheidung zu früh sei.»
Wir können diese Aussage von Raëto Raffainer auch so interpretieren: Eine Vertragsverlängerung mit Johan Lundskog ist nicht gänzlich auszuschliessen.