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Langnaus teurer Irrtum oder das vergebliche Warten auf den Erlöser im Büro

Innert drei Jahren haben die Langnau-Fans drei Geschäftsführer kommen und gehen sehen.
Innert drei Jahren haben die Langnau-Fans drei Geschäftsführer kommen und gehen sehen.Bild: KEYSTONE
Nach Wyss' Abgang

Langnaus teurer Irrtum oder das vergebliche Warten auf den Erlöser im Büro

Inzwischen feuern die Langnauer die Geschäftsführer schneller als die Trainer. Weil sie falsche Vorstellungen vom Amt des Geschäftsführers haben. Das ist erstaunlich.
07.02.2015, 14:3607.02.2015, 15:03
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Ruedi Zesiger, Wolfgang Schickli und jetzt also Roland Wyss. Zum dritten Mal in drei Jahren muss der Geschäftsführer der SCL Tigers gehen. Alle drei haben das Büro aus dem gleichen Grund unfreiwillig freiwillig geräumt: Sie holten zu wenig Geld herein.

Sind die SCL Tigers also am Ende gar kein so gutes Produkt? Wird die Werbewirkung dieses Hockeyunternehmens überschätzt? Nein. Das ist nicht das Problem. Die Geschäftsführer der SCL Tigers scheiterten alle an den falschen Erwartungen.

Sind schwierig zu managen: Die SCL Tigers.
Sind schwierig zu managen: Die SCL Tigers.Bild: Sandro Stutz/freshfocus

Diese falschen Erwartungen in dieses Amt erstaunen. Denn gerade im Bernbiet ist das Problem, das den «Hockey-Mänätschern» in Langnau zum Verhängnis wird, wohl bekannt. Elisabeth de Meuron von Tscharner, die letzte wahre Adlige von Bern, pflegte zu fragen: «Syt dihr öpper oder nämet dihr Lohn?» («Seid ihr ein richtiger Herr oder nehmt ihr Lohn?»).

«Öpper» lässt sich von einem «Niemand» nicht dreinreden

Genau das ist das Problem in Langnau. Jene, die im Bernbiet Geld haben, um in die SCL Tigers zu investieren, sind erfolgreiche Unternehmer. Sie nehmen keinen Lohn. Sie zahlen Löhne. Sie sind im Sinne von Lady de Meuron «öpper». Fremde lassen sich gerne von der scheinbaren Klassenlosigkeit der bäuerlich geprägten Gesellschaft im Herzen der Schweiz täuschen. Das Standesbewusstsein, dieses «mir si öpper» («wir sind jemand»), ist hier viel ausgeprägter als in urbanen Zentren. Nur zeigt man es nicht. Wer Geld hat und jemand ist, der lässt sich nur von jemandem, der auch Geld hat, dazu bewegen, Geld zu investieren. Oder noch einfacher: Wer Lohn nimmt, ist ein «Niemand».

In Bern ist das Standesbewusstsein ausgeprägter als man denkt.
In Bern ist das Standesbewusstsein ausgeprägter als man denkt.Bild: KEYSTONE

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Ein «Patron» lässt sich ganz sicher nicht von einem Lohnempfänger dazu überreden, Geld für Langnau auszugeben. So wenig wie sich einst ein Bauer von einem Stallknecht im Viehhandel dreinreden liess. Und ein Überreden ist es immer. Es mag noch so viele gute rationale Gründe geben, Werbegeld für die SCL Tigers auszugeben – am Ende des Tages ist der Entscheid, Geld in ein Sportunternehmen zu investieren, ein emotionaler Entscheid. Ein gewöhnlicher Angestellter, einer, der Lohn empfängt, wird im Bernbiet bei einem Chef nie die Emotionen auslösen können, Geld irgendwo auszugeben. Das kann nur jemand, der auf Augenhöhe mit dem Patron steht. Jemand, der «öpper» ist.

Die Verwaltungsräte der SCL Tigers können die Aufgabe der Geldbeschaffung also nicht an einen Angestellten, an einen Lohnempfänger delegieren. Sie müssen die Türen zu den Geldspeichern im Bernbiet selber öffnen. Der Manager oder Geschäftsführer taugt bloss dazu, das aufgegleiste Geschäft gut zu strukturieren und umzusetzen. Sie warten seit Jahren vergeblich auf den Erlöser im Büro, der sie von den Geldsorgen befreit.

Klinkenputzen von Geschäftsführern führt zu nichts

Präsident Peter Jakob und sein Verwaltungsrat Karl Brügger sind Unternehmer. Also im Sinne von Madame De Meuron «öpper». Sie nehmen nicht Lohn. Sie zahlen Löhne. Sie stehen auf Augenhöhe der Patrons. Sie sind dazu in der Lage, mit einem Telefonanruf mehr Geldspeicher zu öffnen als ein noch so tüchtiger Geschäftsführer durch siebenwöchiges Klinkenputzen. Das hat ja Peter Jakob bei der Sanierung des Stadions eindrücklich bewiesen.

Tigers-Präsident Peter Jakob: Er ist «öpper», und könnte auch etwas bewegen.
Tigers-Präsident Peter Jakob: Er ist «öpper», und könnte auch etwas bewegen.Bild: KEYSTONE

Nun mag jemand auf den SC Bern zeigen und sagen: Aber der SCB ist doch auch von einem Lohnempfänger, von einem «Mänätscher» zum erfolgreichsten Hockeyunternehmen im Land gemacht worden. Das ist falsch. Auch SCB-General Marc Lüthi ist im Sinne von Madame De Meuron «öpper». Er ist kein profaner Lohnempfänger und auch sein Vermarktungs-Genie Erwin Gross ist es nicht. Marc Lüthi ist SCB-Mitbesitzer und nicht gewöhnlicher Lohnempfänger. Zudem war er bereits durch seine langjährige Tätigkeit als News-Moderator beim lokalen TV-Sender eine stadtbekannte Persönlichkeit. Marc Lüthi ist der König von Bern. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Er begegnet jedem Patron und jedem Politiker auf Augenhöhe. Und Erwin Gross ist der Inhaber der erfolgreichen Vermarktungsagentur IMS AG – also auch keiner, der Lohn nimmt, sondern Lohn gibt.

Schlatter, der «Lüthi des armen Mannes»

Die SCL Tigers haben keinen Marc Lüthi. Sie werden auch nie einen finden. Der flamboyante Heinz Schlatter war der einzige, der vielleicht – aber nur vielleicht – so etwas wie ein «Marc Lüthi des armen Mannes» hätte werden können. Aber er ist bei den SCL Tigers als Manager zusammen mit dem damaligen Präsidenten Hans Grunder mit Karacho untergegangen.

Die Rolle, die Marc Lüthi beim SCB spielt, müssen die Langnauer auf ihre unternehmerisch tätigen Verwaltungsräte verteilen. Spät, aber nicht zu spät, hat Präsident Peter Jakob erkannt, dass ihm die Lohnempfänger im Büro nicht helfen können, die SCL Tigers zu finanzieren. Spät, aber nicht zu spät, hat er gemerkt, dass Ruhe zwar die erste Bürgerpflicht sein mag. Aber dass ihm ein Geschäftsführer, der ruhig seine Zeit im Büro absitzt, keinen Lärm in den Medien macht, nicht mit unkonventionellen Ideen nervt und niemanden in seiner Ruhe stört, nur Geld kostet aber kein Geld bringt. Um das Büro im Schuss zu halten und die Administration zu organisieren, müssen nicht Managerlöhne bezahlt werden.

Die Entlassung des netten und freundlichen Roland Wyss ist darüber hinaus ein starkes Bekenntnis zum Leistungsprinzip. Das Signal ist klar: Wir sind mit Mittelmass nicht mehr zufrieden. Viel zu lange hat mittelmässiges Denken die SCL Tigers blockiert. Ist es ungeschickt, sich am Vorabend der Playoffs vom Geschäftsführer zu trennen? Nein. Die Trennung vom Geschäftsführer zeigt nämlich auch: Jetzt müssen wir handeln. Es gibt sowieso keinen idealen Zeitpunkt für diesen Personalentscheid – also warum nicht vor den Playoffs zeigen, dass Mittelmass nicht mehr geduldet wird? Die Spieler interessiert im Zusammenhang mit den Bürogenerälen sowieso nur eines: Wird mein Lohn pünktlich bezahlt?

Nur Fidel Castro ist länger als er im Amt: Bernhard Antener. 
Nur Fidel Castro ist länger als er im Amt: Bernhard Antener. Bild: KEYSTONE

Noch ist nichts erreicht

Den SCL Tigers als Präsident oder Verwaltungsrat vorzustehen ist überaus anspruchsvoll. Peter Jakob und seine Freunde haben mit der Stadionsanierung ein lokales Jahrhundertwerk geschaffen. Aber nun erkennen sie, dass damit noch gar nichts erreicht ist. Die ganz grosse Herausforderung ist es, im Emmental ein Eishockeyunternehmen zu betreiben, das sich im nationalen Markt behaupten und in die NLA zurückkehren kann. Denn das wird notwendig sein. Sonst wird im grossen Hockeytempel an der Ilfis in ein paar Jahren nur noch Amateurhockey zelebriert.

Auf Peter Jakob und seine Verwaltungsräte wartet eine schwierigere Herausforderung, als es die Stadionsanierung war. Und noch viel mehr Arbeit sowieso. Es wäre für Peter Jakob hilfreich, wenn er seinen Freund Bernhard Antener bald dazu überreden könnte, das Präsidentenamt zu übernehmen. Der ehemalige Grossratspräsident des Kantons Bern und aktuelle, langjährige Gemeindepräsident (er ist nach Fidel Castro der amtsälteste Regierungschef) wird nicht mehr neu kandidieren, seine politische Karriere beenden und wird Zeit haben, die SCL Tigers als Vorsitzender nach aussen zu vertreten und die ganzen ungeliebten öffentlichen Auftritte zu übernehmen. So wie die Königin von England. Und Peter Jakob kann sich als Verwaltungsrat endlich diskret auf das Kerngeschäft, sozusagen auf das «wirtschaftlich Eingemachte» der SCL Tigers konzentrieren.

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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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sevenmills
07.02.2015 16:34registriert Oktober 2014
Kann man nicht mal über einen anderen B-Club schreiben? Ich würde gerne mal etwas über die anderen Clubs lesen, Themen gäbe es genug: der Titelverteidiger Visp, der als grosser Mitfavorit möglicherweise an der katastrophalen Defensive scheitern wird; der Fall von Olten nach dem letztjährigen überlegenen Qualisieg; Red Ice, das sich vom Pleitekandidat auf Platz drei festgesetzt hat; das "Juniorenteam" GCK Lions, das wohl sensationell die Playoffs erreichen wird. Zum Vergleich: Das Cupspiel der Tigers gegen Bern war 3 Artikel wert, der Sieg von Visp gegen Davos nicht einmal einen. Traurig.
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Mia_san_mia
07.02.2015 15:05registriert Januar 2014
Wie wärs mal mit Berichten von andern Clubs ausser Langnau? In letzter Zeit ist es recht übertrieben...
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