Nach dem letzten Titel von 1983 folgten in Biel wilde Jahre. Die sportliche und wirtschaftliche Existenz geriet mehrmals in Gefahr. Doch die Bieler haben alle Stürme überstanden, weil sie in schwierigen Zeiten die Geduld und die Nerven nie verloren haben. Deshalb vermochten sie sich nach dem Wiederaufstieg von 2008 zweimal im 7. Spiel der Liga-Qualifikation zu behaupten. Deshalb ist es gelungen, einen neuen Hockey-Tempel zu errichten und deshalb ist es gelungen, nach 30 Jahren wieder in die Spitzengruppe der höchsten Liga zurückzukehren.
Vorne auf der Bühne personifizierte «Hockey-Gott» Kevin Schläpfer von 2006 bis 2016 als Sportchef, Trainer und Showmaster die Aufregung der Jahre nach dem Wiederaufstieg. Heute ist er Sportchef in Langenthal. Hinter der Bühne sorgte und sorgt Manager Daniel Villard seit 2003 dafür, dass alles in geordneten Bahnen verläuft. Den Ruhm hat «Hockey-Gott» Kevin Schläpfer geerntet. Die Genugtuung Daniel Villard. Er ist inzwischen nach Marc Lüthi (SCB) der dienstälteste Bürogeneral der Liga.
Der Umzug in die «Tissot-Arena» (2015) und der Transfer von NHL-Goalie Jonas Hiller im Sommer 2016 haben eine Euphorie entfacht, die Biel zuletzt zweimal hintereinander bis in den Halbfinal und im Frühjahr 2019 bis in die Nähe eines Titelgewinnes getragen hat. Nur ein einziger Sieg gegen den SCB hat 2019 zum Einzug in den Final gefehlt. Dort hätten die Bieler Zug vom Eis gefegt.
Der Weg aus den Niederungen der zweithöchsten Liga unter die besten Klubs im Land war lang und beschwerlich. Aber das letzte Wegstück bis hinauf zum Gipfel des meisterlichen Ruhmes ist noch viel mühseliger.
Die Gefahr, die Geduld zu verlieren, ist so kurz vor dem Gipfel eher grösser als beim mühseligen Aufstieg vom Basislager herauf. Auf diesem Weg nach ganz oben müssen die Bieler nun eine Verschnaufpause einlegen. Die Jahre des neuen Ruhmes sind vorerst zu Ende. Die Mannschaft steht vor einem umfassenden Umbruch.
Trainer Antti Törmänen, der aus Biel ein Spitzenteam geformt hat, muss wegen einer schweren Krankheit sein Amt vorerst ruhen lassen. Er wird durch Lars Leuenberger, den SCB-Meistertrainer von 2016 vertreten. Jonas Hiller und der Kult-Captain Mathieu Tschantré haben ihre Karriere beendet, und Damien Riat hat sich via Genf in die NHL abgesetzt. Erstmals seit 2016 ist dem smarten Sportchef Martin Steinegger kein spektakulären Transfer-Coup gelungen.
Mathieu Tschantré übergibt nach 12 Jahren das Captainamt an Kevin Fey.
— EHC Biel-Bienne (@ehcbiel) September 24, 2020
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Nominell ist Biel zumindest vorübergehend kein Meisterkandidat mehr. Nachdem die Erfolge in den letzten Jahren eine gewisse Erwartungshaltung geschürt haben, müssen die Ansprüche vorerst etwas reduziert werden. Der Druck der Wahrheit, die oben auf der Resultattafel steht, ist grösser geworden.
Bis zum nächsten Titel seit 1983 müssen sich die Bieler noch ein wenig gedulden. Aber sie sind wirtschaftlich und sportlich inzwischen so gefestigt, um sich in der oberen Tabellenhälfte zu halten und die Geduld zu bewahren.
Was ist unter diesen Voraussetzungen möglich? Mindestens ein Platz in der oberen Tabellenhälfte. Mit Lars Leuenberger hat Sportchef Martin Steinegger bis Saisonende den perfekten Stellvertreter für Antti Törmänen verpflichtet. Die Frage ist sowieso nicht, ob Lars Leuenberger Trainer kann. 2016 hat er den SCB zum Titel gecoacht.
Die Frage ist eine andere: Kann Lars Leuenberger Trainer auch ausserhalb des Fuchsbaus SCB? Seit der Bruder von ZSC-Sportchef Sven Leuenberger im Frühjahr 2006 seine Karriere in Ambri nach 489 NL-Spielen (212 Punkte) für den SCB, Gottéron, Basel und Ambri beendet hat, arbeitete er in den verschiedensten Funktionen ausschliesslich beim SCB. Diese Saison hätte er eigentlich Don Nachbaur assistieren sollen.
Aber Lars Leuenberger kann auch anderswo Trainer. Er ist die perfekte Lösung für Biel. Er kennt unser Hockey, er kennt Sportchef Martin Steinegger, er ist so selbstsicher, dass er nicht den General heraushängen muss und die besondere familiäre Kultur in Biel respektieren und auch mit der besonderen Situation rund um Antti Törmänen zurechtkommen wird. Und ganz nebenbei hat seine Verpflichtung den SCB geschwächt: Mit Lars Leuenberger hat der SCB die letzte starke Persönlichkeit der Sportabteilung verloren.
Biels wichtigster Einzelspieler ist Joren van Pottelberghe. Er galt jahrelang als Goalie der Zukunft. Nun muss er mit 23 Jahren in Biel beweisen, dass er auch der Torhüter der Gegenwart ist. Der in Zug und Schweden ausgebildete Butterfly-Stilist hat bewegte Jahre hinter sich: er wechselte 2016 nach Davos, um dort zusammen mit Gilles Senn das schwierige Erbe von Leonardo Genoni anzutreten – und scheiterte. Trainer Arno Del Curto glaube nicht an ihn. Er wurde nach Dänemark (Rungsted) und Kloten ausgeliehen, ehe er letzte Saison mit Sandro Aeschlimann die Arbeit in Davos teilte.
Nun ist der Zuger in Biel gelandet, einem Klub, der mit Goalies mit HCD-Vergangenheit sehr gute Erfahrungen gemacht hat (Reto Berra, Jonas Hiller). Das Talent des Nachfolgers von Jonas Hiller steht nicht zur Debatte. Er hat bereits drei WM-Teilnahmen als Nummer 1 auf Juniorenebene hinter sich und ist der Nationalgoalie der Zukunft. Aber ist er mental schon robust genug? Er strahlt noch nicht die gleiche Sicherheit aus wie Jonas Hiller. In einer perfekten Welt hätte Biel zur Absicherung eine stärkere Nummer 2 als Elien Paupe. Wir glauben an das Potenzial von Joren Van Pottelberghe. Auch weil er in Biel mit Geduld rechnen darf.
Ein Verwaltungsrat, der die operative Führung in Ruhe arbeiten lässt: In Biel wird hervorragend gearbeitet, der Klub reizt seine Möglichkeiten kommerziell und sportlich in einer limitierten, aber dynamischen Wirtschaftsregion aus. Wenn es jemand schafft, ohne Mäzen auf dem Weg zu meisterlichem Ruhm nach dem Motto «Reculer pour mieux sauter» nicht ins Stolpern zu geraten, dann sind es Daniel Villard und Martin Steinegger. Ihre Geduld kann meisterlichen Ruhm bringen.
Immerhin gibt es im nächsten Frühjahr schon mal einen Trostpreis: Biel wird erstmals seit 1988 wieder vor dem SC Bern, den SCL Tigers und Langenthal die Nummer 1 im Bernbiet sein.
Platz 5. Erstmals seit mehr als 30 Jahren wieder die Nummer 1 im Bernbiet.