Der Wechsel von Denis Hollenstein von Kloten zu den ZSC Lions hat zwar am meisten medialen Lärm verursacht. Aber es ändert sich wenig im helvetischen Hockey, wenn ein überbezahlter Mitläufer das Team wechselt. In Kloten ist die finanzielle Entlastung durch den Hollenstein-Transfer grösser als die sportliche Lücke.
Viel mehr Auswirkungen hat hingegen ein brisanter Doppeltransfer: Langnau verliert mit Miro Zryd (23) und Yannick-Lennart Albrecht ein Stück Zukunft – und Zug bekommt zwei Spieler, die (noch) nicht alle im Verein glücklich machen.
Langnau im milden Herbst 2017. Langnaus Sportchef Jörg Reber umreisst seine Visionen und sagt: «Also den Zryd und den Albrecht wollen wir unbedingt halten.» Er nimmt einen Schluck Kaffee und legt nach: «Unbedingt!»
Vor allem Miro Zryd ist «sein» Spieler. Jörg Reber hatte dem 1.-Liga-Spieler aus Adelboden, der von allen Talentspähern übersehen worden war, im Herbst 2014 eine Chance in der 1. Mannschaft gegeben. Auch Yannick-Lennart Albrecht verdankt seine Karriere den SCL Tigers. Er war als 15-jähriger Junior von Visp nach Langnau gekommen und ist im Emmental sportlich «grossgezogen» worden.
Diese zwei Jungs sind im Herbst 2017 dazu ausersehen, in den nächsten Jahren den Kern der Mannschaft zu bilden. Beide sind beliebt im Team und populär bei den Fans.
Aber noch bevor der erste Schnee kommt, unterschreiben Yannick-Lennart Albrecht und Miro Zryd beim EV Zug. Sie werden Ende Saison den Ort verlassen, an dem ihnen goldene Brücken zu einer grossen Zukunft gebaut worden wären. Um in Zug ein ungewisses Abenteuer zu wagen. Und nicht nur Jörg Reber fragt sich: Warum nur?
Langnau, im kalten Dezember 2017 im Kabinengang des hölzernen Hockeytempels. Yannick-Lennart Albrecht und Miro Zryd werden von einem Chronisten befragt. Warum Zug? Habt ihr euch abgesprochen? Und gar noch den Lohn verglichen? Die beiden gleichaltrigen jungen Männer sind anständig, ehrlich und klug. Sie schauen sich ob der Frage verblüfft an und sagen beinahe gleichzeitig: «Nein, nein.» Und versichern glaubhaft, sie hätten völlig unabhängig voneinander mit Zug den Vertrag ausgehandelt. «Ich habe nicht gewusst, dass Miro auch mit Zug im Gespräch ist», sagt Albrecht. Hat denn Zugs Sportchef Reto Kläy bei den Vertragsgesprächen nichts verraten? «Nein, nein», versichern wiederum beide. «Wir wussten nichts voneinander.»
Beide haben offenbar unabhängig voneinander den Auszug aus dem Emmental geplant, sind unabhängig voneinander auf die Idee gekommen, in Zug ihr Glück zu versuchen.
Und so war die gegenseitige Überraschung gross, als herauskam, dass Zug nächste Saison der neue gemeinsame Arbeitgeber sein wird. Aber warum Zug? Yannick-Lennart Albrecht sagt: «Ich bin nun seit neun Jahren in Langnau. Für mich ist es Zeit für eine neue Herausforderung.» Eine neue Herausforderung mache nur bei einem Spitzenklub Sinn. Er wisse sehr wohl, dass er sich bei einem neuen Team gegen starke Mitspieler behaupten müsse. Er habe Reto Kläy gesagt, er rechne mit weniger Eiszeit und Einsätzen im vierten Block. «Da hat er mir erklärt, für mich sei alles möglich. Nur die Leistung werde zählen.»
Bei Miro Zryd ist es eher die Lust am neuen Abenteuer. Er ist ein Nonkonformist aus einer Künstlerfamilie. Ihn reizt die Herausforderung, das Neue. Der erste Schritt in die Welt hinaus war der Wechsel vom Berner Oberland hinunter nach Langnau. Nun geht es nach Zug, hinaus ins offene, weite Land, hinaus in die Welt.
Scheitern ist aber nicht ausgeschlossen. Ist gar eine Relegation ins Farmteam denkbar? Reto Kläy sagt: «Grundsätzlich sind die Verträge aller Spieler so abgefasst, dass auch Einsätze im Farmteam möglich sind.» Der Lohn werde in einem solchen Falle nicht reduziert.
Zugs Sportchef ärgert sich, dass er die Verpflichtung der beiden Langnauer immer und immer wieder rechtfertigen muss. Was uns zeigt, dass auch in Zug dieser Doppeltransfer noch nicht ganz verarbeitet ist.
Die Zuger bauen eine Akademie auf und betreiben bereits in der zweiten Saison ihr eigenes Farmteam. Ihre Nachwuchsorganisation ist vorbildlich. Ist es wirklich nötig, Spieler wie Zryd und Albrecht von auswärts zu engagieren und so einen Gegner aus der unteren Tabellenhälfte zu schwächen und die Ausgeglichenheit der Liga zu untergraben? Diese Frage ist berechtigt. Reto Kläy sagt: «Es heisst, warum wir denn junge Spieler transferieren und nicht auf die eigenen Jungen setzen. Aber Zryd und Albrecht sind keine Junioren. Beide sind schon 23. Es sind bestandene junge NLA-Stammspieler, die sich bei uns zu Leistungsträgern entwickeln können.»
Zug ist ja im Finale auch unterlegen, weil der SC Bern die ausgeglichener besetzte Mannschaft hatte. Mit Zryd und Albrecht wird Zug wenigstens ausgeglichener.
Werden sich die freundlichen Langnauer im rauen Leistungsklima eines Spitzenteams durchsetzen können? Talent, Wille und Leistungsbereitschaft werden nicht das Problem sein. Eher schon der gute Charakter: Wer bei einem Grossen gross werden will, braucht eine grosse Prise Egoismus – und die fehlt diesen vorbildlichen Mannschaftsspielern ein wenig.
Welches Potenzial haben sie? Nun, schon jetzt ist Miro Zryd in Langnau der Verteidiger mit der zweitbesten Plus/Minus-Bilanz im Team. Der kräftige Yannick-Lennart Albrecht kann Flügel und Center, amtiert als Assistent-Captain und hat bereits vier Länderspiele bestritten. Im besten Falle wird er der nächste Philipp Neuenschwander. Der smarte Allrounder Miro Zryd könnte der neue André Künzi werden.
In Langnau geht es um eine Grundsatz-Diskussion: Die wirtschaftliche Lage ist so gut wie nie in der Klubgeschichte (seit 1946) und diese Saison werden die Emmentaler erneut schwarze Zahlen schreiben.
Sollte in dieser Lage nicht auch finanziell alles unternommen werden, um Spieler mit Zukunft wie Zryd und Albrecht zu halten und sportlich konkurrenzfähiger zu werden? Hätte der Sportchef sein Angebot finanziell über die Schmerzgrenze hinaus nachbessern sollen? Oder ist es besser, Reisende ziehen zu lassen und die intakte Lohnhierarchie zu bewahren?
Ein boshafter Chronist hat in diesem Herbst bei Jörg Reber und Reto Kläy die gleiche These vertreten: Langnau sollte im Budget für nächste Saison eine eventuelle Rückkehr der beiden verlorenen Söhne einrechnen. Zugs Sportchef findet diese provokative Idee eher unpassend und respektlos. Jörg Reber hingegen stutzt, kann ein Lächeln nicht ganz unterdrücken und sagt: «Wissen Sie was? Daran habe ich auch schon gedacht …»