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Es gibt Abende, da ist unser Eishockey die exakte Abbildung der Wirklichkeit. So war es am Dienstag in der Valascia. Der EV Zug gegen Ambri. Das Spiel verläuft lange Zeit ganz genau so, wie wir uns die sportliche Auseinandersetzung zwischen reich und arm, zwischen einer der reichsten Städte der Welt gegen ein karges, weit abgelegenes Bergtal vorstellen.
Die Zuger zelebrieren schon fast auf provozierende Art und Weise die Leichtigkeit des Seins. Sie können sich das leisten. Sie stehen zusammen mit Lausanne an der Tabellenspitze (zumindest noch vor dem Spiel. Nachher nicht mehr). Sie haben so viel Talent, dass sie Eishockey spielen dürfen und Eishockey nicht arbeiten müssen. Sie dominieren weit bis in die zweite Spielhälfte hinein nach Belieben. Reto Suri gelingt der erste Saisontreffer (zum 1:0). «Das ist gut für mich. Aber am Ende wäre der Sieg wichtiger gewesen. Deshalb kann ich nicht zufrieden sein.»
Auf der anderen Seite der tapfere Aussenseiter, für den es schon um Sein oder Nichtsein geht. Der unbedingt gewinnen, der fehlendes Talent mit Arbeit kompensieren muss. Und so ist es Spielkunst gegen Leidenschaft und Tapferkeit. Weil der Sport die schöneren Geschichten als das Leben schreibt, siegt am Ende der Aussenseiter. Es ist ein Sieg der Emotionen, der Romantik, des Herzens. Oder besser: des gebrochenen Herzens.
Ist der Sieg Ambris verdient? Ja, sagt das Herz. Es ist gerecht, dass die Leventiner für ihren aufopfernden Kampf reict belohnt worden sind. Für ihren Mut, ihre Zuversicht, ihre Beharrlichkeit. Sie gaben nie auf. Sie vermochten die spielerische Überlegenheit des Gegners schliesslich mit einer Überlegenheit im Zweikampf zu brechen.
Nein, sagt der Verstand. Der Sieg ist eigentlich hockeytechnisch nicht verdient. Denn die Zuger waren spielerisch besser und bis ins Schlussdrittel hinein zeichnete sie die Coolness aus, die Sieger macht. Alles ging locker und leicht. Vielleicht auch zu leicht. «Wir haben Ambri durch Scheibenverluste das Momentum zurückgegeben» sagt Trainer Harold Kreis. «Wir sind mit der Scheibe zu wenig sorgfältig umgegangen.» Die Leichtigkeit des Seins eben. Der Übergang von cool und locker zu leichtsinnig ist fliessend.
Zum Drama passt, dass die Zuger von einem seltsamen Tier gebissen worden sind. «Das Powerplay ist ein seltsames Tier» hatte Ambris Trainer Hans Kossmann vor dem Spiel gesagt. «Wenn es läuft sieht alles so einfach aus. Wenn es nicht läuft, wird es zum Mysterium.» Seine Mannschaft hatte in den sechs Partien dieser Saison noch kein einziges Tor in Überzahl gebucht. Und auch gegen Zug wollte das «seltsame Tier Powerplay» nicht beissen. Ja, Ambri war sogar bei fünf gegen drei Feldspieler nicht dazu in der Lage den Puck im gegnerischen Netz zu versenken. So etwas wie Verzweiflung schlich sich ins Spiel ein.
Und dann öffnet das «Tier Powerplay» sein Maul und beisst den EV Zug. Mit dem ersten Powerplay-Treffer bringt Matt D’Agostini Ambri 3:2 in Front. Was durchaus seine Logik hat. Rafael Diaz sitzt auf der Strafbank. Der mit Abstand beste Zuger. Der Stratege und Lenker. Wenn er fehlt, ist Zug verwundbar.
Der Sieg? Nein. Die Hockey-Götter lieben es, Ambri besonders schwiereigen Prüfung zu unterziehen. 11,20 Sekunden vor Schluss trifft Josh Holden zum 3:3. Mit sechs gegen fünf Feldspielern.
Aber Ambri kann Drama. Es kommt zum Penaltyschiessen. Im 22. Penalty schiebt Peter Guggisberg dem starken Tobias Stephan den Puck zwischen den Schonern durch ins Tor. Sieg. Ausgerechnet Peter Guggisberg.
Trainer Hans Kossmann hat in diesem Penatyschiessen viermal Janne Pesonen eingesetzt. Zweimal trifft der Finne, dann scheitert er zweimal und so kommt Peter Guggisberg zu einer Chance. «Er war im Spiel schon einmal alleine vor Tobias Stephan gescheitert und er ist ein bisschen verunsichert» sagt Hans Kossmann. «Aber dann habe ich ihm doch diese Chance gegeben. Ich wollte nicht, dass er am Ende auf der Bank noch einschläft …».
Das Drehbuch stimmt. Peter Guggisberg darf das Drama krönen und im 22. Anlauf den Titanen Zug stürzen. Der Emmentaler, der für das neue Kloten zu teuer und nicht mehr erwünscht war, den auch die Langnauer nicht mehr wollten und jetzt in Ambri als beinahe vergessener Held doch noch seine letzte Karrierechance bekommen hat. Das leise Murren über seine bisherigen Leistungen (nur ein Tor in den ersten sieben Partien) ist vorerst verstummt. Ach, wie schön tönte «La Montanara», die Siegeshymne, nach Peter Guggisbergs finalem Penalty.
Zug kann die verlorenen Punkte verschmerzen. Für Ambri ist es ein Sieg, aber letztlich ein Sieg der gebrochenen Herzen: Der eine Punkt, der verspielt worden ist, schmerzt. Immerhin ist Trainer Hans Kossmann vorerst aus dem Schneider. Am Sonntagabend hatte er zur Krisensitzung mit Präsident Filippo Lombardi und Sportchef Ivano Zanatta antraben müssen. Er spielt die Sache herunter: «Kein Problem. Wir hatten ein gutes Gespräch». Natürlich war es ein Problem. Ein Trainer, der die sechs ersten Partien der Saison in Ambri verliert, hat immer ein Problem.
Aber Ambri und Hans Kossmann können Drama. Für einmal besser als Zug.