Bescheidenheit ist eine gute eidgenössische Eigenart. Nur ja nicht auffallen! Es gibt ja durchaus erfolgreiche Beispiele erfolgreicher Bescheidenheit. Das schönste kennen wir aus der Krimiserie «Inspector Columbo».
Kommissar Columbo (gespielt von Peter Falk) tritt in dieser Serie als seltsamer Mann mit zerknittertem Mantel, wirrer Frisur und leicht gebeugter Körperhaltung auf. Er wird unterschätzt. In Tat und Wahrheit ist er ein hochintelligenter, überaus gründlicher Ermittler, und gerade weil ihn die Bösen unterschätzen, löst er alle Fälle.
In unserem Hockey funktioniert dieses «Columbo-Prinzip», diese falsche Bescheidenheit nicht. Ja, es ist sogar ausserordentlich schädlich. Ach, was habe ich nach der kläglichen Vorstellung beim Deutschland Cup (0:3 Kanada, 2:3 Deutschland B, 1:4 Slowakei) für Ausreden gehört! Die Kernaussage: Wir sind halt nicht besser. Die Liga ist nicht gut genug. Es hat sogar so krude Vorschläge gegeben wie eine Verkleinerung der Eisfelder auf nordamerikanische Masse, wie es Finnland vormachte. Damit die Intensität grösser wird.
Solche Ausreden entlasten den Nationaltrainer. Wir sind heute tatsächlich so weit, dass wir Vorstellungen wie beim Deutschland Cup der fehlenden Qualität unseres Hockeys, unserer Liga, zuschreiben und so das Versagen der Führungspersönlichkeiten rund ums Nationalteam entschuldigen. Der Verrat an unserem Hockey geht so weit, dass wir auch nur das Erreichen der WM- Viertelfinals als Erfolg feiern. So klein macht sich keine andere Hockeynation.
Zum Glück sind diese Ausreden, ist dieser Kleinmut nur drei Tage nach der Schmach von Augsburg eindrücklich widerlegt worden. Die ZSC Lions, der SC Bern und Fribourg-Gottéron haben die Viertelfinals in der Champions Hockey League erreicht. Der SCB und Fribourg gegen Vertreter der finnischen Liga. Ob wohl dort jetzt jemand argumentiert, die Eisfelder auf helvetische Breite umzurüsten, um mehr Tempo ins Spiel zu bringen?
Es ist kein Zufall, dass die Zürcher, der SCB und Gottéron nun zu den besten acht Teams Europas gehören. Die Champions Hockey League beweist uns, was wir am Beispiel von Langnau auch schon gesehen haben: Die Gestaltungskraft der Coaches. Hätten die SCL Tigers Scott Beattie behalten, dann würde es jetzt heissen, man sei halt nicht besser; die Qualität der Spieler genüge nicht; es sei doch kein Zufall, dass man in allen Saisonprognosen auf den letzten Platz gesetzt worden sei. Nun ist Heinz Ehlers gekommen und alles ist anders.
Im Herbst 2014 und 2015 blamierte sich Bern in der Champions League und schied beide Male schon in den Gruppenspielen aus. SCB-General Marc Lüthi und sein kanadischer Trainer Guy Boucher hatten kein Interesse am paneuropäischen Wettbewerb. Und die Spieler waren noch so froh, sich nicht anstrengen zu müssen.
Was ist nun in Marc Lüthi gefahren, dass sein SCB die Champions Hockey League auf einmal ernst nimmt – nachdem er zwei Jahre lang den europäischen Wettbewerb öffentlich verhöhnt hatte? Ganz einfach: Sein Trainer will es so. Kari Jalonen hat in Finnland ein ähnliches Charisma wie Arno Del Curto bei uns. Er setzt seinen Ruf nicht mit einer Blamage im europäischen Klubwettbewerb aufs Spiel. Marc Lüthi wollte den finnischen Kulttrainer unbedingt. Und musste eine Bedingung erfüllen: Die Champions Hockey League ist wichtig. Und siehe da: Der SCB, der sich auf europäischem Parkett bisher nur blamiert hatte, schaffte den Einzug unter die «Top 8».
Fribourgs Trainer Larry Huras weiss um den Marktwert internationaler Erfolge. Er hat mit Ambrì und den ZSC Lions den Continental Cup gewonnen und 1999 mit Ambrì sogar mit einem Finalsieg über Magnitogorsk den Super Cup. Also nimmt er die Champions Hockey League ernst. Er hat mit Gottéron, dem Zweitletzten der NLA, das finnische Spitzenteam Kuopio (2. in Finnland) eliminiert. Dazu ein Detail: Beim Deutschland Cup war Yannick Rathgeb ein Versager. Oder besser: Er fand sich in einer von einem unerfahrenen Coach geführten Mannschaft nicht zurecht. Mit Gottéron, gecoacht von einem der erfahrensten Trainer Europas, hat er zwei Tage später in der Verlängerung den Siegtreffer erzielt, der die Mannschaft in die nächste Runde der Champions League bringt.
Auch für Hans Wallson und Lars Johansson, die schwedischen Trainer der ZSC Lions, sind Erfolge in der Champions Hockey League wichtig für die Reputation. Sieg und Weiterkommen der Zürcher gegen Lugano sind daher nur logisch. Lugano trat gestern Abend wieder einmal als «Palmen-Lugano» auf: als eine Mannschaft mit einer Leistungskultur, die typisch ist für Leben und Eishockey unter Palmen.
Nicht die talentiertere Mannschaft hat dieses Achtelfinale gewonnen. Sondern die, die den Erfolg mehr wollte. Lugano setzte sechs Ausländer ein, die Zürcher nur vier und nach dem Ausfall von Ryan Shannon (Kopfverletzung durch ein ungeahndetes Foul von Julien Vauclair) nur noch drei. Die Anzahl Ausländer ist sowieso unerheblich: Der SC Bern und Fribourg-Gottéron sind gegen Teams weitergekommen, die ausschliesslich aus Ausländern bestehen.
«Think Big», sagen die Nordamerikaner. Am Anfang des Erfolges steht der Glaube daran, etwas erreichen zu können. Diese Einstellung ist die Voraussetzung für den Erfolg. Aber es braucht Führungspersönlichkeiten, die diese Einstellung vorleben. Darin liegt die Gestaltungskraft von Trainern. Scheitern ist möglich. Aber nur verzeihlich, wenn alles getan worden ist, um den grossen Erfolg zu erreichen.
Für unsere Klubs und für die Schweizer Nationalmannschaft ist alles möglich. Ambrì gewann 1999 den europäischen Klubwettbewerb, der damals noch wenig Beachtung fand. Die ZSC Lions triumphierten in der Champions Hockey League 2009 und besiegten anschliessend um den Victorias Cup sogar die Chicago Blackhawks, ein NHL-Spitzenteam. Die Schweiz erreichte 2013 den WM-Final. Und jetzt stehen drei Schweizer Teams unter den letzten acht des europäischen Klubwettbewerbs.
Wenn hingegen Führungspersönlichkeiten nicht an den Erfolg glauben oder einen Larifari-Betrieb tolerieren, dann geht gar nichts mehr. SCB-General Marc Lüthi hat den Schweizer Cup offiziell als unwichtig erklärt und der SC Bern ist gleich in der ersten Runde ausgeschieden. Gegen die Ticino Rockets, die in ihrer ganzen Geschichte erst eine einzige Partie gewonnen haben: das Cupspiel gegen den SCB.