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Eismeister Zaugg

Warum beim SC Bern die Trainerwahl reines Glücksspiel ist – und bei den ZSC Lions nicht

Soll der SCB in den kommenden Saison weiter auf Lars Leuenberger setzen oder einen neuen Trainer holen? Das Problem: Nicht einmal das Management weiss, was es will.
Soll der SCB in den kommenden Saison weiter auf Lars Leuenberger setzen oder einen neuen Trainer holen? Das Problem: Nicht einmal das Management weiss, was es will.
Bild: freshfocus
Eismeister Zaugg

Warum beim SC Bern die Trainerwahl reines Glücksspiel ist – und bei den ZSC Lions nicht

Die ZSC Lions wissen, wie man einen Trainer sucht und wie man mit NHL-Coaches umgeht. Die Berner nicht. Weil SCB-General Marc Lüthi inzwischen der Rudi Bindella unseres Eishockeys geworden ist.
11.02.2016, 10:2211.02.2016, 13:09
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Die ZSC Lions warten gelassen, ob Meistertrainer Marc Crawford bleibt oder geht. Der SCB ist in der Trainerfrage völlig ratlos. Die ZSC Lions sind mit NHL-Coaches bestens gefahren, der SCB hat seine Sportabteilung mit einem NHL-General fast ruiniert. Wie ist das möglich?

Das Problem beginnt mit dem Begriff NHL-Coach. Es gibt nicht DEN NHL-Coach. Die NHL-Bandengeneräle sind so verschieden wie die NLA-Cheftrainer. Um es an einem Beispiel zu erklären: Nehmen wir an, wir sind General Manager bei einem führenden Klub in der Australian Ice Hockey League (AIHL). Wir wollen, dass es rockt und rollt und holen einen NLA-Trainer. Weil wir denken, dass ein NLA-Trainer einfach gut sein muss. Die NLA ist eine der besten Ligen ausserhalb der NHL und die Schweiz war 2013 WM-Finalist. Also holen wir Morgan Samuelsson. Er war ja NLA-Trainer und heute gehört er als Schweizer Antwort auf Don Cherry zu unserer Hockeykultur.

Morgan Samuelsson ist mehr Entertainer denn begabter Trainer.
Morgan Samuelsson ist mehr Entertainer denn begabter Trainer.
bild: Teleclub

Bald geht es bei unserem Klub in Australien drunter und drüber. Morgan Samuelsson erweist sich als Operetten-Trainer und wir stürzen sportlich ab. Selber schuld. Ein Telefonat hätte nun wirklich genügt, um zu wissen, dass der Schwede zwar ein hochbegabter Entertainer ist, aber zum Trainer einfach nicht taugt. Wir müssten uns den Vorwurf gefallen lassen, dass wir uns von den drei Buchstaben NLA, von der Verpackung, von der Etikette blenden liessen und nicht nachschauten, was drinsteckt.

Zwischen den beiden NHL-Coaches Marc Crawford und Guy Boucher ist der Unterschied eher noch grösser als zwischen Arno Del Curto und Morgan Samuelsson. SCB-General Marc Lüthi (er hat bei der Trainerfrage das letzte Wort) hat es einfach unterlassen, ein paar Telefonanrufe zu machen. Sonst hätte er schnell erfahren, dass Guy Boucher bloss ein Operetten-NHL-Trainer ist. Er liess sich von den drei Buchstaben NHL, von der Verpackung, von der Etikette blenden und schaute nicht nach, was drinsteckt.

Spott aus Zürich für den SCB

Aber es gibt in dieser Sache noch eine weniger polemische und viel wichtigere Differenz zwischen den ZSC Lions und dem SC Bern. Die ZSC Lions sind ein Sportunternehmen, der SCB ist heute ein Gastronomie-Konzern mit angegliederter Sportabteilung. Marc Lüthi ist eigentlich der Rudi Bindella unseres Eishockeys, der erfolgreichste Wirt im Bernbiet, und hat nebenbei etwas über Eishockey gelernt.

ZSC-General Peter Zahner ist hingegen ein Mann des Eishockeys. Er war Trainer und Assistent, jahrelang Sportdirektor beim Verband und hat nebenbei etwas übers Geschäft gelernt. Die praktischen Auswirkungen dieser unterschiedlichen Ausrichtung der Chefs bei den zwei grössten Schweizer Hockeyunternehmen sind durchaus spektakulär.

SCB-Lüthi und ZSC-Zahner könnten unterschiedlicher kaum sein.
SCB-Lüthi und ZSC-Zahner könnten unterschiedlicher kaum sein.
Bild: Urs Lindt/freshfocus

In Bern achtet Marc Lüthi darauf, dass nur das Geld ausgegeben wird, das in den Wirtschaften erwirtschaftet werden kann. Daher kommt eine konservative Grundhaltung bei der Personalpolitik in der Sportabteilung. Die NZZ höhnte kürzlich, die SCB-Besitzer sollten halt auch einmal einen Griff ins Portemonnaie tun. Dieser Spott ist berechtigt und erklärt uns zugleich die ZSC Lions. Die NZZ ist das Leib- und Weltblatt des Zürcher Freisinns und der Zürcher Wirtschaft. Die ZSC Lions sind der Leib- und Weltklub der gleichen Gesellschaftskreise.

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Im calvinistischen Zürich hält sich hartnäckig der Glaube, das Sportgeschäft sei defizitär und bedürfe daher der Alimentation durch reiche Gönner (Walter Frey) oder der öffentlichen Hand. Das ist durchaus verständlich. Denn alle Zürcher Sportunternehmen schreiben seit Menschengedenken rote bis tiefrote Zahlen: Die ZSC Lions, die Kloten Flyers, der FC Zürich und GC. Auch Sportveranstaltungen sind in Zürich in der Regel defizitär. Die Leichtathletik-EM hat über zehn Millionen Franken (!) Steuergelder verschlungen.

Aus dieser Haltung heraus kommt auch die unsinnige Verknüpfung des privat finanzierten neuen Hockeystadions mit einer jährlichen Subvention von zwei Millionen durch die Stadt. Diese Forderung ist zwar berechtigt – aber politisch ungeschickt. Zürichs Eishockey sollte endlich lernen, auf wirtschaftlich eigenen Beinen zu stehen – wie in Bern.

Was unterschiedliche Strategien ausmachen

Und damit sind wir wieder bei der Trainerfrage. Beim Sportunternehmen ZSC Lions gibt es eine klare sportliche Strategie. Manager Peter Zahner und sein Sportchef Edgar Salis suchen jeweils in aller Ruhe den Trainer aus, der in diese Strategie passt. Dieser Trainer hat dann nach einem klaren Auftrag zu arbeiten.

Bei NHL-Trainern funktioniert das vorzüglich. Sie sind in den starren Hierarchien des nordamerikanischen Profisportes gross geworden. Der General Manager gibt die sportliche Richtung vor, der Trainer führt sie aus. Darum gilt in Nordamerika die Regel, dass der General Manager gehen muss, wenn er dreimal den falschen Trainer geholt hat.

Marc Crawford führt beim ZSC aus, was das Management vorgibt.
Marc Crawford führt beim ZSC aus, was das Management vorgibt.
Bild: freshfocus

Peter Zahner und Edgar Salis haben mit Bob Hartley und Marc Crawford die zur ZSC-Strategie passenden NHL-Trainer geholt. Beide setzten unter anderem den Auftrag um, die jungen Spieler zu fordern und zu fördern. In drei Jahren haben sie auch zwei Meistertitel (2012 und 2014) eingefahren. Und die ZSC Lions brausen nun auch mit vollen Segeln dem Qualifikationssieg entgegen.

Beim SCB gibt es keine sportliche Strategie. Die bestimmt jeweils der Trainer. Aber nur in Davos und mit Arno Del Curto funktioniert das Modell mit dem Trainer, der alles bestimmt und dem sich das Management unterordnet. In Bern führt die sportliche Ratlosigkeit, das jahrelange Hüst und Hot auf der Trainerposition inzwischen in die Krise.

Weil die Berner Guy Boucher hörig waren, die Ausländer holten, die er wollte, die Schweizer Spieler transferierten, die er wünschte, stehen sie jetzt im «Strichkampf» und haben früh alle Ausländerlizenzen verbraten – eine davon gar mit einem von Guy Boucher gewünschten Dauerverletzten. Lars Leuenberger hat nun den Auftrag gefasst, zu retten, was noch zu retten ist.

Rationales Vorgehen vs. Glücksspiel

Wir können davon ausgehen, dass Peter Zahner und Edgar Salis wieder den Trainer finden, der die ZSC-Strategie erfolgreich umsetzt. Deshalb spielt es keine Rolle, ob Marc Crawford bleibt oder geht.

In Bern gibt es eine klare wirtschaftliche, aber keine sportliche Strategie. Deshalb wissen Marc Lüthi und sein neuer Sportchef Alex Chatelain auch nicht, welchen Trainer sie eigentlich brauchen. Genügt vielleicht gar Lars Leuenberger? Oder sollte man besser Kari Jalonen verpflichten?

Ist Kari Jalonen vielleicht der richtige Trainer für den SC Bern?
Ist Kari Jalonen vielleicht der richtige Trainer für den SC Bern?
Bild: LASZLO BALOGH/REUTERS

Aber eigentlich ist man ja auch mit Nordamerikanern schon oft gut gefahren. Und wenn sie dann einen Trainer finden, so werden sie ihm blindlings alle Wünsche erfüllen. Sie wissen ja selber nicht, was sie wollen. Also sind sie froh, wenn ihnen jemand sagt, wohin die Reise gehen soll. Haben sie bei der Trainerwahl Glück, ist es möglich, das enorme Potenzial zu einem Meistertitel zu nützen. Haben sie hingegen Pech, gibt es wieder eine Krisensaison.

Oder in einem Satz gesagt: Bei den ZSC Lions ist die Trainerwahl das Resultat von rationellem Vorgehen, beim SCB hingegen ein reines Glücksspiel.

So steht es um die 12 NLA-Trainer

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So steht es um die 12 NLA-Trainer (Stand Februar 2016)
Lars Leuenberger (SC Bern), Stand: Vertrag läuft bis Ende der Saison 2015/16.
quelle: freshfocus / andy mueller/freshfocus
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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tower204CH
11.02.2016 15:26registriert Juni 2015
Ich wär dafür das der Z auch mal Geld in die Hand nimmt und das Leidige Stadion Thema zu benden. Die Führung vom SCB schadet keim anderem Verein, jedoch muss sich die Ganze Liga am Event Plan vom Hallenstadion anpassen.
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Muckerbucht
11.02.2016 10:55registriert April 2015
Der ZSC ist dort wo Bern in Sachen Strategie hin muss (oder sollte). Aber das braucht Zeit und ist ein länger- bis mittelfristiges Projekt. Wenn man sieht wie die Mannschaft aktuell und seit dem Trainerwechsel "performt" ist klar, dass die aktuelle Lösung nicht jene für die Zukunft sein darf. Leuenberger ist seit 3 Monaten im Amt, besser geworden ist nicht viel, die Fortschritte muss man mit der Lupe suchen. Nach 3 Monaten und gut 30 Spielen kann man's auch nicht mehr nur Boucher in die Schuhe schieben, dass man den Strich von unten ankuckt. Bleibt Leuenberger, dann gute Nacht für 16/17.
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HabbyHab
11.02.2016 18:44registriert Oktober 2014
Guy Boucher hat die Hamilton Bulldogs im Jahre 2010 in die Conference-Finals der AHL gebracht. Er hat im Jahre 2011 das bis dahin ziemlich schlechte Tampa Bay in die Conference Finals der NHL gebracht und ist da knapp an den Bruins gescheitert, welche danach den SC gewannen. Und Klaus Zaugg schreibt weiterhin, er sei ein schlechter Trainer.. der gute Herr ist gerade mal 44. Bitte.
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