Die maximale Demütigung für den SC Bern: Nach 18 Minuten und 26 Sekunden führt Biel in Bern 5:0. Trainer Johan Lundskog verfällt in Schockstarre. Kein Time-Out. Kein Torhüterwechsel. Rein gar nichts.
Als der SC Bern noch mächtig, arrogant, dem Erfolg und dem Publikum verpflichtet, als der SCB noch ein Sportunternehmen mit Leistungskultur war, hätte kein Trainer eine solche Blamage im Amt überstanden. Der SCB steht ja in der Tabelle auf dem 10. Rang und vor der miserabelsten Qualifikations-Klassierung seit dem Wiederaufstieg am grünen Tisch im Frühjahr 1986.
Es passt ins Bild: Raeto Raffainer hatte am Dienstag wichtigeres zu tun, als sich um den SCB zu kümmern und sich ein Bild von der Zerrüttung der Leistungskultur zu machen. Während der sportlich konzept-, lust- und chancenlose SCB gegen Biel ins Debakel taumelt, sitzt der SCB-Obersportchef in Südschweden beim Final der Champions League auf der Tribüne. Wir können zu seinen Gunsten einwenden: Er durfte getrost reisen. Alles im grünen Bereich. Immerhin hatte sein SCB mit einer heroischen Kraftanstrengung den übermächtigen Aufsteiger Ajoie am Montag doch noch mit 2:1 niedergerungen.
Der Grund für diese wahrscheinlich schlimmste Verlotterung der Klubgeschichte: Nächste Saison wird alles besser!
Der Trainer hatte Gelegenheit während der Olympia-Pause intensiv mit der Mannschaft zu arbeiten. Das Resultat: Keine Ordnung, keine Disziplin, völlige taktische Konzeptlosigkeit. Kein Problem: Nächste Saison wird alles besser!
Die ausländischen Spieler ausser Form? Kein Problem: Nächste Saison wird alles besser!
Cody Goloubef nach Kaspars Daugavins, Philip Varone, Cory Conacher und Thomas Christian der fünfte ausländische Fehleinkauf in nur einem Kalenderjahr? Kein Problem. Nächste Saison wird alles besser!
So wenig Zuschauer bei einem Berner Derby wie seit Menschengedenken nicht mehr? Kein Problem. Nächste Saison wird alles besser!
Tatsächlich ist die Hoffnung berechtigt, dass nächste Saison alles besser wird. Untersportchef Andrew Ebbett hat gut transferiert: Romain Loeffel, Joël Vermin, Marco Lehmann, Jesse Zgraggen, Eric Gelinas und Chris DiDomenico kommen. Die Torhüterposition ist mit Philip Wüthrich vorzüglich besetzt. Die eigenen Talente werden besser sein.
Die Frage ist zwar berechtigt: Wird ein Trainer-Neuling, der diese Saison überfordert ist, nächste Saison alles unter Kontrolle haben? Aber diese Frage ist boshaft. Denn wir wissen doch: Nächste Saison wird alles besser!
Der Chronist schliesst sich der offiziellen SCB-Generalausrede für alles und jedes an und sagt brav: Jawohl, nächste Saison wird alles besser! Viel besser sogar!
Aber da ist noch etwas: Den Saisonkarteninhaberinnen und -Inhabern ist diese Saison kein «Laueri-Rabatt» gewährt worden. Der SCB hat seine Kundinnen und Kunden im letzten Sommer nicht gewarnt und gesagt: Achtung! Diese Saison ist uns alles egal! Diese Saison fordern wir von unseren Spielern keine Leistungen und der Trainer hat Narrenfreiheit. Er darf verlieren, wie er mag und will. Es spielt diese Saison nämlich alles keine Rolle. Weil dann nächste Saison alles besser wird. Das ist doch das Schöne am Sport: There's Always Next Saison. Im richtigen Leben gibt es nicht jedes Jahr eine neue Chance.
Der SCB ist diese Saison so tief gesunken wie noch nie seit der Rückkehr in die höchste Liga im Frühjahr 1986. Nun ist es Zeit für Marketing. Denn davon versteht das SCB-Management etwas. Um zu zeigen, dass dem SCB die betrogenen zahlenden Kunden doch nicht «Wurscht» sind, wäre es angezeigt ein Zeichen zu setzen: Alle, die nächste Saison erneut ein Abo kaufen, sollten einen Gutschein bekommen, der bei jedem Spiel zum kostenlosen Bezug einer Wurst, eines sogenannten «Bären-Zipfels» berechtigt.
Und es würde sicherlich von der zahlenden SCB-Kundschaft geschätzt, wenn die Spieler geruhen, sich wenigstens in den anstehenden Pre-Playoffs doch noch anzustrengen. Ende der Polemik.
Da wird er wohl eher ein wenig Networking betrieben haben, für das nächstbessere Jöbli. Diesmal mit internationalem Flair😉