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Schläpfer wird Trainer – billiges Theater oder heroischer Schlussakt?

Kloten's Head coach Kevin Schlaepfer reacts, during a National League regular season game of the Swiss Championship between Geneve-Servette HC and EHC Kloten, at the ice stadium Les Vernets, in G ...
Kevin Schläpfer ist zurück an der Bande.Bild: KEYSTONE
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Kevin Schläpfer wird wieder Trainer – billiges Theater oder heroischer Schlussakt?

Kevin Schläpfer wechselt in Langenthal aus dem Sportchefbüro an die Bande und wird bis Saisonende Trainer. Bewährt er sich, ist nicht ganz auszuschliessen, dass er nächste Saison in Basel nicht Sportchef, sondern Trainer wird.
03.01.2023, 16:4403.01.2023, 17:22
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Längst steht beim SC Langenthal der freiwillige Abstieg in die höchste Amateurliga fest. Zu gewinnen gibt es nichts mehr. Zu verlieren – ausser der Ehre – auch nichts. Und trotzdem ein Trainerwechsel. Wie kommt das?

Kevin Schläpfer (53) ist die Sache nicht ganz geheuer. Er hat mit sich gerungen: Soll er? Soll er nicht? Auf nächste Saison hat er ja schon einen neuen Job. Als Sportchef beim EHC Basel. Seit er am 6. April 2018 in Kloten entlassen worden ist, stand er nie mehr an der Bande.

Er ahnt, wie schmal jetzt der Grat zwischen billigem Theater und heroischem Schlussakt sein kann. Die Situation ist ja wahrhaftig einmalig. Trainer Jeff Campbell (41) ist nämlich nicht entlassen worden. Er arbeitet bis Saisonende als Assistent von Kevin Schläpfer. Es handelt sich also nicht um eine Trainerentlassung. Sondern nur um eine Umbesetzung auf der Kommandobrücke.

26.1.2021 - Kloten - Swiss Arena - Challenge League - EHC Winterthur vs HC Langenthal- SC Langenthal s Headcoach Jeff Campbell Winterhur Zielbau Arena Zürich Schweiz Copyright: xSergioxBrunettix
Langenthal-Trainer Jeff Campbell ist neu nur noch Assistent.Bild: imago images/Sergio Brunetti

Kevin Schläpfer erzählt: «Nach dem 5:7 gegen Olten ist Jeff (Trainer Jeff Campbell – die Red.) zu mir gekommen und hat mir erklärt, er habe nicht mehr die Energie, um die Mannschaft zu führen. Es brauche neue Impulse.» Seit der Verkündung des freiwilligen Abstieges ins Amateurhockey haben die Langenthaler drei von fünf Partien verloren, die letzten zwei 1:7 in Basel und 5:7 gegen Olten.

Was also tun, wenn der Trainer einfach nicht mehr weiterweiss? Kevin Schläpfer schildert die theaterreife Situation: «Jeff, der Präsident und ich sind zusammengesessen und haben nach einer Lösung gesucht. Für mich war klar: Ich kann die Mannschaft nur übernehmen, wenn ich einen Assistenten habe. Allein kann ich das nicht. Jeff ist taktisch sehr gut und für mich der ideale Assistent.»

Präsident Gian Kämpf relativiert ein wenig: «Es war nicht so, dass wir nach der Niederlage gegen Olten einfach gemütlich bei einem Bier zusammengesessen sind und beraten haben, was wir mit dem Tag anfangen sollen.» Es habe mehrere Gespräche gegeben, aber im Grundsatz sei es schon so, wie es Kevin Schläpfer geschildert habe. «Kevin ist sehr emotional und das brauchen wir jetzt. Die Spieler gehen mit der schwierigen Situation unterschiedlich um. Nicht alle werden damit gleich gut fertig. Aber ich habe der Mannschaft gesagt, dass nun trotz allem noch einmal Leistung gefragt ist. Einige von uns haben zuletzt miserabel gespielt. Das muss sich ändern.»

Gian Kämpf sagt auch, dass die Mannschaft zusammenbleibe. «Alle Spieler, die bei uns einen Vertrag haben, bleiben bis Saisonschluss. Trotz Angeboten für sofortige Wechsel wird keiner gehen.»

Der Sportchef wird also Trainer und der bisherige Trainer der Assistent des neuen Trainers. Dass das Sportchefbüro nun in Langenthal leer bleibt, spielt keine Rolle mehr: Ende Saison ist ja sowieso Schluss mit Profihockey. Wie es weitergeht, steht in den Sternen: Für nächste Saison hat der SCL weder Trainer noch Sportchef oder Präsident und auch noch keinen Spieler unter Vertrag.

Der aktuelle Vorsitzende Gian Kämpf wird das Licht löschen, die Garderobe besenrein und den Laden schuldenfrei den Nachfolgern übergeben. Er will immerhin als Sponsor für das Amateurhockey an Bord bleiben. Aber wie dieses Amateurhockey strukturiert sein wird, ist völlig offen. Es gibt lediglich eine Task Force (Einsatzgruppe) unter der Führung von Mischa von Gunten, die sich redlich bemüht, auf der grünen Wiese ein Team für die MyHockey League zu bauen.

Ab sofort steuert also Kevin Schläpfer das untergehende Schiff. Nie hat ein Trainer in unserem Profihockey einen hoffnungsloseren Job übernommen: Es spielt keine Rolle mehr, ob die Mannschaft verliert oder gewinnt, und alle wissen es. «Es geht darum, dass wir alle zusammenstehen und die Saison in Anstand zu Ende bringen», sagt Kevin Schläpfer. Also ein Appell an die Hockeyromantik. An den Stolz.

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Kevin Schläpfer als Trainer beim EHC Basel? Kein unmögliches Szenario.Bild: www.imago-images.de

Wobei es noch eine Absurdität gibt: Die Langenthaler stehen auf dem 8. und letzten Playoffplatz. Den können sie mit 22 Punkten Vorsprung auf Winterthur eigentlich nicht mehr verlieren. Aber sie haben nur einen Punkt Rückstand auf Kevin Schläpfers künftigen Arbeitgeber Basel. Es wäre also möglich, noch den 7. Platz zu holen. Was eine Torheit sondergleichen wäre: Bleibt Langenthal auf Platz 8, dann sind die Viertelfinals gegen Olten praktisch gesichert. Was wäre das für ein Schlussfeuerwerk! Kevin Schläpfer führt den SC Langenthal zum allerletzten Hurra in den Playoffs gegen Olten. Noch einmal ein volles Haus. Noch einmal Emotionen. Noch einmal reichlich Polemik. «Ach, diese Anspielung musste ja kommen», seufzt der neue SCL-Trainer. «Aber wir nehmen Spiel für Spiel und denken nicht an die Playoffs …»

Und da ist noch etwas: Kevin Schläpfer wird ja nächste Saison Sportchef beim EHC Basel. Aber er ist von seinem Naturell her eigentlich Trainer. Vollbluttrainer sogar. Kein Büromensch. Ja, die Büroarbeit ist ihm im Grunde der Hockeyseele zuwider. Auch wenn er das so nicht sagt: Die Rückkehr an die Bande ist für ihn in Langenthal auch so etwas wie eine Erlösung. Endlich wieder den Pulverdampf an der Bande atmen! Endlich wieder Emotionen entfachen! Endlich wieder richtiges Hockey statt seelenloser Bürokram!

Die Frage geht an Basels Geschäftsführer Olivier Schäublin: Was, wenn Kevin nun als Trainer mit Langenthal für den Rest der Saison rockt und rollt? Wäre es dann nicht besser, wenn er nächste Saison in Basel Trainer statt Sportchef wird? Basel hat ja für nächste Saison keinen Trainer unter Vertrag. Olivier Schäublin empfindet diesen Gedanken als interessant und mag diese Option nicht ausschliessen: «Warum nicht? Schauen wir doch einfach mal, wie sich die Sache entwickelt …»

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