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Er ist in diesem Wettstreit der grossen, kräftigen und oft bösen Männer ein Zwerg (173 cm). Aber die Bezeichnung «Zwerg» wäre eine Beleidigung. Denn Mathieu Tschantré (34) ist in Tat und Wahrheit ein Titan. Und nun hat er in seiner 19. Nationalliga-Saison für sein Biel zum ersten Mal einen Spitzenkampf in der höchsten Liga entschieden.
Biel gegen Langnau ein Spitzenkampf. Das hat es zuletzt Ende der 1970er Jahre gegeben. Seither gab es zwischen diesen beiden Teams Berner Derbys als grauen Alltag oder Aufstiegskämpfe in der NLB, später als Abstiegskämpfe und oft genug mühselige Pflicht in der höchsten Spielklasse. Manchmal garniert mit ein wenig Drama. Aber sicher nie Champagner-Hockey.
Und nun war es erstmals seit gut 40 Jahren ein echter Spitzenkampf. In jeder Beziehung. Prickelndes Champagner-Hockey. Intensiv. Schnell. Dramatisch. Auf dem höchstmöglichen nationalen Niveau.
Zwei Teams, die immer auf den Zehenspitzen stehen, die in jeder Situation die konstruktive Lösung suchen. Kein taktisches Schachspiel. Kein Abwarten. Kein «Jalonen-Schablonen-Hockey». Beide abgesichert von grossen Torhütern (Damiano Ciaccio, Jonas Hiller). Die Bieler überlegen (38:23 Torschüsse). Aber Langnau immer zum schnellen Gegenangriff in der Lage. Und zur grossen, finalen Kraftanstrengung, die acht Sekunden vor Schluss den Ausgleich (2:2) einbringt.
Die Entscheidung fällt im Penalty-Schiessen. Nur einer trifft. Mathieu Tschantré. Der Letzte aus Biels Aufstiegsteam von 2008, der noch immer dabei ist. Seit dem Wiederaufstieg im Frühjahr 2008 Captain. Der Titan. Er hat gegen Langnau sein 813. Spiel für Biel bestritten (361 Punkte).
Nur zu einem Nationalmannschafts-Aufgebot hat er es nie gebracht, nicht einmal zu einem «Operetten-Länderspiel». Zu klein? Zu wenig produktiv? Wahrscheinlich schon. Seine Bestmarke in 50 Qualifikationspartien liegt bei 24 Punkten (14 Tore) in der Saison 2012/13. Aktuell steht er bei 8 Punkten (4 Tore) aus 16 Partien. Macht er so weiter, liegt gar ein neuer persönlicher Rekord drin.
Es ist seine 19. Saison mit Biel. Aber eigentlich spiele er ja schon 30 Jahre hier. «Als Bub hat mich noch die Mutter zur Eisbahn gefahren.» Mathieu Tschantrés Loyalität zu «seinem» Klub ist bemerkenswert, heute eigentlich fast nicht mehr denkbar. Er hat nie für ein anderes Hockey-Unternehmen gespielt. Nicht als Junior. Nicht als Profi.
Der Bieler wird seine Karriere in Biel beenden. Wer ihn in diesem Spitzenkampf gesehen hat, seine Präsenz (15:50 Min. Eiszeit), seine Wirkung (Assist zum 1:1, den entscheidenden Penalty versenkt), der denkt: Dieser Mann hat noch drei, vier gute Jahre vor sich. Kleine und leichte Spieler altern weniger schnell als grosse und schwere. Seine Konstanz ist erstaunlich: Er hat seit dem Aufstieg nie weniger als 10 Punkte (5 Tore). Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass Ende Saison Schluss ist.
Das Spiel ist längst vorbei. Die Emotionen sind abgeklungen und auf eine Frage nach seiner Zukunft wird er nachdenklich. «Ich habe im Laufe der Jahre viele Spieler gesehen, die den Zeitpunkt für den Rücktritt verpasst haben.»
Er fühle sich gut. Aber er sei sich bewusst, dass sich das in seinem Alter sehr schnell ändern kann. Und so lässt er offen, ob er im Frühjahr seinen Vertrag verlängern wird. Das bestätigt auch sein Sportchef Martin Steinegger: «Er kann entscheiden, ob er weiterspielen will.»
Mathieu Tschantré sagt, er befinde sich in einer komfortablen Situation und dafür sei er dankbar. Seit einiger Zeit habe er sich Gedanken über seine Zukunft nach dem Eishockey gemacht. «Wenn du 35 bist, wartet in der Berufswelt niemand auf dich.» Und er hat eine Familie mit zwei Kindern zu ernähren.
Nun hat er im Sommer die perfekte Lösung gefunden. Er habe sich bei einem kleinen Finanz-Dienstleistungsunternehmen (Buchhaltungen, Vermögensverwaltungen, das ganze Programm) in Biel eingekauft. Jetzt kommt ihm zugute, dass er den Bachelor in Betriebsökonomie gemacht hat. «Ich kann dort mit der Arbeit anfangen, wann ich will. Nach dieser Saison oder erst in vier oder fünf Jahren.»
Diese Lösung ist sozusagen die Dividende für seine Klubtreue. Er sagt, die lange Zeit in Biel bringe es mit sich, dass er gut vernetzt sei, und deshalb sei es möglich geworden, diese perfekte Lösung für die Zeit nach dem Hockey zu finden.
Hatte er eigentlich nie Angebote von anderen Klubs? «Doch, die hat es gegeben und immer wieder habe ich da und dort gehört, es wäre gut für mich, mal zu wechseln. Beinahe hätte ich es geglaubt. Ich bin froh, dass ich geblieben bin und ich hatte ja eigentlich nie einen Grund wegzugehen. Seit ich in Biel Profi bin, wird der Zahltag pünktlich am 25. überwiesen und ich hatte ja nie Angebote von einem Spitzenklub. Da hätte ein Wechsel sportlich nichts gebracht.»
Er hat nun fast alles erlebt: den Aufstieg in die NLA, die Dramen in der Liga-Qualifikation, die Entwicklung zum Playoff-Team – und nun hat er sogar einen Spitzenkampf in der höchsten Liga entschieden.
Die Krönung wäre natürlich ein Titelgewinn. «Das wäre wie Hollywood». Er gibt aber zu bedenken: «Die Erwartungen werden immer grösser und das gefällt mir nicht. Es ist so schwierig, in den Playoffs während mehreren Wochen alles drum herum auszublenden. Daran sind wir im letzten Frühjahr im Halbfinal nach einer 2:0-Führung nach Siegen und einem 3:0-Zwischenstand im dritten Spiel gegen Lugano gescheitert. Vielleicht hilft uns ja diese Erfahrung.»
Aber auch wenn es nicht zum Titel oder Finale reichen sollte: Ich habe Mathieu Tschantré noch in der NLB im alten Stadion gesehen. Die Vorstellung, er könnte einmal für Biel einen Spitzenkampf in der höchsten Liga in einer neuen Arena entscheiden, gab es nicht. Weil es ganz einfach unvorstellbar war.
Und nun ist das Unvorstellbare doch wahr geworden. Das ist eigentlich auch schon ein bisschen wie Hollywood.