Zu den seltsamsten Klassierungen der letzten Jahre gehört Fribourgs 10. Platz in der vergangenen Qualifikation. Seltsam deshalb, weil Reto Berra nach Leonardo Genoni der beste Torhüter der Liga und Gottérons Abwehr die drittbeste der Liga war. Nur die beiden Finalisten SC Bern und Zug hatten noch weniger Treffer zugelassen.
Eine der wenigen ewigen Weisheiten in diesem Spiel auf rutschiger Unterlage: Meisterschaften werden durch die Defensive entschieden. Das gilt für die Qualifikation und die Playoffs. Der SCB und Zug, die defensiv stabilsten Teams der letzten Saison, belegten in der Qualifikation die Plätze 1 und 2 und bestritten den Playoff-Final. Aber eben: Gottéron, die defensive Nummer 3, kam nicht einmal in die Playoffs.
Aber eigentlich war Gottéron ein Playoff-Team. Nach 50 Runden fehlte für den 8. Platz ein einziger Punkt und für Rang 4 lediglich fünf Zähler. Der Optimist spricht von einer Zufallsdifferenz und sagt: Reto Berra hat sich langfristig für Gottéron entschieden und seinen im nächsten Frühjahr auslaufenden Vertrag vorzeitig bis 2024 verlängert. Mit ihm bleibt uns die defensive Stabilität erhalten und es braucht nur ein paar Tore mehr und wir sind wieder in der Spitzengruppe.
Der Optimist hat recht. So ist es. Den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg machen bei diesem Hockeyunternehmen mehr noch als bei der Konkurrenz «weiche» Faktoren aus. Es war in den letzten Jahren unruhig im Hause Gottéron. Reto Berra kam, weil er ein weiteres Jahr in Nordamerika geblieben war, ein Jahr später als geplant. In der Klubregierung gab es Umbildungen und Sportchef Christian Dubé sorgte für emsiges Kommen und Gehen in der Garderobe.
Nun gilt: «Wir haben Reto Berra, also sind wir». Das Bekenntnis von Reto Berra zu Gottéron ist ein Signal, das gar nicht überschätzt werden kann. In Zeiten der Goalienot hat Gottéron nun vier Jahre lang auf der wichtigsten Position Ruhe. Dieses Privileg geniesst sonst nur noch Zug mit Leonardo Genoni. Sportchef Christian Dubé hat offensiv besseres ausländisches Personal eingestellt. Gottérons Offensive wird nicht mehr die drittschwächste der Liga sein. Gottéron rockt wieder.
Der Preis ist allerdings hoch. Reto Berra ist nun mit einem Jahressalär von etwas mehr als 700'000 Franken nach Leonardo Genoni der zweitbestverdienende Torhüter der Liga. Sein nun fünf Jahre laufender Vertrag hat inklusive Prämien einen Wert von vier Millionen Franken. «Ja, das ist so», bestätigt Christian Dubé diese Schätzung. «Reto Berra ist sein Salär wert. Er bringt uns auf und neben dem Eis Stabilität und sein Bekenntnis zu Gottéron ist ein Zeichen, dass mit uns zu rechnen ist. Eine alte Weisheit sagt, gute Spieler locken gute Spieler an. Auch so gesehen wird sich diese Investition in Zukunft rechnen.»
Reto Berra restera un dragon / Reto Berra bleibt ein Drache +4 #batirensemble #gemeinsamerschaffen #fribourg #gotteron pic.twitter.com/t2Znrj3EH4
— Fribourg-Gottéron (@FrGotteron) August 22, 2019
Die Hockeygötter hatten Reto Berra eine wunderbare Situation beschert: Gottéron will ihn unbedingt halten, Biel sucht einen Nachfolger für Jonas Hiller und Lugano einen besseren Goalie als Sandro Zurkirchen. Drei Klubs, die ein Jahressalär von mehr als 700'000 Franken offerieren können. Eine bessere Ausgangslage für ein cooles Vertragspokerspielchen gibt es in unserem Klubhockey nicht.
Bei dieser Ausgangslage Reto Berra zu halten, war für Gottéron fast so schwierig wie den Playoff-Final zu erreichen. «Es war schwierig», sagt Christian Dubé. «Und ja, ich bin glücklich und stolz, dass wir Reto Berra halten konnten. Wir wollten unter keinen Umständen mit einem grossen Fragezeichen um unsere Torhüterposition in die Saison steigen.»
Reto Berra hat mit seinem Entscheid Christian Dubé vor unruhigen Zeiten bewahrt. Das Vertrauen in den Sportchef wäre trotz Vertrag bis 2023 in den Grundfesten erschüttert worden. Um es boshaft zu sagen: Hätte er eine entsprechende Ausbildung, wäre er wohl in die Chefetage der Kantonalbank auf den Posten eines Personalchefs wegbefördert worden. Dort wäre das Transferieren nicht mehr so schwierig, das ausländische Personal wäre nicht so wichtig und er hätte weiterhin mit hohen Salären und Geldbeträgen jonglieren können.
Der Pessimist sagt: Gottéron zahlt Reto Berra zu viel. Der Optimist sagt, Reto Berra sei den Preis wert. Der Optimist hat recht. Die Investition lohnt sich. Der Goalie ist für ein Hockeyunternehmen so wichtig wie ein solides Fundament für ein Haus.
Das Haus Gottéron, das schon von so vielen Torhüterdramen erschüttert worden ist, steht auf solidem Grund und ist wieder ein Spitzenteam. Ein grosser Torhüter ist zwar nicht alles, aber ohne grossen Torhüter ist alles nichts.
Speziell im Anbetracht, dass ihm der Verein ja 2017 einen Vertrag angeboten hat und er noch von der NHL-Klausel gebrauch gemacht hat.
Dass er jetzt diesen Verein nicht sitzen lässt, zeugt schon von Stil und Klasse