Die Statistik, klar und wahr, liefert den Beweis. Bei den elf Partien um den Spengler Cup sind im Schnitt 6,2 Tore erzielt worden. Und nun brechen im Januar die Dämme. In den 30 Partien der Qualifikation seit dem Spengler Cup sind 6,9 Tore pro Partie gefallen. Tendenz steigend: In den letzten beiden Runden ist die Quote auf 8,16 bzw. 8,00 Tore pro Partie gestiegen.
Ob unsere National League die beste neben der NHL ist, lässt sich nicht beweisen. Zum Thema können wir wochenlange Seminare veranstalten, ohne eine verbindliche Antwort zu finden. Aber mit Sicherheit ist die National League die unterhaltsamste, spektakulärste Liga auf dem alten Kontinent.
Spengler Cup-Hockey gilt als eine eher etwas despektierliche Bezeichnung für sorgloses Hockey ohne defensive Absicherung. Für Hockey als Spiel und Spass. Mit vielen Toren und wenig Taktik. Beim letzten Turnier fielen pro Partie 6,2 Treffer. Zum Vergleich: In der ersten Vollrunde der Qualifikation am 16. September konnten die Fans lediglich 3,3 Treffer pro Partie bejubeln. Die Meisterschaft ist eben seriöses Business.
Und nun also im Januar mehr als 6 Treffer pro Partie, zuletzt sogar 8 oder mehr Tore. Ist es Zufall? Oder ein Trend? Was auffällt: Der Freitag hat uns soeben auch eine Parade der Operetten-Goalies beschert. Als genügend gilt eine Fangquote ab 90 Prozent. Hier ein paar Werte vom Freitag: Philip Wüthrich (SCB) 75,00 Prozent. Melvin Nyffeler (Lakers) 81,48 Prozent. Connor Hughes und Loic Galley (Gottéron) 66,67 bzw. 78,57 Prozent. Ivars Punnenovs (Lausanne) 84,00 Prozent. Gauthier Descloux (Servette) 78,57 Prozent und Mikko Koskinen (Lugano) 82,61 Prozent. Bei Philip Wüthrich, Melvin Nyffeler, Ivars Punnenovs, Gauthier Descloux, Connor Hughes und Mikko Koskinen handelt es sich um Torhüter, die bereits Länderspiele bestritten haben.
Eine Liga der Lottergoalies? Nein. Eine Liga der Lotter-Verteidigungen? Nur bedingt. Das defensive Januar-Loch dürfte eine andere Ursache haben: Noch nie in der Geschichte (seit 1908) hatten wir so viele gute Offensivspieler in unserer Liga. Nicht einmal während der NHL-Lockout-Saison 2004/05. Denn damals waren nur vier Ausländer erlaubt. Nun können erstmals sechs eingesetzt werden.
Wegen des Krieges in der Ukraine fällt die russische KHL für Spieler aus Nordamerika und Europa praktisch weg und nun ist die National League neben der NHL die finanziell attraktivste Liga der Welt. Mag sein, dass wir 2005/05 mehr offensive Superstars hatten. Aber in der Gesamtsumme war noch nie so viel ausländisches Offensivpotenzial in der Liga. Fast alle der 99 bisher eingesetzten ausländischen Feldspieler sind wegen ihrer Offensiv-Qualitäten verpflichtet worden. Auch die Verteidiger. Nur der SCB (Cody Goloubef), Davos (Klars Dahlbeck) und Gottéron (Juuso Vainio) haben Ausländer-Lizenzen für Defensivverteidiger eingelöst, die regelmässig eingesetzt werden.
Die höhere Anzahl guter Offensivspieler zeigt sich am auffälligsten in der Powerplay-Statistik: Neun Teams (!) haben diese Saison eine Powerplay-Erfolgsquote von mehr als 22 Prozent. Nur Ajoie, Langnau, Lausanne, Lugano und Davos haben bisher diese Marke nicht erreicht. In den letzten sieben Jahren wiesen nie mehr als zwei Teams eine Powerplay-Erfolgsquote von mehr als 22 Prozent auf und zweimal (2016/17 und 2018/19) kein einziges.
Die verschiedenen Statistiken belegen eine klare Aufwertung des Offensiv-Gesamtpotenzials der Liga. Ja, mit ziemlicher Sicherheit war unsere Liga offensiv noch nie so gut wie im Januar 2023.
Bleibt der Trend oder gibt es bald wieder eine defensive Beruhigung? Das ist die grosse Frage. Jeder Trainer arbeitet daran, die Kontrolle über das Spiel zu behalten oder zurückzugewinnen und das unberechenbare Spektakel zu ordnen. Trainer haben lieber ein 2:1 als ein 6:5.
Im Januar ist oft ein Nachlassen der taktischen Disziplin zu beobachten. Im Februar folgt dann im Hinblick auf die Playoffs wieder eine Rückkehr zur defensiven Seriosität. Im Sinne guter Unterhaltung hoffen wir, dass das offensive Azorenhoch noch ein wenig andauert und die Trainer die Dinge nicht so bald wieder unter Kontrolle bringen.