Cheftrainer bleiben oder wieder zurück ins Büro des Sportchefs? Christian Dubé ist nach wie vor unschlüssig. «Es ist möglich, dass Sean Simpson und ich weiterhin die Mannschaft führen. Ich führe aber auch Gespräche mit möglichen neuen Trainerkandidaten.» Sein Zögern hat einen Grund. Er ist ja auch noch Sportchef. «Wenn ich weiterhin Trainer bleiben will, dann sind einige organisatorische Fragen zu klären.» Bis Ende April will er sich entscheiden.
Die Doppelbelastung Cheftrainer/Sportchef ist überaus heikel. Aber in diesem ganz speziellen Fall kann sie funktionieren. Die Mannschaft für die kommende Saison steht. Anders als etwa in Langnau sind auch alle Ausländerpositionen besetzt. Heikle Vertragsverlängerungen von Schlüsselspielern stehen, abgesehen vom kapriziösen Schillerfalter Andrej Bykow, ja auch nicht an. Im Verwaltungsrat sitzt Slawa Bykow, eine der ganz grossen Persönlichkeiten des Welthockeys.
Zudem ist Sean Simpson viel mehr als ein Assistent. Der WM-Silberschmied von 2013 hält mit seiner immensen Erfahrung seinem Chef den Rücken frei und kann die taktische Schulung des Personals übernehmen. Christian Dubé kann sich auf die repräsentative Rolle an der Bande und auf Kabinenauftritte konzentrieren. Alles in allem: Dubé muss bei weitem nicht das Arbeitspensum eines «normalen» Headcoaches erfüllen. Er kann unter diesen Voraussetzungen eine weitere Saison Cheftrainer bleiben und seine Aufgaben als Sportchef mit geschickter Organisation auf mehrere Schultern verteilen. Gottéron hat die «Büro-Struktur» der Grossklubs in Bern, Zürich oder Zug und nicht die knappen Ressourcen wie Langnau, Ambri oder die Lakers.
Woran messen wir Coaches? Natürlich an Siegen und Niederlagen. An Titelgewinnen. Falsch. Alles Sinnen und Trachten gilt zwar dem Gewinn der Meisterschaft. Meisterlicher Ruhm ist das höchste aller Gefühle. Aber der Rausch der Playoffs dauert bloss von Anfang März bis ungefähr Mitte April. Eine Hockeyfirma macht jedoch den grössten Teil ihrer Geschäfte während den 50 Qualifikationsrunden vom September bis Ende Februar.
Gute Unterhaltung während der Qualifikation ist also fürs Geschäft wichtiger als eine Meisterfeier. SCB-Manager Marc Lüthi wird diese These jederzeit bestätigen.
Jean Martinet, der viel zu früh verstorbene Fribourg-Präsident, hat dieses Geschäftsprinzip vor allen anderen Präsidenten der Liga erkannt. Das Spektakel, das er dem Publikum bereits in den frühen 1990er-Jahren mit Slawa Bykow und Andrej Chomutow geboten hat, bleibt für alle Zeiten in unserem Gedächtnis haften.
Wer hat eigentlich in dieser Zeit der «russischen Flugjahre» die Meisterschaft gewonnen? Danach fragt heute längst niemand mehr (es waren Lugano, Kloten und der SCB). Aber noch heute fragen wir mit glänzenden Augen: Hast Du Bykow und Chomutow spielen gesehen? Ach, Gottérons «russische Flugjahre» kehren nie wieder zurück.
Aber immerhin hat Gottéron heute Christian Dubé. Nein, er ist nicht der grösste Gottéron-Trainer der Geschichte. Dieser Titel gebührt Gaston Pelletier. Er hat Gottéron im Frühjahr 1980 in die höchste Liga geführt. Er ist der sportliche Architekt des modernen Gottéron.
Dubé hat seinen Platz im goldenen Buch der Trainergeschichte Gottérons. Obwohl er noch nicht einmal eine ganze Saison lang Trainer war. Doch er hat das Drehbuch einer der dramatischsten Saisons der Klubgeschichte geschrieben. Am 4. Oktober rutscht Gottéron nach einem 0:4 in Ambri auf den letzten Platz ab. Zehn Punkte hinter dem 8. Rang. Dubé feuert Trainer Mark French, dessen Vertrag er kurz zuvor noch vorzeitig um zwei Jahre verlängert hatte. Soweit so gut. Ungewöhnlich ist nicht diese Trainerentlassung. Sie ist den Gesetzen der Branche geschuldet. Grandios ist die Art und Weise, wie Dubé nun das Problem löst.
Der bestangezogene Sportchef der Liga übernimmt das Traineramt. Und wird der bestangezogene Trainer. Sozusagen ein Bandengeneral in Armani-Hosen. Aber er weiss, dass er allein dieser Aufgabe und der Doppelbelastung Cheftrainer/Sportchef nicht gewachsen ist. Und holt einen der ganz grossen Taktiker aus dem Ruhestand: Sean Simpson, WM-Silberheld von 2013, Sieger der Champions Hockey League und des Victoria Cups mit den ZSC Lions, Meister mit dem EV Zug.
Es wird die perfekte Kombination. Der charismatische Kommunikator und Zauberlehrling Dubé, der noch nie in seinem Leben ein Team gecoacht hat, lässt sich vom taktischen Hexenmeister Simpson helfen, der alles über Eishockey weiss, aber das Scheinwerferlicht meidet wie die Eule das Tageslicht. Er überlässt Dubé noch so gerne die grosse Bühne und hält sich im Hintergrund. Er muss ja nichts mehr beweisen und ist einfach froh, dass er wieder Eis «riechen» darf. Dass er wieder im Geschäft sein darf, das seine Leidenschaft ist.
Am 28. Februar sichert sich Gottéron mit dem Punktgewinn bei der Verlängerungs-Niederlage in Bern (0:1) die Playoffs. Einen Tag später wird der SCB durch die Niederlage in Lausanne als Meister die Playoffs verpassen. Ein Finale, das so gut zur Geschichte und Kultur Gottérons passt: Kein meisterlicher Triumph. Aber wieder einmal ein versöhnliches Ende einer dramatischen Qualifikation. Und vor allem: Besser als der SC Bern!
Christian Dubé hat das Eishockey als Cheftrainer nicht neu erfunden. Er hat keine neue Taktik entwickelt. Aber er schafft den Spagat zwischen Spektakel und strukturiertem Spiel, zwischen Leidenschaft und kühlem taktischen Verstand. Seine Mannschaft rockt die Gegner im Vorwärtsgang oder lässt sie in taktische Fallen laufen. In Bern gelingt beispielsweise am 29. Oktober auswärts ein 2:1-Sieg. Langnau wird am 5. Januar auf eigenem Eis nach einem 0:2-, 1:3- und 2:4-Rückstand in der Verlängerung noch mit 5:4 gebodigt.
Hätte Gottéron dieses dramatische Spiel verloren, hätte es mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr für die Playoffs gereicht. Und inzwischen wissen wir: Diese Niederlage ist der Anfang vom Ende der «Ära Heinz Ehlers». Die Emmentaler erholen sich nie mehr richtig von diesem ersten Zusammenbruch des «System Ehlers», verpassen schliesslich die Playoffs und am 3. März wird der Trainer der Langnauer das Handtuch werfen und den Rücktritt per Ende Saison verkünden. Trotz Vertrag bis 2021.
Zusammen mit Sean Simpson hat Christian Dubé den feurigen Drachen gezähmt wie einst Siegfried und Roy die wilden Tiger. Ein grosser Trainer und ein grosser Entertainer mit dem wunderbaren Sinn für Humor, Ironie und gute Unterhaltung, der heute im «Big Business» des Sportes zu selten geworden ist. Genau das, was ein Hockey-Unternehmen, eine «Traumfabrik» wie Gottéron braucht. Kommt dazu: Wenn Christian Dubé weitermacht, spart er seinem Arbeitgeber das sechsstellige Salär für einen neuen, teuren Cheftrainer. So gesehen wäre Christian Dubé ein «Billigtrainer» in Armani-Hosen.
Was spricht dagegen, dass Christian Dubé weitermacht? Eigentlich nichts.
Aber vielleicht tut er sich den Cheftrainer-Job doch nicht mehr an. Schon deshalb, weil er dann während einer ganzen Saison zu allen Auswärtsspielen fahren muss.
Die Klubs haben wohl gemerkt, dass da im Herbst nicht gespielt wird.