Den wilden Herbst 2015 beruhigten unsere Verbandsgeneräle mit einem Zauberwort: «Swissness». Also einer Rückkehr zu den eidgenössischen Wurzeln nach der Entlassung des kanadischen Nationaltrainers Glen Hanlon.
Nach einer turbulenten Zwischenphase mit der Ernennung von Felix Hollenstein und einem Intermezzo von John Fust (der die Schweiz beim Deutschland Cup führte) ist Patrick Fischer zum Nationaltrainer ernannt worden.
Bei der WM 2016 in Moskau scheiterten die Schweizer spektakulär und verpassten die Viertelfinals. Sie spielten wildes, aber taktisch naives «Pausenplatz-Hockey» – mit einer Mannschaft, die so talentiert war, dass man sie am Telefon hätte in den Viertelfinal coachen können.
Was hat das mit Scott Beattie zu tun? Nun, der freundliche Kanadier ist ein brillanter Kommunikator, aber eine taktische Nullnummer. Kanadas Antwort auf Patrick Fischer. Die Langnauer stürzten soeben mit taktisch naivem «Pausenplatz-Hockey» ans Tabellenende. Das sind die Parallelen zur Nationalmannschaft und zu den SCL Tigers.
Im Emmental hat die Entlassung von Scott Beattie und das Engagement des taktischen Hexenmeisters Heinz Ehlers taktische Ordnung ins Spiel und den Erfolg zurückgebracht.
Eine Entlassung von Nationaltrainer Patrick Fischer war hingegen kein Thema. «Swissness» wäre sonst schon nach ein paar Monaten krachend gescheitert. Von Bord gingen lediglich die Assistenten Felix Hollenstein und Reto von Arx.
Und so haben wir heute eine überaus interessante Ausgangslage. Neu kommt der taktische Hexenmeister Tommy Albelin als Assistent. Mit ihm und Patrick Fischer haben wir nun bei der Nationalmannschaft sozusagen eine Mischung wie Scott Beattie und Heinz Ehlers. Der 52-jährige Schwede hat die meiste Zeit seiner Karriere als Spieler und als Assistent bei den New Jersey Devils und deren Farmteam verbracht. In der Organisation, die bis vor zwei Jahren das defensivste defensive Defensivhockey der Welt zelebrierte. Wenn einer Defensive kann, dann der ehemalige Weltklasse-Defensivverteidiger aus Schweden.
Der erste öffentliche Auftritt des Duos war höchst unterhaltsam. Vor der Abreise zum Deutschland Cup in Augsburg (mit den Partien gegen Kanada, Deutschland und Slowakei) präsentierten sich die beiden in Opfikon gemeinsam den Chronisten.
Tommy Albelin ist ein überaus kommunikativer Typ mit Sinn für Ironie. Vom Wesen und Wirken her eher ein Nordamerikaner als ein Skandinavier. Er lebt in New Jersey und kommt nur für die Nationalmannschafts-Einsätze in die Schweiz – so wie früher der Deutsche Fussball-Bundestrainer Jürgen Klinsmann seinen Lebensmittelpunkt auch nicht aus den USA zurück nach Germany verlegte.
Tommy Albelin wird höchstens ein paar NLA-Spiele sehen. Dafür kümmert er sich in Nordamerika um die Schweizer. Die nächsten drei U20-WM-Turniere werden in Nordamerika gespielt und das passt ihm gut: Er wird als Assistent auch Ordnung im taktischen Haushalt des U20-Nationalteams machen.
Der Hexenmeister Albelin ist also nur Assistent und die beiden Zauberlehrlinge Fischer und Wohlwend dürfen den Chef bei der Nationalmannschaft bzw. dem U20-Nationalteam zelebrieren. Das kann durchaus funktionieren. Tommy Albelin, mit über 1000 NHL-Partien und zwei Stanley Cups in jeder Beziehung ein paar Nummern grösser als seine Chefs, fällt kein Zacken aus der Krone. Funktioniert es nicht, wird niemand ihm die Schuld geben. Funktioniert es, wird er weltweit als Hexenmeister gepriesen.
Die Kabinensprache bleibt Deutsch, aber im Coachingteam wird nun wieder Englisch gesprochen. Patrick Fischer versichert, dass alle Eidgenossen rund um die Nationalmannschaft der englischen Sprache mächtig seien. Das «Trio Grande» Fischer, Albelin und Wohlwend hat schon ein «Schulreisli» unternommen und wohnte gemeinsam dem World Cup in Toronto bei. Patrick Fischer sagt, es sei auch darum gegangen, sich besser kennen zu lernen.
Patrick Fischer erklärte die Aufgabenteilung. Tommy Albelin werde sich um die Verteidiger und das Box-Play kümmern, er um die Offensive und ums Coaching. Sein neuer Assistent pflichtete bei und versicherte: «He is the boss», Fischer werde immer das letzte Wort haben – auch in Fragen der Defensive. Sein elf Jahre jüngerer «Boss» spürte die leise Ironie dieser Aussage und beeilte sich zu erklären, man werde natürlich alles miteinander diskutieren.
Kurz und gut: Tommy Albelin kümmert sich um die Arbeit, die taktisches Geschick und Erfahrung erfordert (die Organisation der Defensive) und sein Chef Patrick Fischer um die Offensive, also um den Unterhaltungsteil, wo es vor allem darum geht, Mut zu machen und Freiheiten zu gewähren. Der Assistent ist also wichtiger als der Cheftrainer.
In der Vergangenheit reiste die Nationalmannschaft mit einem «Larifari-Team» zum Deutschland Cup. Mit einem konzeptlosen Aufgebot, das wirkte, als seien die Plätze in einer Lotterie verlost worden. Damit ist Schluss. Die Schweizer reisen mit dem bestmöglichen Aufgebot nach Augsburg. Ohne die Spieler, die in Nordamerika engagiert sind. Kompromisse gibt es nur mit den Stars aus den Teams, die noch in der Champions Hockey League engagiert sind. Sie reisen erst am Mittwoch nach Augsburg und bestreiten dort nur zwei der drei Partien.
Wer jetzt fit ist und trotzdem nicht für den Deutschland Cup aufgeboten worden ist, wird also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bei der WM in Paris nicht dabei sein. Auch beim Heimturnier im Dezember (in Biel) soll wieder die bestmögliche Mannschaft im Einsatz stehen. Nur bei den Februar-Länderspielen in der Slowakei ist ein «U-23-Team» vorgesehen – mit den Talenten, die in einem, zwei oder drei Jahren bei der WM zum Zuge kommen werden.
Und nun also erst einmal der Deutschland Cup. Niemand wird im Frühjahr nach dem WM 2017 in Paris noch nach dem Deutschland Cup 2016 fragen. Aber wir werden bereits bei diesem Turnier sehen, ob die Schweizer immer noch so spielen wie die Langnauer unter Scott Beattie, oder ob bereits die taktische Handschrift von Tommy Albelin zu sehen ist. Schliesslich war Heinz Ehlers Handschrift in Langnau auch schon ab seinem zweiten Spiel zu sehen.
Und was ist nun mit «Swissness»? Kein Problem. Sind wir gut, ist es weiterhin «Swissness». Kommt es nicht gut, werden wir es dem verderblichen Einfluss eines schwedischen Assistenten zuschreiben und wieder den Assistenten feuern.