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Die SCB-Chefetage reagiert – «Kraftstübli-Dialog» statt Türen zuknallen

Berns Nick Meile, Beat Gerber, Berns Colin Gerber und die Teamkollegen, von rechts, nach dem Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und Lausanne HC, am Dienstag, 31. Ja ...
Beim SCB läuft es aktuell alles andere als Rund.Bild: keystone
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Die SCB-Chefetage hat reagiert – «Kraftstübli-Dialog» statt Türen zuknallen

01.02.2023, 18:22
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Die besorgniserregende Verfassung der Mannschaft hat die SCB-Chefetage aufgeschreckt: Die Spieler samt Trainer, Staff und Sportchef mussten am Mittwoch-Vormittag um 10.00 Uhr zur Krisensitzung in der «Energy Lounge» antraben. Die Referenten: Präsident Marc Lüthi und Manager Raëto Raffainer. Dauer der Veranstaltung: Eine gute Stunde. Eigentlich wäre der Mittwoch trainingsfrei. Der freie Tag ist gestrichen worden. Immerhin das.

Die «Energy Lounge» (= berndeutsch: Kraftstübli) ist eine geräumige VIP-Loge im SCB-Tempel. Sie wird vom SCB so beworben: «Auf VIP-Gäste warten hier zahlreiche attraktive Speise- und Getränkeangebote mit Blick aufs Spielfeld, das Ausseneisfeld und das Atrium.»

Das ist also der noble äussere Rahmen der SCB-Krisensitzung. Nicht in der Kabine mit den harten Bänken, wo es nach Schweiss und Hockey riecht, wird dem spielenden Personal die Leviten gelesen. Sondern im noblen VIP-Bereich des Stadions mit bequemem Sitzmobiliar. Gab es ein Donnerwetter?

Raëto Raffainer bestätigt auf Anfrage den Termin.« Ja, es ist richtig, dass Marc Lüthi und ich mit der gesamten Sportabteilung um 10.00 Uhr eine Sitzung in der Energy Lounge des Stadions hatten. Was gesprochen worden ist, bleibt intern.» Immerhin verrät er: «Es hat auch Diskussionen gegeben.» Also ganz offensichtlich nicht einfach ein Donnerwetter der obersten zwei Bosse. Sondern Gespräche, Diskussionen, Anregungen. Modernes Krisenmanagement.

Der neue SCB CEO Raeto Raffainer, links, bedankt sich beim abtretenden SCB CEO Marc Luethi, vor dem Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und dem EV Zug, am Freitag, 1 ...
Raëto Raffainer (links) und Marc Lüthi (rechts) gemeinsam beim Abschied von Lüthi.Bild: keystone

Als einzige Sofortmassnahme hat Raëto Raffainer die Verpflichtung eines zusätzlichen ausländischen Verteidigers angeordnet. «Das ist alles, was wir tun können.» Er ist beunruhigt: «Bisher hatten wir gute Buchungen im Gastronomie-Bereich und wir zehren noch von der guten Phase im Dezember, als wir sechs von sieben Spielen gewannen. Aber jetzt sind wir auf einem gefährlichen Weg.»

Der SCB-Manager war zuletzt nach der Heimniederlage (2:4) gegen den HC Davos vom 20. Januar in der Kabine um Tacheles zu reden. Die Reaktion ist nicht ausgeblieben. Der SCB hat am 22. Januar in Davos oben (3:2 n.V) den bisher letzten Sieg gefeiert. Die Kabinenpredigt des SCB-Managers hat offensichtlich die Wirkung nicht verfehlt. Raëto Raffainer sieht allerdings keinen direkten Zusammenhang mit seinem Gang in die Kabine und dem darauffolgenden Sieg.

SCB-Präsident Marc Lüthi kommentiert die aktuelle Lage nicht und bringt es auf den Punkt: «Es gäbe zwar viel zu sagen. Aber ich sage nichts.» Es gehe ihm gesundheitlich wieder gut, dankt für die Nachfrage, bittet aber, sich für alle weiteren Auskünfte zur Lage an Raëto Raffainer zu wenden. Der sei jetzt zuständig. Das ist der neue, moderne Führungsstil. Gewaltentrennung. Struktur. Ein Präsident, der präsidiert. Ein Manager der managt. Ein Coach, der coacht und Spieler, die spielen.

Enttaeuschte Berner Spieler nach dem Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und Lausanne HC, am Dienstag, 31. Januar 2023 in der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Pe ...
Gegen Lausanne setzte es für den SCB erneut eine Niederlage.Bild: keystone

Ach, die Zeiten der unkonventionellen, rustikalen Führung der kurzen, direkten Wege durch Manager Marc Lüthi sind halt passé. Unvergessen bleibt der 24. Januar 2016. Der SCB kassiert in Biel die sechste Niederlage in Serie (3:4 n.V), fällt auf den 9. Platz zurück und droht acht Spiele vor Schluss die Playoffs zu verpassen. Ein aufgebrachter Marc Lüthi begibt sich zur Brandrede in die SCB-Kabine und knallt die Türe so heftig zu, dass der dumpfe Knall so ziemlich im ganzen Stadion die Menschen zusammenfahren lässt. Der SCB schafft die Playoffs und wird vom 8. Platz aus Meister.

Würde das heute nicht helfen? Marc Lüthi sagt: «Different Situation, different Handling. Es geht jetzt nicht um Show. Es geht darum, dass wir aus dieser Lage herauskommen. Es kann ja nicht sein, dass wir im Dezember das beste und um Januar das schlechteste Team der Liga sind.»

Er macht klar, warum er jetzt nicht reden könne: „Dann spitzen Sie alles zu und machen daraus eine saftige Story. Das hilft uns sicher nicht.“ Und bestätigt auf nochmalige Anfrage, dass er nach der Lausanne-Niederlage ganz sicher nicht in der Kabine gewesen sei. Lediglich am nächsten Tag, am Mittwochvormittag in der Energy Lounge.

Die Zeiten haben sich geändert. Marc Lüthi hat sich seit dieser Saison auf die Position des Präsidenten zurückgezogen. Präsidenten toben nicht mehr. Das gehört sich nicht. SCB-Präsidenten schweben heute über dem Tagesgeschäft, sind dem Golfplatz näher als der Kabine und mischen seit den Zeiten von Fred Bommes (Rücktritt 1995) nicht mehr ins Tagesgeschäft ein. Oder höchstens ganz diskret.

Raëto Raffainer, Marc Lüthis Nachfolger auf der Managerposition tobt auch nicht. Der eloquente, smarte Jungmanager und Hockey-Politiker mit Sitz im Council des Hockey-Weltverbandes IIHF vertraut den Argumenten, nicht der Lautstärke. Den Inhalten, nicht der Inszenierung. Würde er toben, wäre er nicht authentisch und niemand würde ihn ernst nehmen. Er ist Raëto Raffainer. Nicht Marc Lüthi.

Ob der «Kraftstübli-Dialog »neun Spiele vor Qualifikations-Schluss die gleiche Wirkung entfaltet wie Marc Lüthis legendäres «Türeschletzen» von Biel wird sich zeigen.

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quelle: keystone / ennio leanza
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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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länzu
01.02.2023 23:14registriert April 2014
So lange dieser Raffainer in Bern ist, geht die Misere weiter. Er ist der meistüberschätzte Funktionär des Schweizer Hockeys. Er war schon als Spieler nichts wert und wurde von Club zu Club geschoben ( wie Alex Chatelain auch). Mir ist einfach schleierhaft, wie sich solche Typen immer durchmogeln können.
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NepomukVogl
01.02.2023 19:53registriert März 2021
😒
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Walter Sahli
01.02.2023 18:59registriert März 2014
Das Schwierigste wird jetzt sein, unter all den unzähligen ausländischen Verteidigern, die unbedingt für kein Geld in der Schweiz spielen wollen, den richtigen zu finden ...
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