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SCB-Trainer Toni Söderholm im Interview über das Trainersein

SCB Cheftrainer Toni Soederholm, im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und HC Fribourg Gotteron, am Samstag, 19. November 2022 in der PostFinance Arena in Bern. (KE ...
Kein Fan von Tabellen und Rampenlicht: Toni Söderholm.Bild: keystone
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SCB-Trainer Toni Söderholm: «Ich schaue mir die Tabelle nicht an»

Toni Söderholm hat im November den SC Bern übernommen. Ein Gespräch mit dem Finnen losgelöst von der Tagesaktualität und Polemik jeglicher Art über seine Vergangenheit in Deutschland, seine Beziehung zum ehemaligen SCB-Meistertrainer Kari Jalonen, über Chris DiDomenico – und er verrät, weshalb er die Tabelle nie anschaut. Toni Söderholm, der Mann, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt.
13.02.2023, 20:24
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Der SCB befindet sich vor der Schlussphase der Qualifikation in einer kritschen Phase. Trotzdem steht Trainer Toni Söderholm nicht in der Kritik. Und so geht es im Gespräch nicht darum, warum der SCB nicht dort steht, wo er stehen sollte und ob oder wie die Playoffs erreicht werden. Für einmal geht es mehr um die Vergangenheit des SCB-Trainers oder die Art und Weise wie er eine Mannschaft führt.

Im Sommer 2022 verlängert Toni Söderholm seinen Vertrag als Nationaltrainer in Deutschland bis 2026. Doch nach einem personellen Umbruch im Deutschen Eishockey-Bund (DEB) ist er einer Veränderung nicht abgeneigt. Entsprechend gross ist sein Interesse als er im November die Chance bekommt, Nachfolger des entlassenen Johan Lundskog zu werden.

Für Toni Söderholm ist es eine Rückkehr nach Bern: Zwischen 2005 und 2007 hat er unter den Trainern Alpo Suhonen und John van Boxmeer für den SCB verteidigt. Unter Van Boxmeer fehlt ihm und seinen Teamkollegen 2007 im Final nur ein Sieg zum Titel, doch der SCB unterliegt im 7. Spiel dem Rekordmeister Davos 0:1. Das entscheidende Tor erzielt Stürmer Robin Leblanc. Nach einem Bully vor dem SCB-Tor dem ein zu Unrecht gepfiffenes Icing vorausgegangen war.

Fast alle Trainer wünschen sich langfristige Verträge und materielle Sicherheit. Sie wären als Nationalcoach Deutschlands noch bis 2026 unter Vertrag gestanden und tauschten diesen sicheren Job gegen ein vorerst bis 2024 befristetes Engagement beim SC Bern. Warum?
Toni Söderholm:
Mein Fall war ein bisschen speziell: Ich hätte in jedem Sommer per Option aus meinem Vertrag aussteigen können. Eben genau für einen Fall wie das Angebot aus Bern. So eine Chance kommt vielleicht nur ein einziges Mal. Und ich habe die tägliche Arbeit mit einem Team gesucht.

Der SCB gilt als einer der anspruchsvollsten und attraktivsten Jobs in Europa. Überrascht es Sie manchmal, wie weit Sie es schon gebracht haben? Noch 2019 coachten Sie in der dritten Liga Deutschlands, ehe Sie quasi aus dem Nichts Nationaltrainer wurden …
Das war ein mutiger Entscheid des Verbands damals, keine Frage. Als ich den Anruf kriegte, dachte ich zunächst, es gehe vielleicht eher um einen Posten als Co-Trainer. Es ist richtig, dass ich noch nicht so lange Coach bin. Aber ich bin schon sehr lange in diesem Geschäft, ich war auch als Spieler nicht blind und nicht stumm. Und weiss, wie die Dinge funktionieren. Was ihre Frage angeht: Das kommt auf den Zeitpunkt an. Eigentlich hatte ich nicht gedacht, dass ich einmal Coach werde.

13.11.2021, Nordrhein-Westfalen, Krefeld: Eishockey: Deutschland Cup, Deutschland - Schweiz, Gruppenphase, 2. Spieltag. Deutschlands Bundestrainer Toni Söderholm steht hinter der Bank. Foto: Marius Be ...
Vor dem SCB trainierte Toni Söderholm die deutsche Nationalmannschaft.Bild: DPA

Wieso sind Sie es trotzdem geworden?
In München war 2016 nicht sicher, ob ich mit 38 noch einmal einen Vertrag erhalte. Der Klub fragte mich dann, ob ich mir vorstellen könnte, als Trainer einzusteigen. Das konnte ich. Eigentlich dachte ich, dass ich erst einmal eine Auszeit nehmen würde. Mal etwas anderes sehen als Eishockey. Jetzt bin ich sehr froh, dass ich das nicht getan habe.

«Interviews mit anderen Trainern finde ich beispielsweise sehr interessant.»

Es heisst, Sie würden nicht gerne in der Öffentlichkeit stehen. Da ist Trainer eine seltsame Job-Wahl.
Das ist der einzige Teil meines Jobs, den ich ändern würde, wenn ich könnte. Ich bin ein privater Mensch, ich brauche das Rampenlicht wirklich nicht. Aber glücklicherweise ist es ein ziemlich kleiner Teil meines Arbeitspensums, Öffentlichkeitsarbeit zu verrichten. Es gehört halt zum Job. Man weiss, worauf man sich einlässt. Aber ich würde nie sagen: Hallo, ich bin Toni, schreibt doch bitte, bitte ein Porträt über mich. Ich finde es auch unangenehm, wenn ich privat erkannt werde. Aber ich mag die Arbeit mit den Spielern so sehr, dass ich wirklich nicht jammern will.

Worauf lässt man sich denn alles ein bei einem Job im Profi-Sport?
Es gibt so viele Dimensionen und Aspekte. Schmerz, Euphorie, Emotionen, Status und Statusverlust. Das erlebst du nicht alles tagtäglich, aber immer mal wieder. Es ist von Vorteil, wenn man sich dessen bewusst ist.

Lesen Sie, was über Sie geschrieben wird?
Sehr selten. Aber Interviews mit anderen Trainern finde ich beispielsweise sehr interessant. Bei meinem Team weiss nicht, was es mir bringen soll, welchen Erkenntnisgewinn. Wir arbeiten ja täglich mit der Mannschaft, da wissen wir schon selber, welche Baustellen es gerade gibt. Es ist besser, die äusserlichen Beeinflussungen so klein wie möglich zu halten. Ich schaue mir auch die Tabelle nicht an.

Sie wissen also in der Regel nicht, auf welchem Platz der SCB sich momentan befindet?
Nein. Was bringt es mir, wenn ich weiss: Oh, wir spielen morgen gegen den Elftplatzierten, da brauchen wir unbedingt drei Punkte. Nichts bringt es mir. Also blende ich es aus. In den Playoffs spielt es sowieso keine Rolle mehr, da musst du einfach vier Spiele pro Serie gewinnen.

Tabelle National League, Stand am 13. Februar 2023.
Augen zu, Herr Söderholm! Die aktuelle Tabelle der National League.Bild: watson

Es sagt Ihnen auch niemand, ob der SCB gerade Vierter oder Siebter ist?
Nein. Wir haben zwar eine Tabelle in den Katakomben, die stets nachgeführt wird. Aber da wende ich immer den Blick ab.

Wenn Sie keine Tabellen studieren, wissen Sie beispielsweise auch nicht, ob der SCB jetzt das drittbeste oder zweitschlechteste Powerplay der Liga hat?
Ich kenne die Prozentzahlen nicht, nein. Aber ich weiss, woran wir arbeiten müssen.

Wussten Sie den Tabellenplatz als Sie den Job annahmen?
Ja, da war es ja nicht meine Verantwortung.

Es ist ungewöhnlich, dass ein Tabellensechster den Coach wechselt.
Dazu kann ich nicht viel sagen. Ich bin froh, dass ich hier bin.

Sind Sie auf eine intakte Mannschaft gestossen?
Absolut. Wir haben nur versucht, noch etwas mehr Struktur ins Spiel zu bekommen.

Zurück zum Fokus: Als Trainer steht man unweigerlich im Scheinwerferlicht, gerade bei einem grossen Klub wie dem SCB.
Sehen Sie: Es geht um Eishockey. Die Spieler spielen, der Trainer ist nur ein kleiner Teil eines grossen Ganzen. Dass der öffentliche Fokus so extrem auf diese Position gerichtet ist, liegt für mich in erster Linie daran, wie der Sport verkauft wird. Ich bin dazu da, damit sich die Spieler wohlfühlen, damit sie einen Plan haben und wissen, was ihre Rolle ist. Es geht mir darum, ihnen schöne Erlebnisse zu ermöglichen. Solche, wie ich sie als Spieler erleben durfte.

Sie wurden unter anderem unter Kari Jalonen mit IFK Helsinki finnischer Meister und wurden oft mit ihm verglichen. Was hat er Sie gelernt?
Klarheit. Wie wichtig es ist, immer den Überblick zu behalten. Dass man nie nachlassen darf, gerade auch dann, wenn es läuft. Und dass man die Spieler fordern muss. Was die Vergleiche angeht, muss ich sagen, dass ich sie nicht wirklich verstehe. Er und ich, wir sind völlig verschiedene Menschen.

Inwiefern?
Er kann zum Beispiel nicht gegen seine Kinder verlieren, ich schon (lacht). Nein, im Ernst: Er ist eine wichtige Bezugsperson für mich, ein Mentor, ein Freund. Wir haben eine ähnliche Denkweise und sehen das Spiel ähnlich. Aber wir stammen aus anderen Generationen und funktionieren anders.

«Wenn ein Spieler sagt: Das geht nicht, das ist unmöglich. Das ist doch eine wertvolle Rückmeldung.»

Wann sind Sie zu Freunden geworden?
Als ich unter ihm gespielt habe, waren wir das bestimmt nicht. Aber dann haben wir den Titel gewonnen, das hat schon verbunden. Und auch, dass sich unsere Wege getrennt haben, die Distanz.

Hat sich der Spieler Söderholm manchmal über den Trainer Jalonen geärgert?
Klar ist das vorgekommen. Aber am Ende haben wir gewonnen, das hat mir vieles erklärt. IFK hat lange auf diesen Titel gewartet, 13 Jahre. Die Spieler wussten es immer besser als alle Trainer. Dann kam Kari, ein Coach, der schon einiges gewonnen hatte. Und wir dachten: Wahrscheinlich ist es sinnvoll, das zu machen, was er sagt. Das hat funktioniert.

Hat er Ihnen zum neuen Job gratuliert?
Klar. Es hat ihn gefreut. Der SCB wird immer ein Teil von ihm bleiben. Ich denke, das ist normal, wenn man länger an einem Ort arbeitet. Ich schaue mir auch an, was der SC Riessersee so macht.

Hat er Ihnen etwas zur hohen Emotionalität in Bern gesagt?
Eigentlich nicht. Ich weiss das ja, ich habe hier gespielt. Die Frage ist ein bisschen: Wie gross will man dieses Thema hängen? In Bern ist halt alles ein bisschen grösser als anderswo. Wirklich geblieben ist ein Rat, den er mir während der Vorbereitung zur WM 2019 gegeben hat: Dass man keinen Tag verschwenden soll. Und es sich lohnt, dass man immer klar definiert, was man heute erreichen will. Es ist egal, ob es Taktik oder Erholung oder was auch immer ist. Entscheidend ist, dass man das Ziel erreicht und besser wird.

Der Berner Toni Soederholm feiert seinen Treffer zum 4:4, im Eishockeyspiel der Nationalliga A zwischen dem SC Bern und dem HC Ambri-Piotta, am Samstag, 21. Oktober 2006 in Bern. (KEYSTONE/ Photopress ...
Kennt den SCB schon von seiner Zeit als Spieler: Toni Söderholm.Bild: KEYSTONE

Jalonen galt als strikt. Dulden Sie Widerspruch?
Natürlich, ich bin doch kein Diktator. Sehen Sie, mit fünf Farben auf der Palette kann man eigentlich alles malen. Aber als Trainer kann es sein, dass du manchmal farbenblind wirst. Da ist es gut, wenn ein Spieler sagt: Das geht nicht, das ist unmöglich. Das ist doch eine wertvolle Rückmeldung.

«Ich glaube nicht, dass es irgendwo auf der Welt einen perfekten Spieler gibt.»

Sie waren bei HIFK Captain und Führungsspieler. Haben Sie da in der Kabine ähnlich viel gesprochen wie heute als Trainer?
Mit Sicherheit nicht. Das lässt sich nicht vergleichen. Aber ich bin auch heute ein Freund von kurzen, klaren Gesprächen. 10, 15 Minuten, das reicht meistens.

War es einfacher, ihre Generation zu coachen?
Einfacher? Das weiss ich nicht. Wir haben wahrscheinlich weniger Fragen gestellt. Aber das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die weit über das Eishockey hinausreicht. Ich finde es wichtig, dass man Dinge hinterfragt.

Hatten Sie schon einmal einen Spieler wie Chris DiDomenico?
Also offensiv ist er so gut, dass er eigentlich fast in der falschen Liga spielt …

Wir meinen ihn als Gesamtkunstwerk mit seinen Launen und Emotionen.
Ich glaube nicht, dass es irgendwo auf der Welt einen perfekten Spieler gibt. Ich habe ihn jedenfalls noch nicht angetroffen. Jeder hat Bereiche, in denen er sich verbessern kann. Da sind alle Spieler gleich.

Gibt es einen Spieler seiner Klasse in der DEL?
Ich würde generell sagen, dass die Top-Ausländer in der Schweiz ein bisschen besser sind. Das Tempo in der Liga ist höher, die Ausgeglichenheit auch. Aber ich finde, Deutschland wird unterschätzt. Die Spieler können mehr als sie sich zutrauen.

«Ich habe mir kürzlich ein Piano gekauft und musste realisieren, dass ich wirklich ausgesprochen unmusikalisch bin.»

Sie studierten einst in Massachusetts Marketing, während Sie am College für «Umass» als Verteidiger spielten. Was ist von der Ausbildung geblieben?
Nicht so viel. Es war für mich vor allem ein Ausgleich neben dem Eishockey und hat den Tagen Struktur gegeben.

Eigenmarketing dürfte Ihnen zuwider sein, wenn Sie so ungern in der Öffentlichkeit stehen.
Richtig, ja. Und ich war im Marketing nie gut genug, um ein schlechtes Produkt attraktiv machen zu können. Ich stand damals ja am Anfang meiner Karriere, da hatte ich als Verteidiger noch Steigerungspotenzial. Es hat mir aber dabei geholfen, dass ich mir wegen meiner Leistungen nicht zu grossen Stress mache. Ich wusste, dass ich notfalls einen Plan B in der Tasche habe.

Was ist heute der Ausgleich neben dem Eishockey?
Meine Familie und der Sport. Ich habe mir kürzlich ein Piano gekauft und musste realisieren, dass ich wirklich ausgesprochen unmusikalisch bin. Aber als Ablenkung ist es wunderbar.

Was muss geschehen, damit Sie irgendwann sagen können: Ich war zufrieden mit meiner Zeit in Bern?
Ich würde mir wünschen, dass die Leute sagen: Er war fair, ruhig und liess eine klare Handschrift erkennen. Wenn wir einen Titel gewinnen: Dann umso besser.

Aus dem Magazin «SLAPSHOT»

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