Die NHL ist auch ein Wanderzirkus. Die Vancouver Canucks befinden sich gerade auf einen «Roadtrip». Sieben Auswärtsspiele in zwölf Tagen. Am 28. November war erster Stopp in Columbus. Die weiteren Stationen: Detroit (30.11.), Washington (2.12), Pittsburgh (4.12.), Toronto (6.12.), Ottawa (7.12.) und Montreal (9.12.).
So ein Programm wäre schon manchem Touristen zu streng. Wenigstens reisen die Hockey-Gladiatoren recht bequem. Im Charterflug mit Erstklass-Sitzen. Und seit Aushandlung des neuen Gesamtarbeitsvertrags hausen nur noch die Neulinge im Doppelzimmer. Alle anderen kriegen im Hotel ihr eigenes Zimmer.
Am Samstag kam Vancouver nach Toronto. Und kassierte nach drei Siegen in den letzten vier Partien eine 2:5-Pleite. Dabei zeigte sich der Unterschied zwischen Spielern, die zum Team gehören und jenen, die auf der Kippe stehen. Damien Brunner war auf dem Eis, als die New Jersey Devils im Powerplay einen Treffer kassierten (und trotzdem 5:3 gewannen). Die Partie beendete er auf der Ersatzbank, anschliessend versuchten ihn die Devils loszuwerden (sie setzten ihn vergeblich auf die Waiver-Liste) und am Samstag sass er gegen 1:4 gegen Wasington nur noch auf der Tribune.
Luca Sbisa (24) und Yannick Weber (26) sind Stammspieler in der Abwehr der Vancouver Canucks. Die Partie gegen Toronto geriet zum «Betriebsunfall». Bei der 2:5-Niederlage stand Luca Sbisa bei drei und Yannick Weber bei zwei Gegentoren auf dem Eis.
Auf die Einsatzzeit der beiden Schweizer hatte dies keinen Einfluss. Sie spielten die Partie durch. 17:04 Minuten für Luca Sbisa, 16:59 Minuten für Yannick Weber. Wer zum Team gehört, der fällt nicht wegen eines missglückten Abends in Ungnade. Es wird berücksichtigt, dass keiner der Gegentreffer durch Fehler der beiden Schweizer verursacht worden ist.
Luca Sbisa ist kaum wiederzuerkennen. Letzte Saison war er in Anaheim zum Zweifler geworden und er verlor seinen Stammplatz. Der Wechsel nach Vancouver hat seine Karriere neu lanciert. «Es war nach fünf Jahren Anaheim Zeit für einen Wechsel. Es gab keine Weiterentwicklung mehr, ich hatte eine bestimmte Rolle und konnte mich daraus nicht mehr befreien.»
In Vancouver ist Luca Sbisa einer der wichtigen Defensiv-Verteidiger («Shutdown Defenseman»). Eine Rolle, die dem kräftigen und erstaunlich flinken Riesen (188 cm/93 kg) behagt. «Der Druck ist weg. Skorerpunkte sind in meinem Spiel bloss ein Bonus.» Von allen Schweizern hat sich der ehemalige Zuger Junior (mit 7 NLA-Partien in der Statistik) am stärksten dem nordamerikanischen Hockey angepasst.
Sbisa ist schlau und mutig im Zweikampf, spielt den risikolosen, schnellen ersten Pass, deckt die Scheibe gut ab, setzt sich entlang der Banden durch, und sein ganzes Spiel ist darauf ausgerichtet, kein Risiko einzugehen. Da ist nichts mehr vom «fliegenden» Stil der NLA zu erkennen. Kein Wunder: Luca Sbisa spielt seit 2007 in Nordamerika. Er ist so aber auch nicht der «Überflieger», der unserer Nationalmannschaft bei einer WM Schub verleihen kann. Er ist ein Mann für die NHL.
Luca Sbisa ist erst 24 und hat noch mindestens zehn gute Jahre in der NHL vor sich. Den auslaufenden Vertrag wird er im nächsten Sommer verlängern und das Salär von aktuell 2,9 Millionen Dollar wohl auf über 3 Millionen erhöhen.
Yannick Weber spielt spektakulärer. Er ist von seiner Grundausrichtung her eher ein schweizerischer, ein europäischer Verteidiger. Obwohl auch er seit 2006 in Nordamerika spielt und vorher in der NLA gar nie zum Zuge gekommen war. Der kräftige Läufer war in Montreal fast immer ein Grenzgänger zwischen NHL, Tribüne und Farmteam. Mehr als 60 Saisonspiele hat er in der «besten Liga der Welt» noch nie bestritten.
Erst in Vancouver ist Weber ein fester Bestandteil eines NHL-Teams geworden. Er hat sein Defensivspiel verbessert und als schusskräftiger Rechtshänder bringt er Mehrwert ins Powerplay. Mit 850 000 Dollar ist sein Salär nach wie vor bescheiden. Aber wenn er sein aktuelles Leistungsniveau halten kann, dann wird er im nächsten Sommer mit 27 Jahren endlich, endlich seinen ersten Millionenvertrag erhalten. Zwei bis drei Millionen Jahressalär sind möglich. Oder noch anders gesagt: Wenn er es jetzt in Vancouver nicht schafft, Dollar-Millionär zu werden, dann wird er es wohl nie mehr.
Vancouver ist nicht nur sportlich die Traumdestination für die beiden Schweizer. Luca Sbisas Freundin, die er 2010 während den Olympischen Spielen kennen gelernt hat, kommt aus Vancouver. Auch Yannick Webers Freundin, die Schwester von Montréals Stargoalie Carey Price, lebt in Vancouver. «Bei schönem Wetter gibt es keine schönere Stadt als Vancouver», sagt Luca Sbisa. «Das Meer und die Berge sind so nahe und wenn einmal schlechtes Wetter ist, dauert es nicht lange, bis es wieder schön wird …»