Sport
Eismeister Zaugg

Ambris «Männer von Sursee» und der wahre Grund für das Scheitern

Ambri's player Thomas Ruefenacht at the end of the preliminary round game of National League Swiss Championship 2022/23 between, HC Ambri Piotta against HC Lugano at the Gottardo Arena in Ambri,  ...
Enttäuschte Gesichter bei den Spielern von Ambri.Bild: keystone
Eismeister Zaugg

Ambris «Männer von Sursee» und der wahre Grund für das Scheitern

Lichter löschen auf Rang 12. Noch schlechter klassiert war Ambri seit dem Wiederaufstieg von 1985 noch nie. Eine weitere Saison zwischen Triumph und sportlichem Untergang. Aber keine Polemik gegen Trainer Luca Cereda und Sportchef Paolo Duca.
03.03.2023, 12:4103.03.2023, 15:05
Folge mir
Mehr «Sport»

Die neuen «Männer von Sursee» wecken kühne Hoffnungen. Am 19. und am 20. August 2022 tritt Ambri im luzernischen Sursee zum ersten Mal in der neuen Saison in der Deutschschweiz auf. Beim «Lehner Cup» werden Meister Zug (5:1) und Langnau (5:2) vom Eis gefegt. Gegen Zug wollen mehr als 1 000 Fans Sommerhockey sehen. Die neuen tschechischen Stürmer Filip Chlapik und Michael Spacek sorgen für vier der zehn Tore.

In Frühjahr 2022 ist Ambri in einem wundersamen Schlussspurt mit sieben Siegen in Serie gerade noch am SC Bern vorbei in die Pre-Playoffs gestürmt und dann an Lausanne gescheitert. Die ausländischen Feldspieler haben während der ganzen Qualifikation bloss 28 Tore erzielt. Mit nur durchschnittlichen Ausländern hätte Ambri noch viel, viel weiter als bloss bis in die Pre-Playoffs kommen können.

Sportdirektor Paolo Duca ist ein grosser Mann des Hockeys. Er hat das Problem erkannt und gelöst. Filip Chlapik und Michael Spacek wecken bei ihrem ersten Auftritt in Sursee Erinnerungen an Dominik Kubalik. Ambris letzter Liga-Topscorer – er verdient heute in der NHL Millionen – führte die Mannschaft im Frühjahr 2019 auf Rang 5 in die Champions Hockey League und in den Playoff-Viertelfinal. Seither reichte es nur noch zum 10. (2020), 11. (2021) und 10. Platz (2022).

Ambri's Head Coach Luca Cereda, left, and Ambri's Sports Director Paolo Duca celebrate the pre-playoff qualification during the preliminary round game of National League Swiss Championship b ...
Ambri-Coach Luca Cereda (links) und Sportdirektor Paolo Duca (rechts). Bild: keystone

Und nun also Filip Chlapik und Michael Spacek. Die Männer, die im August in Sursee höchste Erwartungen geweckt haben, werden zwar mit 38 Toren die Erwartungen statistisch erfüllen. Filip Chlapik wird mit 24 Toren sogar fast so produktiv sein wie 2018/19 Dominik Kubalik (25 Tore). Und doch ist Ambri gescheitert.

Ausgerechnet die Derby-Niederlage (2:4) bedeutet im zweitletzten Spiel das vorzeitige Saisonende. Bloss Platz 12. Seit dem Wiederaufstieg von 1985 war Ambri nur 2010, 2011 und 2017 gleich schwach (12.). Aber noch nie schwächer. Wenigstens bedeutet dieser 12. Platz «nur» das vorzeitige Saisonende. Und nicht die Mühsal des Abstiegskampfes. Was ist schiefgelaufen?

Im Rückblick zeigt sich: Vielleicht hat der Hochmut im Herbst die Playoffs gekostet. Ambri gewinnt acht der ersten zehn Spiele. Ambri, wie hoch willst du noch hinaus? Aber dann gehen zwischen dem 15. Oktober und dem 5. November neun von zehn Partien verloren und Ambri stürzt in den Tabellenkeller auf Rang 11. Von diesem Rückschlag wird sich die Mannschaft zumindest in der Meisterschaft nie mehr ganz erholen.

Ambri gewinnt trotzdem den Spengler Cup. Es ist wahrscheinlich der emotionalste Triumph der Klubgeschichte. Ja, der Spengler Cup 2022 beschert Ambri die vielleicht schönsten Tage seiner Geschichte. Über diese unvergesslichen Tage ist inzwischen bereits ein Buch geschrieben, gedruckt und in die Läden ausgeliefert worden. In zwei Sprachen: «La Spengler è biancoblu», mit einem italienischen und einem deutschen Titel: «Der Spengler Cup und die Weiss-Blauen». Eigentlich müsste es heissen: «Der Spengler Cup ist weiss-blau.»

Trainer Luca Cereda und seine Spieler haben in Davos oben im Dezember 2022 sozusagen Geschichte und Bücher geschrieben. Aber ausgerechnet eine Heimniederlage gegen Lugano kostet gut zwei Monate später die Pre-Playoffs. Eine Saison zwischen Triumph und sportlichem Untergang, die Ambris wechselvoller Geschichte gerecht wird und romantisch verklärt werden kann. So ist Ambri. Ewiges Ambri.

Aber gibt es nicht auch eine weniger mystische, eine hockeytechnische Erklärung? Kann es sein, dass der Spengler Cup am Ende Ambri die Pre-Playoffs gekostet hat? Die Reise nach Davos, das Turnier mit vier Partien in sechs Tagen auf 1600 Metern Höhe könnte die Energie gekostet haben, die in den letzten Partien dieser ausgeglichensten Meisterschaft der Geschichte gefehlt hat.

Sportdirektor Paolo Duca verneint diese These. Die Belastung sei tatsächlich gross gewesen, habe aber auch den Effekt eines guten Trainingslagers gehabt. «Ganz abgesehen davon, dass dieses positive Erlebnis uns auch beflügelt hat.» Nein, kein direkter Zusammenhang zwischen dem Triumph im Dezember und dem Drama im Februar.

Paolo Duca findet im vergangenen Herbst und nicht im Spengler Cup eine Erklärung: «Am Anfang der Saison sind wir zu leicht zu einigen Siegen gekommen und etwas nachlässig geworden. Dafür sind wir bestraft worden.» Die Leichtigkeit des Seins ist eben nichts für Ambri.

Es gibt noch eine Erklärung. Sie stammt von einem alten, international hoch respektierten Kenner, der das Hockey bei uns und in Nordamerika seit mehr als 20 Jahren intensiv beobachtet. Seinen Namen möchte er nicht lesen. Seine Analyse hat etwas für sich und sollte dem Publikum nicht vorenthalten werden. Es geht um das Defensivsystem.

Stark vereinfach gesagt, gibt es zwei Varianten: Zonendeckung oder Manndeckung. Bei der Zonendeckung konzentriert sich der verteidigende Spieler auf einen bestimmten Raum und in diesem Raum tauchen verschiedene gegnerische Spieler auf. Es ist also nicht möglich, sich auf einen einzigen Gegenspieler zu konzentrieren.

Bei der Manndeckung hält sich der verteidigende Spieler hingegen einfach an einen Gegenspieler, fahre der hin, wo er wolle. Ambri spiele Manndeckung. Weil Ambri zu viele etwas hüftsteife Verteidiger habe, die zu oft Zweikämpfe gegen flinke gegnerische Stürmer verlieren, gebe es zu viele Gegentore in entscheidenden Phasen. Ambri sollte es mit Raumdeckung probieren.

Es ist zu mühselig, diese These zu überprüfen. 156 Tore müssten auf dem Video visioniert werden. Fünf Minuten sollten wir pro Gegentreffer für eine seriöse Überprüfung budgetieren. Gut zwölf Stunden vor dem Bildschirm? Nein, danke. Das wäre dann doch zu viel Arbeit für einen Chronisten. Und erst noch mit dem Risiko, dass am Ende diese schöne These nicht bewiesen werden kann und die Arbeit für die Katz ist. Dann doch lieber alle Folgen von «Herr der Ringe» am gleichen Tag reinziehen.

Wahr ist: Mit Fratelli Isacco und Zacceo Dotti, Tobias Fohrler und Janick Fischer hat Ambri vier etwas hüftsteife Verteidiger. Und ein wenig vorwitzige taktische Kritik mit bedeutungsschweren Begriffen wie Raum- und Manndeckung tönt bei einem grossen Trainer wie Luca Cereda immer gut.

Ambri's Tobias Fohrler during the game between Switzerland's HC Ambri-Piotta and Finland's IFK Helsinki, at the 94th Spengler Cup ice hockey tournament in Davos, Switzerland, Wednesday, ...
Ambri-Verteidiger Tobias Fohrler.Bild: keystone

Hochmut im Herbst, der Energieverlust durch den Spengler Cup oder die Taktik mögen eine Rolle spielen. Aber der wahre Grund für Ambris Scheitern ist ein ganz anderer: Scheitern – und zwar dramatisches – liegt in der DNA dieses Klubs. Die Hockey-Götter wollen es so. Daran können auch der grösste Trainer, die sorgfältigste Verwaltung der Energien, die treffsichersten Ausländer, das beste Training, das schlauste Coaching und die raffinierteste Taktik nichts ändern. Also doch eine mystische Erklärung.

Ewiges Ambri. Keine Polemik gegen Luca Cereda und Paolo Duca.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
1 / 13
HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
HC Davos: 31 Titel, 6 seit 1986; zuletzt Meister: 2015.
quelle: keystone / ennio leanza
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Despacito mit Eishockey-Spielern
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
28 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
James R
03.03.2023 16:36registriert Februar 2014
Realistischerweise hat Ambri die Mannschaft, um in der Quali um die Pre-Playoffs zu kämpfen. Aber das haben wohl 12 der 14 Mannschaften. Da kann es nicht in jedem Jahr reichen.
401
Melden
Zum Kommentar
avatar
no-way
03.03.2023 14:53registriert November 2016
Wenn ich die Rosters von Kloten und AMbrì vergleiche, es gibt einen klaren gewinner. Ambrì scheint doch überalles besser besetzt. Schweizer wie Heim, Bürgler, Pestoni etc kann KLoten nur träumen davon. Aber Kloten ist doch vor Ambrì gelandet. Weil Coaches sind wichtig, und Tomlinson einen hervorragenden Coach ist, während Cereda exterm überbewertet ist, besonders von Tessiner Media. Das neue "Del Curto" wird er genannt - die spinnen. Wie kann man im 2023 immer noch mit Manndeckung spielen, weiss es nur Cereda.
3219
Melden
Zum Kommentar
28
Krass unterlegen und immer mehr Verletzte – wie der HCD gegen Lausanne trotzdem gewinnt
Der HC Davos führt in der Viertelfinal-Serie gegen Lausanne trotz klarer Feld-Unterlegenheit. Wie lange geht das noch gut?

Der HC Davos hat heute die Chance, die Viertelfinal-Serie gegen den Lausanne HC zu beenden und in den Playoff-Halbfinal vorzustossen. Dabei waren die Bündner an den Spielanteilen gemessen in fünf von fünf Spielen die unterlegene Mannschaft.

Zur Story