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Kloten und die heilsame Wirkung eines Abstieges

Jubel bei den Klotenern nach dem 1:4 gewonnenem Spiel und Einzug in die pre-Playoffs, im Eishockey-Qualifikationsspiel der National League zwischen dem HC Davos und dem EHC Kloten, am Samstag, 4. Maer ...
Die Spieler des EHC Kloten feiern den Einzug in die Pre-Playoffs.Bild: keystone
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Kloten und die heilsame Wirkung eines Abstieges

Der EHC Kloten schafft als Aufsteiger die Pre-Playoffs. Ein Erfolg, fast so erstaunlich wie die vier Meistertitel in den 1990er Jahren. Die Auszeichnungen Präsident des Jahres, Management des Jahres und Trainer des Jahres – wenn es diese Auszeichnungen denn gäbe – gehen nach Kloten.
05.03.2023, 12:2305.03.2023, 13:29
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Ein historischer Erfolg. Kloten ist erst der dritte Aufsteiger, der die Saison nach oben (also nicht im Abstiegskampf) verlängert. 2002 gelingt das Kunststück Servette unter Chris McSorley und 2006 Basel mit Trainer Kent Ruhnke und Sportchef Ueli Schwarz. Kloten profitiert zwar ein wenig vom Modus. Bis 1989 kommen nur die ersten vier in die Playoffs und erst seit 2021 gibt es Pre-Playoffs. Aber die Zeiten sind in der ausgeglichensten Meisterschaft der Geschichte für alle eher schwieriger geworden.

Für eine herausragende Leistung braucht es auch den Beistand der Hockeygötter. Aber die Hockeygötter helfen dem Tüchtigen. Ohne die Krise beim Titanen Lausanne hätten die Zürcher die Pre-Playoffs nicht erreicht. Doch in erster Linie verdanken sie ihren erstaunlichen Erfolg ihrer Tüchtigkeit. Das realistische Ziel war der Gewinn der Kellermeisterschaft: die vorzeitige Sicherung des Klassenerhalts auf Platz 12 vor Langnau und Ajoie. Mit dem 9. Rang und den Pre-Playoffs gegen den SCB sind die Erwartungen weit übertroffen worden.

Präsident Mike Schälchli, seit dem 24. Dezember 2019 im höchsten Amt, ist ein begabter Kommunikator mit der Gabe, im richtigen Moment Bescheidenheit zu zelebrieren und Probleme rechtzeitig zu erkennen. Es ist ihm gelungen, den Sportchef auszuwechseln (Larry Mitchell für Patrik Bärtschi) und den Amtsverzicht von Trainer Jeff Tomlinson per Ende Saison so zu orchestrieren, dass es nicht zu Betriebsstörungen gekommen ist.

Mike Schälchli ist kein Milliardär. Aber er hat es verstanden, einen kleinen Kreis von Wohlhabenden mit abgeschlossener Vermögensbildung für den EHC Kloten zu begeistern. Zum ersten Mal seit den Zeiten von Peter Bossert (er hat den Klub bis 2008 als Präsident geführt) steht der EHC Kloten wirtschaftlich auf solidem Fundament und ist nicht von einem unberechenbaren Mäzen oder Besitzer abhängig. Windstille im Umfeld erleichtert das Managen im Sportbusiness enorm. Dieses Wetter macht in erster Linie der Präsident.

Die Klotener wissen wieder, wer sie sind. Der Versuch, die ZSC Lions herauszufordern und im 21. Jahrhundert noch einmal Meister zu werden, hat Kloten viel, viel Geld, den Ligaerhalt, die Identität und die Popularität gekostet. Während den drei Finalsaisons (2008/09, 2010/11, 2013/14) kamen im Schnitt pro Spiel bis zu 1300 Fans weniger als in der soeben beendeten Qualifikation. Die Rückkehr zur Bescheidenheit, das Bekenntnis zur Identität als ein vom Mittelstand getragener Dorfclub mit ein wenig Seldwyla-Romantik und die Positionierung als Gegenstück zu den mächtigen ZSC Lions des Zürcher Grosskapitalismus haben den Erfolg erst möglich gemacht.

Ein gluecklicher Head Coach Jeff Tomlinson, links, mit seinem Assistant Coach Saku Martikainen nach dem 1:4 gewonnenen Spiel und dem Einzug in die pre-Playoffs, im Eishockey-Qualifikationsspiel der Na ...
Jeff Tomlinson (links) hat aktuell gut lachen.Bild: keystone

Es dürfte einfacher sein, von der blauen Linie aus eine auf dem Torgehäuse sitzende Fliege zu treffen als für einen Meister, sich mit der Rolle eines Hinterbänklers zufriedenzugeben. Kloten war zuletzt 1993, 1994, 1995 und 1996 Meister. Die bitteren Früchte dieses Ruhmes (kein anderer Klub hat es bis heute geschafft, im Playoff-Zeitalter vier Titel in Serie zu holen) waren eben auch Hoffart, Eitelkeit, Arroganz, Ruhmsucht und Geldnot. Davon ist Klotens Hockeykultur inzwischen geheilt.

Nun ist Kloten wieder das gallische Dorf im grossen helvetischen Hockey-Universum. Mit Jeff Tomlinson und Mike Schälchli in der Rolle von Asterix. Die Sportabteilung unter dem «Dorfkönig» Patrik Bärtschi und ab 19. Oktober 2022 unter dem Kanadier Larry Mitchel hat alles richtig gemacht. Als einziges Team neben Biel ist Kloten mit sechs ausländischen Feldspielern durch die Saison gekommen. Da mag Glück geholfen haben. Aber eben auch Verstand bei der Rekrutierung des ausländischen Personals.

Die sportliche Basis ist mit einer vorzüglichen eigenen Nachwuchsorganisation und der intensivierten Zusammenarbeit mit Winterthur als «Farmteam» in der Swiss League breit und solid. Jeff Tomlinson, der bereits die Lakers in die höchste Liga und in die Playoffs geführt hat, bleibt dem Klub in beratender Funktion erhalten.

Die Gefahr, wieder hoffärtig zu werden, ist unter der aktuellen Führung auch dann gering, wenn es gelingen sollte, den Titanen SC Bern (der SCB ist im Vergleich zu Kloten auch in der Krise ein Titan) zu bodigen. Unter der Führung von Mike Schälchli steht Kloten vor ein paar ruhigen Jahren. Der Vorsitzende neigt zwar nicht per se (= von selbst) zu übertriebener Bescheidenheit. Aber er ist klug und hat aus der Geschichte gelernt, welchen Schaden Kloten an seiner Seele durch Hoffart, Eitelkeit, Arroganz und Ruhmsucht genommen hat.

Der EHC Kloten verdankt seine Rückkehr in die Business-Klasse unseres Hockeys auch der heilsamen Wirkung des Abstieges von 2018.

Die Direktbegegnungen dieser Saison:
Kloten – Bern 2:3 n. V.
Bern – Kloten 2:5
Bern – Kloten 5:2
Kloten – Bern 3:2

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quelle: keystone / ennio leanza
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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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RedCloud
05.03.2023 14:34registriert April 2021
Wenn man sieht dass Lausanne mit ihrer Strategie gescheitert ist und Kloten in den Pre-PO ist: es gibt einen Hockeygott!
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123und456
05.03.2023 16:13registriert Juli 2015
chapeau. Ich muss eingestehen, dass ich das Kloten nicht zugetraut hätte. Insbesondere nach dem Saisonstart, da waren doch ein paar Watschen dabei, habe ich befürchtet, dass sie sich mit Ajoie um die rote Laterne balgen werden.
Klar brauchte es für diesen Erfolg einige grosse Teams die ins Stolpern kamen (Bern, Lugano) oder sogar endgültig abgestürzt sind(Lausann), aber das spielt letztendlich keine Rolle. Kloten hats in die Top 10 geschafft, Punkt. Und es ist eigentlich üblich, dass jede Saison 1,2 grosse Teams nicht wirklich auf Touren kommen..
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marak
05.03.2023 14:00registriert April 2014
Gratualation an Kloten. Ja, wenn man über 50 Runden es dann schafft, dann hat man gut gearbeitet. Der Glückfaktor relativiert sich mit dem erlitten Pech.
Gruss, aus Züri.
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