Die Titel sind längst gefeiert. Die Autobiografie («Mit Köpfchen durch die Wand – Biografie eines Machers») ist geschrieben. Die PR-Ochsentour für den Verkauf des Buches, die ihm so zuwider war, hat er schon lange absolviert. Das Buch ist ein Bestseller geworden.
Arno Del Curto, im Juli 66 Jahre alt geworden, könnte sich also in den Hockey-Ruhestand begeben. Aber einen Hockey-Ruhestand gibt es für den ewigen Rebellen nicht. Er bezeichnet ja die Zeit im Hockey in seiner Autobiografie als «affengeil».
Das Problem ist nur: Wie kann Arno Del Curto, nach wie vor eine der bekanntesten Personen unserer Hockey-Zeitgeschichte, weiterhin ein wenig im Hockey tätig sein und doch seine Ruhe haben? Keine Medientermine, keine Auftritte als Experte, keine Verpflichtungen. Einfach nur Spass am Spiel und eine gute Zeit mit den wilden Jungs.
Diesen Frieden hat er in Österreich gefunden. Was für eine Ironie der Geschichte: Österreichs letzte Kaiserin Zita von Bourbon-Parma findet nach dem Untergang des Kaiserreiches und dem Ende ihrer politischen Karriere ihren Frieden im Bündnerland. Im St.-Johannes-Stift zu Zizers (einem von Johann Rudolf von Salis im 17. Jahrhundert erbauten Schloss), wo sie die letzten 27 Jahre ihres Lebens verbringt, weiterhin höchstes Ansehen geniesst und regen Kontakt mit den Mächtigen der Welt pflegt.
Der Bündner (Engadiner) Arno Del Curto, wohl auf Jahre hinaus der letzte meisterlich-königlich-kaiserliche Schweizer Trainer, geht den umgekehrten Weg: Er findet nach seiner «Abdankung» als Trainer im Bündnerland und Zürich nun seinen Hockey-Frieden in Österreich, wo er weiterhin höchstes Ansehen geniesst.
Seine Karriere hat einst so richtig im Jahr 1991 mit dem ersten Job in der höchsten Liga beim ZSC begonnen. Er wird unterstützt von seinem acht Jahre jüngeren Freund Roger Bader, der ihm als Assistent zur Seite steht. Nun lässt Del Curto seine Karriere gut 30 Jahre später in Österreich ausklingen. Mit vertauschten Rollen. Nun unterstützt er als Assistent Bader, den Nationaltrainer der Österreicher. Die beiden erreichten bei der letzten WM den sensationellen 11. Schlussrang und feierten einen «Jahrhundert-Sieg» gegen Tschechien. Del Curto spielte bei diesem Hockey-Wunder eine wichtige Rolle.
Das österreichische Abenteuer geht inzwischen weiter. Soeben hat Österreich mit dem Duo Bader/Del Curto an der Bande nach völlig unerwarteten Siegen gegen Dänemark (3:1) und die Slowakei (3:2) beim Deutschland Cup überraschend den 2. Rang erreicht. Mit Spielern, die im Schnitt nicht viel älter als 20 Jahre sind. Schon immer hat Arno Del Curto am liebsten mit jungen, hungrigen, lernwilligen Spielern gearbeitet. Was Roger Baders prominenten Assistenten diebisch freut: In der Schweiz hat von seinem Gastspiel beim Deutschland Cup niemand Notiz genommen. Weder die gesendeten noch die gedruckten Medien. Seine Befürchtung war ja, dass er im Hockey keinen Frieden finden kann. Frieden im Sinne von: kein Medienrummel, keine Interviews.
Nun mag Arno Del Curto eine Teilnahme an der nächsten WM in Finnland und Lettland (12. bis 28. Mai 2023) nicht bestätigen. Aber eigentlich ist allen klar: Er wird dabei sein. Zumal Österreich in Tampere spielt und dort nicht gegen die Schweiz antreten muss, die ihre Gruppenspiele in Riga austrägt. Die Präsenz von Chronistinnen oder Chronisten aus der Schweiz ist nicht zu befürchten. Arno Del Curto kann bei der WM erneut unter dem Radar der helvetischen Medien durchfliegen.
Roger Bader sagt, sein Freund blühe beim Hockey richtig auf: «Es macht ihm wirklich Spass.» Gleiches gilt wohl für die Spieler. Ein paar Tage mit einem so leidenschaftlichen, temperamentvollen Hockey-Urgestein wie Arno Del Curto dürften ein unvergessliches Erlebnis sein. Manch einem, der mehr mit der österreichischen Kommunikationsform des Wiener Schmäh vertraut ist, mag der leidenschaftliche Nonkonformist aus den Schweizer Bergen vorkommen wie ein «Donau-Vulkan». Kommt dazu: Der ruhige Analytiker Roger Bader und der Feuerkopf Arno Del Curto ergänzen sich perfekt. Feuer und Wasser. Yin und Yang on Ice.
Nun ist es aber so, dass Arno Del Curto jegliches Interesse am Eishockey aufs leidenschaftlichste, ja heftigste dementiert und meilenweit von sich weist. Angesprochen auf den Hockey-Frieden, den er in Österreich gefunden hat, kommt er so richtig in Fahrt:
Nun steht aber diese Aussage im krassesten Widerspruch zur Wirklichkeit. Zu seinem österreichischen Engagement auf der Weltbühne bei der letzten WM und nun beim Deutschland Cup im November. «Das hat nichts, rein gar nichts, überhaupt nichts, absolut nichts mit Hockey zu tun. Ich mache das aus reiner Freundschaft mit Roger Bader und weil sich die Spieler immer wieder bei mir melden und mich bitten, weiterzumachen.» Das habe also rein gar nichts mit Hockey zu tun. Sondern damit, dass er eben gerne Menschen helfe und eine Freude bereite.
Arno Del Curto arbeitet heute als Projektentwickler unter anderem in der Immobilienbranche. Er hat seinen Lebensmittelpunkt längst zu seiner Lebenspartnerin in die Nähe von Langenthal, weitab urbaner Zentren, in den beschaulichen Oberaargau verlegt. Da macht es doch doppelt und dreifach Spass, ein paar Tage Zeit mit den wilden Kerlen in den ritterähnlichen Ausrüstungen zu verbringen, den ganz besonderen Geruch der Garderobe zu atmen wie einst in den grossen Zeiten in Davos oben und zu reden, wie im Hockey eben geredet wird. Oder? Andere kaufen in dem Alter noch einmal eine Harley, um jünger zu werden.
Im letzten Satz seiner Autobiographie finden wir die Auflösung der wunderbaren Widersprüche: «Und, logisch, ich arbeite hart daran, meinen Scheissschwung zu optimieren.» Er bezieht sich zwar aufs Golfspielen. Aber steht für sein Temperament. Und wo kann einer wie er den Schwung im besten Wortsinn denn besser optimieren als mit Erholung und Energietanken bei ein paar Tagen im Eishockey? Eben.
Im Juli ist Arno Del Curto 66 geworden. 66 ist kein Alter im Hockey. Scotty Bowman coachte Detroit 2002 mit 69 zum Stanley Cup. Und Udo Jürgens hat einst gesungen:
Also Arno, auf Wiedersehen – oder sollen wir sagen: Servus? –, spätestens bei der Eishockey-WM 2023.
Machs gut AdC und viel spass