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Eine Prise Hansi Hinterseer, eine Prise Stefan Raab und dazu ein wenig Eishockey: Biels Trainer Kevin Schläpfer spielt die einzige Rolle, die ihm das Amt sichert. Nur als Hockeytrainer könnte er sich in Biel nicht mehr behaupten. Bei «Halbzeit» steht sein EHC Biel auf dem 12. und letzten Platz. Im neuen Stadion. Mit der teuersten Mannschaft der Klubgeschichte. Grösser, böser und besser wollte Biel sein. Und wieder die Playoffs erreichen. Bisher war Biel kleiner, weicher und weniger gut.
Eine Playoff-Qualifikation ist immer noch möglich, aber inzwischen eher unwahrscheinlich. Also geht es nicht mehr nur um Siege und Niederlagen und Tabellenpositionen wie sonst im Sportgeschäft üblich. Nun geht es vor allem um gute Unterhaltung. So wie die Armen ohne Musik tanzen gelernt haben, so lernen die Bieler nun, sich an einer Mannschaft zu erfreuen, die auf dem letzten Platz steht. Das Stadion war gestern für das Spiel des Tabellenletzten gegen Gottéron ausverkauft.
Diese gute Unterhaltung hat Biel beim 5:4 n.P gegen Gottéron geboten. Aus einem 1:3 wird im Schlussdrittel ein 4:3, in der letzten Minute kassieren die Bieler den Ausgleich und am Ende gewinnen sie das Penalty-Schiessen. «In der ersten Pause habe ich meinen Spielern gesagt: Da draussen ist ein ausverkauftes Stadion und wir liegen 1:3 zurück. Das geht nicht. Wir müssen unseren Zuschauern etwas bieten.» Entschlossen kehrten seine Jungs aufs Eis zurück und schafften die Wende.
Der Ausgleich (4:4) 51 Sekunden vor Schluss ist Torhüter Simon Rytz nicht anzulasten: Gottérons Julien Sprunger ist neben Langnaus Thomas Nüssli der einzige Schweizer Stürmer der Liga, der so präzis und scharf schiesst. Er hat genau dort getroffen, wo ein kleiner Goalie nicht weiss, ob er mit der Schulter oder der Fanghand abwehren soll. Simon Rytz ist 174 cm gross. Das ist ihm zum Verhängnis geworden. Zugs Tobias Stephan (192 cm) hätte diesen Puck einfach abtropfen lassen.
Der Held dieser Bieler Wende ist in der Wahrnehmung des Publikums kein Spieler. Sondern der Trainer. Biel hat unter dem spielenden Personal keinen Star, der in die ganze Hockey-Schweiz ausstrahlt. Biels Gesicht ist Kevin Schläpfer. Was sich nach dem Spiel gestern wieder einmal zeigt. Unten im Kabinengang wartet eine Gruppe Frauen. Es sind die Mitarbeiterinnen eines Sponsors. Sie wollen keinen Spieler sehen, sondern den Trainer.
Kevin Schläpfer kommt und grüsst und scherzt und es geht zu und her wie bei einem Auftritt von Justin Timberlake. Auch Präsident Andreas Blank steigt in den Kabinengang hinunter und gibt seiner Erleichterung Ausdruck. Und von Verwaltungsrätin Stéphanie Mérillat gibt’s einen Kuss für den charismatischen Bandengeneral mit dem herben Charme.
Der neutrale Chronist denkt: Kein Trainer, ein Popstar. Und so ist es. Kevin Schläpfer ist der Leadsänger, seine Spieler bloss die Band. «Seht ihr, ich bin Letzter und trotzdem warten die Frauen auf mich» scherzt er. Aber eigentlich scherzt er nicht. Er ist davon überzeugt, dass es so ist. Es ist dieses Selbstvertrauen, das ihn immer wieder über alle Zweifel siegen und nicht abstürzen lässt.
Dabei hätte es auch einen Helden auf Schlittschuhen gegeben. Beispielsweise Kult-Captain Mathieu Tschantré, der sich mit schwerem Durchfall durch die Partie gequält hat. Er hätte eigentlich nicht spielen sollen – aber er spielte. Um ein Zeichen zu setzen.
Nur noch die SCL Tigers sorgen als Schlusslicht für ähnlich viel Medienpräsenz wie Biel. Und das verdanken die Bieler Kevin Schläpfers Rolle als Entertainer. So war er ja eigentlich schon immer. Aber noch nie so extrem wie jetzt. Und vor allem: Noch nie war es für ihn so wichtig, ein Entertainer zu sein.
Der Erfolg über Fribourg-Gottéron ist erst der 5. Sieg in den letzten 21 Spielen. Kein anderer Trainer könnte sich mit dieser Bilanz im Amt halten. Tatsächlich ist ja Kevin Schläpfer das Dauerthema. Aber er steht nicht in der Kritik wie ein gewöhnlicher Trainer und ihn trifft auch nicht der Zorn des Publikums. Inzwischen ist es eher ein Mitfiebern, getragen von der Hoffnung: Hoffentlich bleibt er. Das hat es so in unserem Hockey noch nicht gegeben und wäre wohl nur noch im Falle einer Krise bei Arno Del Curto in Davos so.
Aber Ende des Tages ist Kevin Schläpfer eben doch ein Eishockeytrainer. Wenn er zu viel auf Popstar macht, riskiert er seine Karriere. Nicht jetzt. Diese Saison verzeihen ihm die Bieler ausser einem Abstieg noch alles. Aber nächste Saison nicht mehr.