«Blut, Schweiss und Hockey». So lautet der Titel seiner Autobiografie. Und damit ist diese grandiose, einmalige Karriere auf den Punkt gebracht. Börje Salming beginnt seine Karriere im nordschwedischen Kiruna und wechselt mit 20 Jahren zu Brynäs. Nach nur drei Saisons und zwei Meistertiteln in der höchsten Liga und einer erfolgreichen WM (mit Schweden Silber) wechselte er 1973 zu den Toronto Maple Leafs in die NHL.
Börje Salming ist ein Exote. Er wird der erste europäische NHL-Star in einer Zeit, als die NHL fast ganz von Kanadiern dominiert wird und nur 18 Teams umfasst. Europäer werden verschmäht und verachtet: zu weich. Untauglich. Börje Salming wechselt zusammen mit seinem Teamkameraden Inge Hammarström nach Toronto. Die beiden sind die einzigen Nicht-Kanadier im Team. Börje Salming wird 17 Jahre bleiben, 16 in Toronto, eines in Detroit (1129 Spiele/836 Punkte). Inge Hammerström immerhin sechs. Fünf in Toronto, eines in St.Louis (430 Spiele/244 Punkte).
Börje Salming erreicht eine Popularität wie Gordie Howe, Bobby Orr, Phil Esposito oder Guy Lafleur. Ja, er ist vielleicht sogar noch populärer. Denn er spielt in einem notorischen Verliererteam ohne jede Chance auf den Stanley Cup. Das macht ihn bei den Fans noch populärer. Bostons Manager Harry Sinden bringt es einmal auf den Punkt: «Er war ein Winner. Aber umgeben von solchen, die es nicht waren.» Torontos Besitzer Harold Ballard wusste wohl, warum er einmal sagte: «Ich würde ihn nicht einmal gegen den lieben Gott eintauschen.»
Börje Salming ist kein Riese, aber für die damalige Zeit hat er eine gute Postur (186 cm/95 kg). Er ist ein kompletter, für die Zeit moderner Verteidiger. In den 1970er Jahren obliegt den Verteidigern in erster Linie das Abräumen. Bobby Orr hat in Boston gerade begonnen, das Spiel der Verteidiger zu revolutionieren.
Wie populär er in der Stadt ist, zeigt eine oft erzählte Episode: Er fährt mit seinem Volvo in die Stadt, um Joghurt für seine Familie einzukaufen. Ein Parkplatz ist einfach nicht zu finden und so stellt er sein Auto in Gottes Namen halt in unmittelbarer Nähe des Geschäftes im Parkverbot ab. Es dauert nicht lange, da donnert die Stimme eines Polizisten durch den Laden. Wer zum Teufel den Verstand verloren und so parkiert habe. Der Wagen müsse augenblicklich weg.
Da kommt Börje Salming hinter einem Gestell hervor. Es sei sein Auto. Der Polizeibeamte entschuldigt sich sogleich in aller Form für die Störung und verabschiedet sich mit den Worten: «Machen Sie bitte Ihre Einkäufe in der Stadt und parken Sie den Wagen so lange Sie wollen dort …»
Publiken ger Börje Salming en fin hyllning. pic.twitter.com/OOeVCxx9tX
— IcehockeyGifs (@IcehockeyG) November 24, 2022
Mit Sinn für Ironie reagiert er auf Kritik. Er fragt einmal Bill Houston, die bissige Edelfeder vom «Globe and Mail», warum er so kritisch über ihn geschrieben habe. Er hört sich die Erklärung an und erwidert: «Es hat mich einfach interessiert. Es gibt ja für alles, was wir tun, einen Grund. Manchmal haben wir halt einen schlechten Tag, wenn wir ein wenig unter Druck sind.»
Humor, Höflichkeit und eine immense Leidensfähigkeit, ja Sturheit gehören zur faszinierenden Persönlichkeit von Börje Salming. Er setzt sich in einer rauen Welt durch. Die 1970er Jahre sind die grosse Zeit der Philadelphia Flyers, die sich mit vorher und nachher nie mehr gesehener Härte 1974 und 1975 zum Stanley Cup prügeln und als «Broad Street Bullies» («Gewalttäter von der Broad Street») eine unheimliche Popularität erreichen. Auch Toronto hat harte Jungs. Dave «Tiger» Williams ist einer der rausten der NHL-Geschichte. Er hat später einmal in den 1990er Jahren gesagt: «Für das, was Börje Salming angetan worden ist, würde man heute lebenslang gesperrt.» Dafür steht «Blut» im Titel der Autobiografie.
Börje Salming gehört jahrelang zu den besten Verteidigern der Liga. Er ist mehrfacher Finalist für die Norris Trophy (1976, 1977, 1979, 1980), gewinnt sie aber nie. Noch ist die NHL nicht bereit, einem Europäer diese Ehre zu erweisen. Er bestreitet mit Schweden mehrere Weltmeisterschaften, Canada Cups und die Olympischen Spiele und verabschiedet sich mit einem spielerischen Feuerwerk von der internationalen Bühne: 1992 ist er beim olympischen Turnier punktbester Verteidiger des Turniers. Obwohl Schweden «nur» Rang 5 erreicht. Er beendet seine Karriere 1993 bei AIK Stockholm.
So reich wie die heutigen NHL-Stars (aktueller NHL-Durchschnittslohn: 3,10 Millionen Dollar) kann Börje Salming nicht werden. Er kommt zu früh in die NHL. In seiner ersten Saison in Toronto (1973/74) verdient er 70'000 Dollar, was unter Berücksichtigung der Inflation heute etwa 460'000 Dollar entsprechen. In seiner letzten in der NHL (1989/90) sind es 435'000 Dollar oder nach heutigem Wert rund eine Million. Sein Salär entspricht der Zeit. Mehr ist nicht zu holen. Börje Salmings Agent Björn Wagnsson, ein hoch respektierter schwedischer Anwalt, pflegt hart zu verhandeln und sein Klient beginnt das Trainingscamp einmal auch ohne Vertrag.
Börje Salming ist wohl der populärste Spieler der Hockey-Geschichte, der nie Olympiasieger, Weltmeister oder Stanley Cup-Sieger geworden ist. Er hat seinen Platz in Hockey Hall of Fame der NHL in Toronto ebenso wie in der Hall of Fame des Internationalen Verbandes (IIHF). Er wird zum 100-Jahre-Jubiläum der IIHF im Jahr 2008 ins All-Star Team des Jahrhunderts gewählt und vor wenigen Wochen ebenso ins schwedische Jahrhundertteam.
Als Legende ist er in Toronto wie auch in Schweden immer wieder gern gesehen. Aber die Krankheit ALS veränderte sein Leben. Seine Gesundheit verschlechterte sich aufgrund der aggressiven Form innert weniger Monate. Anfang November verabschiedet er sich mit grösster Mühe vor einem Spiel in Toronto von den Fans seines langjährigen Clubs und besucht in Stockholm noch die Gala zum 100-jährigen Jubiläum des schwedischen Eishockeyverbands.
Am Canada-Cup 1976 spielten im Maple Leaf-Garden in Toronto Kanada gegen Schweden. Bei der Vorstellung der Spieler gab es eine minutenlange Standing Ovation für Börje Salming. Notabene von über 15'000 kanadischen Zuschauern an den Mann mit der Nr. 5 im gelb-blauen Trikot. Eine Hommage und Respekterbietung an den "Krieger" aus Kiruna. In Schweden gilt diese Szene bis heute als eines der grössten Ereignisse seiner Hockeygeschichte. RIP Börje Salming.