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Die gleichen Spieler. Die gleichen Trainer. Die gleichen Regeln. Die gleiche Sportart. Aber ein ganz anderes Spiel. 5:4 hat der HC Lugano die erste Partie am Samstag gewonnen. Sage und schreibe neun Tore. Es war wildes «Event-Hockey» unter Missachtung der gängigen taktischen Regeln. Höchster Unterhaltungswert, intensiv, stürmisch, scheinbar unbeschwert, als sei es ein Spiel auf dem Pausenplatz.
Die Trainer haben die Zeit zur Korrektur genutzt. Lars Leuenberger sagt über die Vorbereitung auf dieses zweite Spiel. «Im ersten Spiel sind wir von unserer Linie abgekommen. Wir haben darüber gesprochen, warum wir dieses erste Spiel verloren haben und was uns bis ins Finale gebracht hat. Was unsere Stärken sind und wer wir sind. Und darauf haben wir uns wieder besonnen.»
In der zweiten Partie haben beide Mannschaften zum «State-of-the-Art-Hockey» zurückgefunden. Also Hockey auf dem höchsten taktischen Entwicklungsstand. Dieser zweite Akt des Finaldramas entwickelt eine ganz besondere Spannung, die immer grösser, für die Zuschauer fast unerträglich wird – so als ziehe sich eine Schlinge langsam zu. Sieben Tore waren am Samstag in den ersten zwei Dritteln gefallen. Zum Zwischenstand von 4:3 für Lugano.
Im zweiten Spiel steht es nach 40 Minuten 0:0. Die Spannung ist beinahe körperlich zu spüren. Die Taktik ist für alle deutlich zu erkennen. Die Berner versuchen, ihren Gegner im besten Wortsinne zu überrollen. Sie haben mehr Kraft und mehr Wasserverdrängung. Sie laufen und laufen und laufen. Aber Luganos Abwehr hält dem Druck stand. Torhüter Elvis Merzlikins gelingt das, was man später einmal wohl ein «Spiel des Lebens» nennen wird
Welle um Welle rollt auf das Tor von Lugano und es ist klar: Wenn ein Tor fällt, dann ist es die Entscheidung. Aber die optische Überlegenheit der Berner – die Statistiker notieren 48:17 Torschüsse(!) – ist keine totale Überlegenheit. Weil Lugano viel Talent hat. Die raren Gegenstösse sind, weil sie eben von schlauen, talentierten Stürmern geführt werden und von robusten Verteidigern eingefädelt werden, teuflisch gefährlich. Ja, Lugano hat viel weniger, aber mehr klare Torchancen.
Mag auch der SCB zu Wasser, zu Land und in der Luft dominieren, so ist es doch eine Dominanz auf dünnem Eis. Ein einziger Konter kann jederzeit die Entscheidung für Lugano bringen. Das macht die Spannung im Berner Hockeytempel, dem grössten Europas (mit 17'031 Fans ausverkauft), beinahe unerträglich.
Es ist ein banges Warten auf die Erlösung. Weil das Tor einfach nicht gelingen will, packen die Berner schliesslich in der Schlussphase die Brechstange aus. Die Checks werden härter. Vorkämpfer Tristan Scherwey erwischt Tony Martensson auf offenem Eis mit einem fürchterlichen Check. Keine Strafe. Beat Gerber rumpelt an der Bande Gregory Hofmann zusammen und muss für zwei Minuten raus (55.). Die TV-Bilder zeigen, dass beide Zwischenfälle nicht regulär sind. Vor allem für Beat Gerbers Foul könnte es eine Sperre absetzen und eine Fünfminutenstrafe wäre durchaus angemessen gewesen.
Luganos schwedische Zauberkünstler entfalten ihr Talent in diesem letzten Powerplay. Bern steht am Abgrund, hält aber stand – und siegt. 27 Sekunden nach Ablauf dieser Strafe trifft ausgerechnet Thomas Rüfenacht zum 1:0. Im Nachschuss. Der raue Kämpfer. «Warrior» (Krieger) nennen die Nordamerikaner diesen Spielertyp, der in gewöhnlichen Spielen kaum auffällt. Aber in den grossen, intensiven Partien der Playoffs sein bestes Eishockey spielt. Und natürlich wird er zum besten Spieler der Partie gewählt.
Nicht oft zeigt ein Spieler seine Emotionen nach einem Treffer so schön. «Ich habe für die ganze Mannschaft gejubelt ...», sagt Rüfenacht hinterher.
So nahe war Lugano bei diesem letzten Powerplay der Entscheidung – und so bitter jetzt die Enttäuschung. Nichts hilft mehr. Doug Shedden ersetzt seinen Torhüter durch einen sechsten Feldspieler. Umsonst. Der SC Bern gewinnt diese zweite Partie 1:0, gleicht die Finalserie aus und alles beginnt wieder von vorne.
Nächster Akt in diesem Drama morgen Donnerstag in Lugano. Wir wissen: Wieder die gleichen Spieler. Die gleichen Trainer. Die gleichen Regeln. Die gleiche Sportart. Aber wir wissen nicht, welches Spiel es sein wird. Welches Eishockey gespielt wird. Aber wir können davon ausgehen, dass es wieder ein Drama sein wird.
Luganos Captain Steve Hirschi ist nach dem Spiel selbstkritisch: «Wir sind zu wenig gelaufen, wir haben zu wenig getan, wir waren zu wenig hungrig.» Es sei für die Verteidiger ein schweres Spiel gewesen. «Wir waren ständig unter Druck». Den Einwand, dass es eben ein starker SCB gewesen sei, lässt er nur bedingt gelten. «Das ändert nichts daran, dass wir einfach mehr tun müssen.» Tatsächlich hatte Lugano im ersten Spiel bei 36:22 Torschüssen 5:4 gewonnen.
Die Finalserie unterscheidet sich für den SCB grundsätzlich vom Viertelfinal gegen die ZSC Lions und vom Halbfinal gegen den HC Davos. Die Zürcher waren spielerisch besser, aber nicht bereit und fanden während der ganzen Serie die richtige Einstellung nicht mehr. Die Davoser waren sehr wohl bereit. Aber ihre Verteidiger sind viel weniger talentiert als jene von Lugano. Unter dem permanenten SCB-Druck machten sie zu viele Fehler und die konnte am Ende selbst ein überragender Leonardo Genoni nicht mehr ausbügeln. Luganos Verteidiger (vor allem Hirschi, Vauclair und Furrer), sind stark an der Scheibe und erfahren. Sie haben dem immensen SCB-Druck auch in der zweiten Partie standgehalten und immer wieder gefährliche Konter ausgelöst.
60' Das Spiel ist zu Ende. Der #SCBern gewinnt mit 1:0 gegen den #HCLugano #bärnrockt pic.twitter.com/P0NM9G8qhH
— SC Bern (@scbern_news) 5. April 2016
Trainer Doug Shedden anerkannte die starke Leistung des Gegners und bedauerte, dass die grandiose Leistung von Torhüter Elvis Merzlikins (97,92 Prozent Abwehrquote) am Ende umsonst war. Die vierte Linie hatte einen Einsatz mehr als im ersten Spiel (sieben). Aber das ändert nichts an der extremen Belastung der drei schwedischen Schlüsselspieler. Immer mehr zeichnet sich ab: Der Final wird ein Abnützungskampf. Wenn es den Bernern gelingt, die Finalserie über sechs oder sieben Spiele zu strecken, dann werden sie Meister. Luganos Chance liegt in einer Entscheidung in nun fünf Partien. Eine Entscheidung, die in erster Linie die drei schwedischen Stürmer herbeiführen müssen. Beim 5:4 im ersten Spiel, gegen einen SCB, der bloss 60 Prozent seiner wahren Identität erreicht hatte, produzierten sie acht Skorerpunkte. Im zweiten Spiel gegen den wahren SCB keinen einzigen.
Der wahre SCB wird Meister.