Die ZSC Lions können Denis Malgin (25) nicht ersetzen. Wenn er geblieben wäre, hätten die Zürcher zwar die Saison mit fünf statt sechs Ausländern begonnen. Das bestätigt ZSC-Sportchef Sven Leuenberger. Aber er sagt auch, dass spätestens für die Playoffs ein sechster ausländischer Spieler verpflichtet worden wäre.
Danke, Denis, für deinen Einsatz, deine Tore und deinen Zauber. Diese Chance hast du dir verdient. Alles Gute und viel Erfolg in Toronto!
— ZSC Lions (@zsclions) July 14, 2022
Mir sind Züri 🦁
👉🏻 https://t.co/5iTOttWCLx pic.twitter.com/BCIGMKikZa
Oder ist vielleicht Denis Malgin spätestens für die Playoffs wieder in Zürich? Der beste WM-Skorer der Schweiz (8 Spiele/12 Punkte) bekommt bei den Maple Leafs das NHL-Minimalsalär von 750'000 Dollar brutto. Die Hälfte davon gehen durch Steuern und sonstige Abgaben verloren. Er wird nicht mehr verdienen als in Zürich. Das NHL-Salär gilt auch bei einer «Versenkung» ins Farmteam. Dass er nur so wenig verdient, zeigt, dass er in der Planung seines neuen Arbeitgebers keine wichtige Rolle spielt.
Denis Malgin nimmt in Toronto den fünften Anlauf in der NHL (bisher für Florida und Toronto in vier Saisons 190 NHL Spiele/92 Punkte). Sein Problem: Er ist ein Stürmer für eine offensive Rolle. Aber zu wenig gut, um diese offensive Rolle in einem NHL-Team auf sicher zu haben. Anders als ein Erstrundendraft, der auch aus politischen Gründen – das Management will sich ja nicht mit einem «Lotter-Draft» blamieren – eher eine Chance bekommt, ist Denis Malgin bloss ein Hinterbänkler ohne politische Bedeutung. Um eine eher defensive Rolle zu spielen, ist er zu wenig robust (175 cm/80 kg).
Dass Denis Malgins in den NL-Playoffs (bester Torschütze) und bei der WM brillierte, interessiert in Nordamerika höchstens am Rande. Seine Situation in Toronto ist etwa mit der eines guten Stürmers der GCK Lions in der ZSC-Planung vergleichbar. Passt es gerade, so bekommt er eine Rolle, und sonst halt nicht. Das Management geht keinerlei Risiko ein: Die Rechte an Denis Malgin hatte ja Toronto schon. Ein «Gratis-Transfer» also, für den niemand entschädigt werden muss.
Was also, wenn es in Toronto nicht funktioniert? Kehrt der ZSC-Topskorer der letzten Saison dann vorzeitig nach Zürich zurück? Diese Frage geht an ZSC-Sportchef Sven Leuenberger. Er ist ein Sportsmann und betont erst einmal: «Wir freuen uns für Denis, dass er diese Chance bekommt, und wünschen ihm viel Erfolg. Natürlich schmerzt der Abgang. Er ist einer der besten Schweizer Center. Nun werden wir einen Stürmer als sechsten Ausländer verpflichten und wir wollen Nachwuchstalenten wie Silvan Landolt, Nicolas Baechler, Marlon Graf, Joel Henry, Liekit Reichle und Livio Truog eine Chance geben.»
Schöne, hehre Worte des ZSC-Sportchefs. Und so geht er wohlweislich auf die boshafte Frage nicht ein, wer dazu in der Lage sei, Trainer Rikard Grönborg beizubringen, dass er die Nachwuchstalente auch länger als 10 Sekunden pro Partie einsetzt. Aber das ist wirklich boshaft und wir sind zudem vom Thema abgekommen.
Also zurück zu Denis Malgin: Was ist, wenn es in Toronto eben nicht klappen sollte? Man weiss ja nie. Die NHL ist die Liga der unbegrenzten Möglichkeiten und Enttäuschungen. Sven Leuenberger ist auch Pragmatiker und sagt: «Er kann in Europa im Falle eines Falles in der kommenden Saison nur bei uns spielen.» Der Vertrag des schweizerisch-russischen Doppelbürgers mit den ZSC Lions läuft bis 2025 und eine KHL-Ausstiegsklausel hat er erst für die Saison 2023/24. Ein Wechsel in die NHL ist nach dem Transferabkommen innerhalb bestimmter Fristen auch mit gültigem Vertrag möglich. Deshalb mussten die Zürcher ihren wichtigsten Stürmer ohne «Wenn und Aber» aus einem gültigen Vertrag ziehen lassen. Eine Transfer-Entschädigung bekommen sie für den Malgin-Transfer nicht, weil es nicht sein erster Wechsel in die NHL ist.
Aber eben: Was ist, wenn es in Toronto nicht funktioniert? Dann ist eine vorzeitige Rückkehr in die Schweiz möglich. Die Auflösung eines Vertrages mit einer NHL-Organisation unterliegt zwar ziemlich umfangreichen administrativen Vorschriften. Im Falle von Denis Malgin kommt dazu, dass er vor einer Verbannung ins Farmteam auf den «Waiver» muss.
Etwas vereinfacht gesagt: Für eine kurze Zeit hat dann jede NHL-Organisation die Möglichkeit, Denis Malgin ohne Entschädigung an Toronto zu übernehmen. Mit dieser Regelung sorgt die NHL dafür, dass keine Spieler im Farmteam schmoren, die bei einem anderen Klub durchaus ihren Platz hätten. Schickt Toronto Denis Malgin ins Farmteam, ergeben sich für ihn womöglich neue Perspektiven bei einem anderen Team.
Es gibt zwei Beispiele für eine vorzeitige Rückkehr aus der NHL: Damien Brunner zog im Spätherbst 2014 die Heimreise in die Schweiz einer Verbannung ins Farmteam von New Jersey vor und wechselte nach Auflösung des NHL-Vertrages (2,5 Millionen Dollar brutto für die ganze Saison) zu Lugano und stürmt seit 2018 für Biel.
Grégory Hofmanns Ausgangslage war letzte Saison eine andere: Er musste nicht im Farmteam darben. Er verliess Columbus aus familiären Gründen, beging dadurch juristisch Vertragsbruch und bat um Auflösung des mit 900'000 Dollar brutto gelöhnten Arbeitsverhältnisses per Saldo aller Ansprüche. Der finnische General Manager Jarmo Kekäläinen zeigte Verständnis und erfüllte diesen Wunsch. Grégory Hofmann kehrte im Januar 2022 nach Zug zurück und verlängerte vorzeitig bis 2028.
Diese zwei Fälle zeigen: Es ist möglich, im Laufe einer Saison aus der NHL in die Schweiz zurückzukehren. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Chancen, dass die ZSC Lions im Laufe der kommenden Saison wieder auf die Dienste von Denis Malgin zählen können, liegen zwischen 30 und 50 Prozent.