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Nun haben die Klotener auch in Ambrì verloren (2:4). Sechs Niederlagen de Suite, nur zwei Spektakel-Siege in den letzten zwölf Partien (8:3 Lugano, 8:1 Bern) – Krise? Nein. Der EHC Kloten steht jetzt dort, wo er vor Saisonbeginn erwartet worden ist. Nur dank einem milden, goldenen Herbst (sieben Siege in den ersten zwölf Spielen) stehen die Zürcher noch nicht am Tabellenende.
Der neue Besitzer und Präsident Hans-Ulrich Lehmann setzt in Kloten seine Revolution durch: keine Schuldenwirtschaft mehr. Ausgegeben wird nur so viel, wie eingenommen wird.
Die Wirklichkeit beginnt für den «Maximo Lider des Zürcher Hockeys» allerdings erst jetzt. Die Umgestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse (die in Kloten einer Revolution gleichkommt) ist auf dem Verhandlungsweg möglich. Der sportliche Erfolg hingegen nicht. Da ist auch der kühle Rechner Hans-Ulrich Lehmann den Unabwägbarkeiten eines Sportes ausgeliefert, der auf einer rutschigen Unterlage ausgetragen wird.
Bisher war bei der Rettung der ältesten NLA-Kultur (seit 1962 ununterbrochen in der höchsten Liga – Rekord) Rechnen und Kostenkontrolle, also kühler Verstand gefragt. Jetzt kommen Emotionen dazu. Bleibt Hans-Ulrich Lehmann auch unerbittlich vernünftig, wenn seine Mannschaft bis ans Tabellenende durchrutscht? Pünktlich zum hundertjährigen Jubiläum der Russischen Revolution (von 1917) kommt nun die Revolution in Kloten auf den Prüfstand.
Auch wenn Lenin vor seiner Abreise in die Heimat noch in den Wirtshäusern Zürichs polemisiert hat – frivole Vergleiche mit seinem sozialistischen Experiment gehören sich eigentlich nicht. Zu viel Unheil hat seine Politik in die Welt gebracht. Und doch gibt es eine Anekdote, die uns direkt in die Kabine des EHC Kloten führt.
An einer der ersten Sitzungen nach der Machtübernahme ist damals vor 100 Jahren in St.Petersburg darüber beraten worden, ob auch die Führungskräfte der Partei aus Solidarität mit dem einfachen Volk die gleichen bescheidenen Lebensmittelrationen bekommen sollten. Lenin, der etwas von Führung verstand, wischte diese gutgemeinte Idee als Unsinn vom Tisch. Mit der Begründung: Die Besten können ihre Führungs-Aufgabe nur wahrnehmen, wenn ihnen die Entbehrungen des gewöhnlichen Volkes nicht zugemutet werden. Die Geburtsstunde der Nomenklatura (der Eliten im Sozialismus).
Der Chronist hat sich ein wenig umgehört, bei Agenten und Gewährsleuten, um zu ergründen, wie das soziale Hockeyexperiment in Kloten eigentlich durchgeführt worden ist – also die flächendeckenden Lohnkürzungen und Verzichte. Und dabei versucht, sich zwischen «Propaganda» und Wirklichkeit zurechtzufinden.
Verlässliche Quellen berichten, Hans-Ulrich Lehmann habe führungstechnisch ähnlich wie Lenin entschieden: Entbehrungen für die «Gewöhnlichen» – aber nicht für die Führungspersönlichkeit. Denis Hollenstein (27), so wird durchaus glaubhaft versichert, sei von allen Kürzungen ausgenommen worden und verdiene weiterhin ziemlich genau 700'000 Franken brutto – pro Saison. Sein Vertrag ist halt noch ein Vermächtnis der Jahre des Grössenwahnes. Ausgehandelt vom «Geldagenten» Georges Müller.
Allerdings sei im Falle von Hollenstein junior nicht ganz freiwillig auf eine Lohnkürzung verzichtet worden. Offenbar haben vier wichtige Sponsoren unisono erklärt auszusteigen, wenn der junge Hollenstein gehe. Eine Lohnreduktion hätte dem Leitwolf juristisch die Möglichkeit eröffnet, aus dem Vertrag (läuft bis 2020) auszusteigen. An Offerten fehlte es auf Georges Müllers Schreibtisch nicht.
Nun gehört Denis Hollenstein zu den ganz grossen Spielerpersönlichkeiten, die wirklich jeden Franken ihres Gehaltes wert sind. Er ist der beste Schweizer Skorer der Liga. Die Frage ist berechtigt: Wo wäre Kloten ohne Hollensteins Tore, Assists und Führungsqualitäten? Wahrscheinlich jetzt schon am Tabellenende.
Dass Salärkürzungen heikel sind, zeigt das Beispiel von Tommi Santala. Dem 37-jährigen Finnen sei eine sechsstellige Reduktion seines Nettogehaltes von 360'000 Franken zugemutet worden, die er mangels Alternativen akzeptiert hat. Und nun ist er, als sich doch eine Alternative ergeben hat, bei der erstbesten Gelegenheit halt doch gegangen. Nach Russland.
Kloten hat mit Tommi Santala nicht einfach seinen wichtigsten Center verloren. Der Finne war der einzige wirklich «böse» Spieler eines spielstarken Tempoteams. Der einzige Klotener, dem die Gegenspieler lieber aus dem Weg gegangen sind. Ist Kloten nun ohne Tommi Santala zu weich? Zu wenig «böse»? Wir werden sehen.
Klotens «Hockey-Sozialromantik» des kollektiven Verzichtes hält also der Wirklichkeit nicht ganz stand und der Chronist verzichtet darauf, jede einzelne Lohnkürzung eingehend zu analysieren. Eine solche Arbeit würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen. Schliesslich ist er Geschichtenerzähler und nicht Buchprüfer.
Hans-Ulrich Lehmann, so erzählen Gewährsleute weiter, habe nun seinem tüchtigen Sportchef Pascal Müller enge Grenzen gesetzt. Künftig dürfe ein Ausländer in Kloten höchstens 150'000 Franken netto verdienen. Für Schweizer Transfers gebe es ebenfalls eine klare Vorgabe: es dürfen keine Spieler mehr verpflichtet werden, die brutto 200'000 Franken oder mehr kosten. Die Zielvorgabe liege bei höchstens 130'000 Franken brutto – aber mit etwas «Spatzig» (Verhandlungsspielraum).
Im Interesse unseres Hockeys ist zu wünschen, dass Hans-Ulrich Lehmann mit seiner Politik der Vernunft Erfolg hat. So oder so ist der Zusammenhalt dieser Mannschaft bemerkenswert, die in den letzten vier Jahren bei der wilden Fahrt auf der kapitalistischen Achterbahnfahrt nicht auseinandergefallen ist. Und Leitwolf und Lohnkrösus Denis Hollenstein sollte sich über die Festtage nicht lumpen lassen und seinen Teamkollegen eine Runde Bier und Pizza spendieren. Denn er alleine kann es nicht richten. Der beste Einzelspieler ist auf die Mannschaft angewiesen.