Was, wenn die Normalität nicht zurückkehrt? Wenn auch in der neuen Saison während Wochen oder gar Monaten in leeren oder halb leeren Stadien gespielt werden muss?
Das mag ein düsteres Szenario sein. Aber wir können nicht mehr ausschliessen, dass die Behörden auch im nächsten Herbst den Sport als Massenveranstaltung, wie wir ihn kannten, nicht erlauben werden. Wir wissen nicht, ob das Modell «Massensport» eine Zukunft hat.
Wir wissen auch nicht, ob das Publikum wieder wie in der guten alten Zeit in die Stadien kommen wird. Zumindest eine Übergangsphase mit weniger Zuschauerinnen und Zuschauern ist wahrscheinlich. Nicht wegen nachlassendem Interesse. Aber wegen der Angst, sich unter Menschenansammlungen zu mischen.
Mit einem Rückgang des Saisonkarten-Verkaufes für die nächste Saison muss so oder so gerechnet werden. Wenn nicht mit hundertprozentiger Sicherheit garantiert werden kann, dass der Spielbesuch möglich sein wird, werden erheblich weniger Dauerkarten verkauft. Zumal die «Reformnarren» alles getan haben, um mit einer unsinnigen Ausländerdebatte die zahlenden Kundinnen und Kunden gründlich zu verärgern.
Es ist also Zeit, das Undenkbare zu denken. Gibt es noch einmal eine Eishockey-Saison ohne Zuschauerinnen und Zuschauer? Können die Klubs mit halbierten Publikumseinnahmen eine Saison überstehen?
Ja, das ist möglich. Aber nur mit einem ganz neuen, radikalen Denkansatz.
Hilfe von der Politik im gleichen Rahmen wie in der laufenden Saison kann nicht mehr erwartet werden. Das Eishockey wird sich selbst helfen müssen. Auf der politischen Ebene geht es nicht mehr in erster Linie um finanzielle Hilfen aus der Staatskasse für Profiklubs oder die Öffnung der Stadien. Es geht darum, den Spiel- und Trainingsbetrieb im Amateur- und Juniorenhockey möglichst schnell wieder zu ermöglichen. Also die Basis zu retten. Das, und nicht Geld, ist das zentrale Problem im politischen Bereich.
Im Profihockey geht es um die Frage: Wie können wir mit halbierten oder gar ganz wegbrechenden Publikumseinnahmen leben? Ganz einfach: Die Einnahmen aus dem Ticketverkauf und aus der «Bewirtschaftung» des Publikums machen etwas mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes aus. Also müssen die Ausgaben halbiert werden.
Ist das möglich? Ja. Es ist Zeit, konkret zu werden. Es ist Zeit, über den radikalsten, aber letztlich einfachsten Schritt nachzudenken: Die Halbierung aller Saläre, bis die Zuschauerzahlen aus der Zeit vor der Krise wieder erreicht sind.
Unmöglich? Nein, es ist machbar. Wenn die Existenz einer ganzen Branche auf dem Spiel steht, sind Schritte möglich, die in normalen Zeiten völlig undenkbar scheinen.
Eine Halbierung der Spielersaläre tönt dramatisch. Bei Lichte besehen ist es lediglich die Rückkehr zu einer nach wie vor luxuriösen Normalität.
Beim «Salary Fairplay», das vielleicht noch vor dem Jüngsten Tag eingeführt werden soll, ist eine Ober- und eine Untergrenze der Salärsumme vorgesehen. Eine Obergrenze von 10 Millionen und eine Untergrenze von 5 Millionen Franken. Wer in der höchsten Liga spielt, darf also höchstens 10 Mio. Fr. für Spielerlöhne ausgeben. Aber er ist auch dazu verpflichtet, seinen Stars und Sternchen mindestens 5 Mio. Fr. auszuschütten.
Diese angedachte Regelung zeigt, dass unser Profihockey den Bezug zum richtigen Leben längst verloren hat. Eine Salärobergrenze von 10 Mio. Fr. (und bereits wird darum gefeilscht, diese Summe zu erhöhen) bedeutet bei 25 Profiverträgen ein Durchschnittseinkommen von sage und schreibe 400'000 Franken! Lohntechnisch haben wir sozusagen eine Liga der Bundesräte.
Und wegen der Untergrenze von 5 Mio. Fr. sind die Klubs dazu verpflichtet, ihr spielendes Personal im Durchschnitt mindestens mit 200'000 Franken im Jahr zu löhnen. Kommt dazu: Wer klug wirtschaftet, sorgt dafür, dass unter den 25 Profis mindestens fünf oder sechs Junioren sind.
Das alles ist, bei Lichte besehen, ein Wahnsinn. Erst recht in Zeiten der Krise. Das durchschnittliche Einkommen eines Hockeyprofis bewegt sich in der höchsten Liga heute um 300'000 Franken. Darum ja die irrwitzige Obergrenze von sage und schreibe 10 Mio. Fr.
Wenn das aktuelle Durchschnittseinkommen halbiert und vorübergehend auf rund 150'000 Franken abgesenkt wird, haben wir immer noch eine Branche, die ihr Personal fürstlich bezahlt. Das bedeutet: Selbst im schlimmsten Fall – keine Zuschauer – können die Klubs die nächste Saison überstehen. Indem sie die Löhne halbieren.
Mindestens 80 Prozent der Spieler werden nach lautem Wehklagen, der Drohung von rechtlichen Schritten, dem Geschrei der Juristinnen und Juristen und dem aufgeregten Gackern der Operetten-Spielergewerkschaft einlenken und eine vorübergehende Halbierung ihres Salärs hinnehmen. Weil es keine Alternative gibt. Entweder bin ich Hockeyprofi für das halbe Salär in einer Branche, die meine Dienste durchschnittlich dann nach wie vor mit weit über 100'000 Franken pro Jahr honoriert – oder ich gehe einer ordentlichen Arbeit nach. In der wirklichen Welt mit Durchschnittslöhnen für ungeschultes Personal von weniger als 40'000 Franken.
Diese Halbierung ist möglich, wenn sich endlich, endlich einmal alle Klubs zusammenraufen. Nur ein gemeinsames Vorgehen macht einen solchen radikalen Schritt möglich. Die Manager sind dazu nicht fähig. Die Klubbesitzerinnen und -besitzer werden es im Falle eines Falles regeln müssen.
Das Hockeybusiness ist nicht die erste Branche, die radikal umdenken muss. Das Problem ist bloss: Anders als in der Finanz-, Versicherungs- oder Medienindustrie ist eine Sanierung durch radikalen Abbau von Stellen beim spielenden Personal im Mannschaftsport nicht möglich. Es braucht 22 Namen auf dem Matchblatt. Mit 12 geht es nicht. Und Entlassungen oder Änderungskündigungen (um das Salär zu senken) sind, weil viele Zeitverträge haben, viel schwieriger.
Aber auf der anderen Seite haben die Arbeitgeber in unserem Profihockey einen Vorteil, den sie bisher viel zu wenig genutzt haben: Sie bieten exklusiv hochbezahlte Arbeitsplätze an. Im richtigen Leben ist es einem Arbeitnehmer möglich, die Branche zu wechseln, oft sogar ohne schwerwiegende Einkommensverluste. Im Eishockey nicht.
Wer Hockeyprofi ist, kann nicht Fussball- oder Tennisprofi werden. Und nur die wenigsten Spieler haben eine Berufsausbildung, um im richtigen Leben auch nur annähernd den gleichen Lohn zu verdienen. Die Klubs können also die Ausgaben massiv senken, wenn die Verantwortlichen den Mut und die Beharrlichkeit zu dramatischen Schritten haben und standfest genug sind, um ein paar mediale Stürme über sich ergehen zu lassen.
Auf der Einnahmenseite ist die uneingeschränkte Sichtbarkeit des Produktes Eishockey das zentrale Problem. Also die Sicherstellung der TV-Präsenz. Jedes Spiel muss live auf verschiedenen Kanälen übertragen werden und auf allen möglichen Geräten sichtbar sein.
Neue Modelle sind möglich. Ein Klub kann seine Spiele seiner Kundschaft direkt ins Haus liefern und dabei seine Werbepartner nach deren Wünschen platzieren. In den nächsten Monaten werden die TV-Verträge neu ausgehandelt, die unserem Eishockey bisher im Jahr um die 35 Millionen Franken eingebracht haben. Die TV-Landschaft wird jetzt neu gestaltet.
Einerseits das Undenkbare denken – Löhne halbieren – andererseits neue Modelle auf der Einnahmenseite entwickeln und sich intensiv mit dem TV-Business beschäftigen: Das sind die Aufgaben der Hockeymanager. Und nicht das närrische Treiben um Ausländerzahlen.
Aber dafür müssen die Klubbesitzerinnen und -besitzer sorgen. Auch in der NHL sind alle erfolgreichen Massnahmen, die aus einem ausufernden Minusgeschäft eine Milliarden-Geldmaschine gemacht haben, von den Klubbesitzerinnen und -besitzern ausgegangen. Gegen die Bedenken der Manager und den entschlossenen Widerstand einer schier übermächtigen Spielergewerkschaft. Dabei haben sie das Undenkbare in Kauf genommen: den Ausfall einer ganzen NHL-Saison.
Die Klubbesitzerinnen und -besitzer lassen ihr Geld in unserem Hockey schon viel zu lange von Managern und Sportchefs verprassen. Das ist umso erstaunlicher, weil sie ja als Unternehmerinnen und Unternehmer um die Löhne in der wirklichen Welt wissen. Sie sollten sich auf eine uralte Weisheit besinnen: Wer am Ende die Rechnung bezahlt, befiehlt.
Sie geben ihnen ein Budget vor, worin sich diese bewegen können. Also gibt der Sportchef auch nur aus, was er bekommt. Dass Spieler den Club wechseln, wenn sie andernorts viel mehr bekommen für dieselbe Leistung, ist das normal.
In der Privatwirtschaft wird auch gewechselt, wenn man anderswo viel mehr Lohn bekommt.
Deshalb sind es halt doch die Clubbesitzer, die den angestellten Sportchefs, zu viel Mittel zur Verfügung stellen.
Aber es gibt Ausnahmen, die schon heute tiefe Budgets haben und einhalten.