Wer ist gut? Wer ist wichtig? Wir können wochenlange Seminare veranstalten und doch finden wir in dieser Frage keine Einigkeit. Tore, Assists, Strafminuten und die Plus-/Minus-Statistik sagen zwar viel. Aber bei weitem nicht alles. Wäre die Beurteilung von Spielern so einfach, dann hätten die Sportchefs ein geruhsames Leben.
Die Statistiken sagen zum Beispiel nicht, welche Bedeutung ein Spieler in der Chemie einer Mannschaft hat. Welche Verdienste aus der Historie. Welche Ausstrahlung auf die Fans. Und erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur das Talent entscheidet. Die Persönlichkeit spielt eine fast so wichtige Rolle. Sportchefs holen Spieler, aber es kommen Menschen. Junge Männer, die dafür bezahlt werden, um zu spielen.
Wer mag also in einer so komplizierten Wissenschaft von einem Chronisten verlangen, keinem Irrtum zu unterliegen? Nicht berücksichtigt sind die Spieler, die nur als Gäste hier waren und bereits wieder in die NHL-Trainingscamps abgereist sind.
Wir zeigen die Top 50 der besten Spieler der ersten Qualifikationshälfte 2020/21 in einer fünfteiligen Serie. Hier der zweite Teil:
Nach all den Erregungen in Langnau segelt der charismatische Kandier bei Gottéron in ruhigen Gewässern. Er ist nach wie vor ein unberechenbarer, schlauer, unermüdlicher Antreiber, Spielmacher und Leitwolf und hat schon das Festkleid des Topskorers getragen. Wenn er mal zuschauen muss, dann murrt er nicht. Hat Christian Dubé den Widerspenstigen gezähmt? Vielleicht ist «DiDo» ja gar nicht so widerspenstig und bloss froh, dass er nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses und der Polemiken steht.
Der Kanadier hat den beschwerlichsten Job der Liga: er versucht unermüdlich, eine Offensive im Gang zu halten, die nominell und auch sonst mit Abstand die schwächste der Liga ist. Er müht sich Spiel für Spiel mehr ab als jeder Berufskollege (am meisten Eiszeit aller Stürmer der Liga) und führt die Mannschaft als leiser, freundlicher Leitwolf. Als er im Herbst 2019 nach Langnau kam, war er einer von fünf Stürmern. Inzwischen ist er meistens der wichtigste Feldspieler der Langnauer.
Der Schwede war in stürmischen Zeiten so etwas wie ein Steuermann, der mitgeholfen hat, das Schiff nach dem Abgang des Kapitäns (der Entlassung von Arno Del Curto) auf Kurs zu halten. In der ganzen Liga hält keiner so lange Eiszeiten aus wie er. Nun schon in der vierten Saison ein konstanter «Energielieferant» und ein kompletter, produktiver Verteidiger. Im hin und wieder etwas wilden Tempohockey der Davoser braucht es oft seine ordnende Hand, wenn alle anderen blindlings vorwärts stürmen.
Zugs produktivster Verteidiger steht in der Aussenwahrnehmung nach wie vor im Schatten von Raphael Diaz. Daran wird sich diese Saison nichts mehr ändern. Der Sohn des entlassenen Visp-Trainers Matti Alatalo gehört nach wie vor zu den meistunterschätzten Spielern der Liga. Schnell, mutig, belastbar – ein kompletter Verteidiger, der nach seiner Einbürgerung auch für das Nationalteam interessant wird und in jeder Mannschaft in der Abwehr die Rolle des Verteidigungsministers übernehmen kann.
Letzte Saison war Gottéron mit dem Schweden nicht ganz glücklich (46 Spiele, 31 Punkte). Doch nun sehen wir noch einmal den wahren Viktor Stalberg. Er ist auf dem Weg zu einer 50-Punkte-Saison. Mit etwas Bosheit dürfen wir sagen: Nichts macht einem Spieler so Beine wie ein auslaufender Vertrag. Und tatsächlich läuft sein Vertrag im Frühjahr aus. Und weil bei Vertragsverhandlungen meistens die Vergangenheit wichtiger ist als die Zukunft, hat er durchaus Chancen, noch einmal einen Klub zu finden.
Letzte Saison fehlte ihm Dominik Kubalik als Linienpartner bitterlich, aber mit Julius Nättinen hat dieser smarte, «spielmachende» Flügel wieder den perfekten Vollstrecker für seine wundervollen Pässe und Einfälle gefunden und zum dritten Mal sind mehr als 40 Punkte möglich. Ambri sollte die Zeit bis zum Vertragsende 2022 geniessen – der Österreicher mit Schweizer Lizenz kann es bis in die NHL bringen, wenn er den Weg zum gegnerischen Tor noch eine Spur geradliniger und entschlossener fährt.
Zugs Captain ist wahrscheinlich der einzige Mann im ganzen Land, dem es gerade kommod ist, dass die Spiele ohne Publikum ausgetragen werden. So muss er sich nicht dem «Volkszorn» stellen: der WM-Silberheld und WM-Captain von 2013 und 2018 verlässt Zug am Ende der Saison. Und so ist er auf einer Mission: Meister werden. Das ist in Zug einfacher als bei Gottéron. Er ist auf dem Eis dominant wie eh und je und uns scheint, dass er seit der Verkündung der Scheidung von Zug noch besser spielt.
In vier Jahren hat der Amerikaner in Bern nie weniger als 48 Punkte gebucht und zwei Titel gefeiert (2017, 2019). Aber offiziell ist er in Bern nie in den Adelsstand des Leitwolfes erhoben worden. Erst in Lugano trägt er nun zum ersten Mal in der Schweiz die Captain-Binde. Sollten die Berner gehofft haben, er habe nur des Geldes wegen zu Lugano gewechselt, so sind sie enttäuscht worden: Er ist produktiv wie eh und je und mit ihm ist Lugano auf dem Weg, ein Aussenseiter im Titelkampf zu werden.
Noch nicht so dominant wie im Vorjahr, aber dennoch der Farbtupfer und verlässlichste Skorer in einer Offensive, die trotz schwacher Form einiger grosser Namen (Lino Martschini, Carl Klingberg, Erik Thorell) fast wie ein Uhrwerk funktioniert und produziert. Grégory Hofmann gehört zu den wenigen Schweizer Stürmern mit einer Schusstechnik und einem Selbstvertrauen, die es möglich machen, ein Spiel allein zu entscheiden. Nächste Saison in der NHL? Warum eigentlich nicht? Eher in der NHL als Meister mit Zug?
Der Amerikaner setzt die lange Tradition exzellenter in- und ausländischer Offensivverteidiger bei Gottéron fort (Jean Gagnon, Patrice Brasey, Samuel Balmer, Thomas Rhodin, Antoine Descloux, Shawn Heins). Bereits letzte Saison war er mit 35 Punkten der drittproduktivste Verteidiger der Liga und nun ist er noch besser: Er ist bei Gottéron der wichtigste Feldspieler, zeitweise trägt er das Ehrengewand des Topskorers und schultert mit eleganter Leichtigkeit mit Abstand am meisten Eiszeit.