Ambri hat die grosse Bühne besiegt, aber nicht bezwungen und erhobenen Hauptes und mit ungebrochenem Stolz verlassen. Nichts passt besser zum Mythos Ambri als diese Niederlage nach dem einzigen Drama, nach der ersten Verlängerung an diesem Turnier.
Trinec zieht zwar mit dem Verlängerungssieg (3:2 n.V) in den Final gegen Team Canada ein. Aber eben: wer den Spengler Cup 2019 heute gewinnt, ist bereits unerheblich geworden. Der Sieger der Herzen steht nämlich fest. Es ist der HC Ambri-Piotta.
Natürlich wäre es wunderbar gewesen, wenn die Siegeshymne «La Montanara», die einzige Siegeshymne, in der immer auch ein Hauch von leiser Melancholie mitschwingt, zum dritten Mal intoniert, zelebriert worden wäre. Aber der Mythos Ambri wird seit Anbeginn der Zeiten viel stärker durch dramatische Niederlagen als durch grandiose Siege geprägt.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Ambri die DNA des Spengler Cups begriffen und dass der HC Davos, der Organisator des Turniers, diese DNA vergessen hat. Ja, schlimmer noch: Der HCD hat die Seele des Spengler Cups verleugnet und verraten. Ausgerechnet am einzigen wahren Spektakelturnier des Welteishockeys inszenieren HCD-Sportdirektor Raeto Raffainer und sein Trainer Christian Wohlwend mit der absichtlich verlorenen Partie gegen Team Canada (1:5) ein taktisches Pokerspiel, das dem Sport unwürdig ist und die Hockey-Götter nur verzeihen, wenn es darum geht, mit einer Schlaumeierei eine Meisterschaft zu gewinnen oder einen Abstieg zu vermeiden. Die mit 30 Titeln ruhmbekränzten Schlaumeier der Berge haben sich überschätzt und blamiert.
Ambri aber rockt das Turnier wie noch nie ein Gast-Team aus der Schweiz. Die Tapferen der Leventina, deren Hockey-Alltag geprägt ist von Mühsal, Schweiss und Tränen wissen es zu schätzen, dass sie auch einmal auf der ganz grossen Bühne tanzen dürfen. So wie es das hart arbeitende Vreneli einst genossen hat, wenn es einmal im Jahr mit seinem Ueli zum übermütigen Brummen der Bassgeigen an der Lüderen-Chilbi tanzen durfte.
Ambri hat im Halbfinal seine beste Partie gezeigt – und verloren. So wie es eben zum Mythos Ambri passt. Ja, es ist wieder Energiehockey wie in den ersten beiden Partien und gar noch besser strukturiert. Nicht oft erreicht eine Mannschaft diese Balance aus Tempo und Ordnung, aus Leidenschaft und Disziplin.
Aber Ambri muss «beissen», leiden wie nie in den beiden ersten Spielen. Die Räume werden enger. Die «Dogfights» rund um beide Tore und entlang der Bande härter. Der tschechische Meister ist taktisch auf Augenhöhe.
An ein schnelles «Zerlegen» mit Tempogegenstössen ist gegen die schlauen Tschechen nicht mehr zu denken. Es ist die erste Partie beim Spengler Cup 2019 mit Playoff-Intensität.
Ambri verliert nie den Mut, nie die Leidenschaft – aber die Kraft. Diesmal reicht die Energie, die aus dem Publikum fliesst, nicht mehr. Eigentlich erklären die paar Sekunden des Treffers zum 1:2 die Niederlage. Vladimir Dravecky trifft mit einem Backhandschuss in die hohe Ecke – ein Treffer mit einer geradezu magischen Kombination aus zäher Kampfracht und höchster Kunst. Das ist es, was schliesslich die Differenz macht: Trinec ist um den entscheidenden Hauch talentierter.
Der Abschied nach der Niederlage ist magisch, provoziert wieder Hühnerhaut. Die Helden, die Verlierer dieses Dramas werden gefeiert. Eines der schönsten Kapitel in der Historie dieses Klubs ist zu Ende. Während ein paar Tagen haben wir einen tiefen Einblick in den Mythos Ambri bekommen. Wir haben erlebt, was Leidenschaft und Mut im Sport bewegen können. Auf dem Eis, aber auch im Publikum.
Oder um es eben in einem einzigen Satz zu sagen: Ambri, der Spengler Cup-Sieger der Herzen.
Grazie Ambri!
Habe jetzt unzählige Spengler-Cups miterlebt. Die Meisten am Fernseher, einige vor Ort.
DAS so jedoch noch nie.
Hühnerhaut bei „La Montanara“ und auch am Schluss!
Ihr wart grossartig. Von A-Z. Die Mannschaft. Der Staff. Und die Fans!
Grazie a tutti! Ambri sempre!