Gewöhnlichen ZSC Lions reicht es zu einem gewöhnlichen Resultat: Die braven Zürcher sind nur bis in den Halbfinal gekommen.
Die Reaktion auf das Scheitern ist ebenfalls gewöhnlich: Trainer Rikard Grönborg bleibt für eine dritte Saison. Es gibt keine Revolution. Nur Optimierungen des Kaders.
Aber kein Schelm, wer denkt: Sollte für den schwedischen Weltmeister-Trainer eine Offerte aus der NHL kommen – ein Job in der wichtigsten Liga der Welt ist sein erklärtes Ziel – wird Sportchef Sven Leuenberger eventuell mit sich reden lassen.
Sven Leuenberger sagt: «Unsere Zielsetzung war der Halbfinal. Also haben wir unser Saisonziel erreicht.» Hinter dieser Aussage steckt die Vernunft eines erfahrenen Sportmanagers. Die ZSC Lions streben jede Saison nach der Meisterschaft. Aber sie sind finanziell gut unterfüttert und das Primat des Verstandes über die Emotionen bewahrt das Unternehmen inzwischen von unüberlegtem Aktivismus wie zuletzt im Januar 2019 mit der Verpflichtung von Arno Del Curto.
Damals hat es zum bisher letzten Mal im Hallenstadion so richtig gerockt. Ach, das waren noch Zeiten! Die neue Vernunft ist dem Unterhaltungswert abträglich.
Unter Rikard Grönborg haben die Zürcher im letzten Frühjahr die Qualifikation gewonnen und sind durch die Absage der Playoffs um die Chance einer Meisterfeier gebracht worden. Diese Saison ging der Cup-Final gegen den SCB verloren und es reichte in der Qualifikation «nur» zu Rang 5 und in den Playoffs für den Halbfinal. Das ist gerade noch gut genug, um den Coach nicht in Frage zu stellen und kein «House-Cleaning» zu fordern.
Es gibt zwei Gründe, warum die Zürcher nur gewöhnliche, brave taktische Musterknaben waren.
Erstens ein hoher vielleicht inzwischen sogar ein zu hoher Grad an Perfektion in einer bis ins letzte Detail durchorganisierten, hochprofessionellen Hockeyfirma. Diese Perfektion kann zu einer Komfortzone für die Spieler führen.
Im Hallenstadion glimmen eigentlich nur in Ausnahmefällen – wie zuletzt in den Playoffs von 2018 – die Emotionen auf, die eine Mannschaft bis in den Himmel der Champions tragen. Und ein wenig flackerte diese Leidenschaft auch im Viertelfinal auf, als Lausanne den Fehler machte, die Zürcher zu provozieren. Da traten sie in guten Phasen auf wie heimliche Titelfavoriten.
Noch immer ist es die Leidenschaft, die zwischen zwei mehr oder weniger ebenbürtigen Teams über Organisation und Professionalität triumphiert. Genau das war nun gegen Servette der Fall.
Die Chance, den Final erstmals seit elf Jahren wieder zu erreichen, ist für die Genfer eine Ausnahmesituation, die ungeahnte Kräfte weckt. Für die Zürcher, Meister 2012, 2014 und 2018 ist eine Finalchance eher «Business as usual».
Dass es den ZSC Lions auch im alles entscheidenden dritten Spiel nicht gelungen ist, aus dem «Systemhockey» auszubrechen und zum offensiven Bewegungshockey überzugehen (lediglich 3 Tore in 3 Partien!) hat noch einmal etwas mit dem Begriff «gewöhnlich» zu tun: zu viele brave Musterprofis, die lediglich gewöhnliches Pflichterfüllungs-Hockey gespielt haben.
Gut genug, um nicht in die Kritik zu geraten. Nicht gut genug, um als Helden gefeiert zu werden. Oder auf die ganze Organisation übertragen: alles so gut gemacht, dass es nichts zu polemisieren, aber eben auch nicht gut genug, damit es etwas zu feiern gibt.
Sein Potenzial hat eigentlich nur Torhüter Ludovic Waeber ausgereizt. Er ist statistisch hinter Servettes Daniel Manzato aber vor Rappis Melvin Nyffeler und Zugs Leonardo Genoni der zweitbeste Goalie dieser Playoffs. Das ist das einzig ungewöhnliche am ZSC-Scheitern: Es lag nicht am Torhüter.
Bei Servette haben so ziemlich alle mehr als gewöhnlich geleistet und einer hat aussergewöhnliches Hockey zelebriert und diese Serie offensiv und defensiv mit einer durchschnittlichen Eiszeit von 25:12 Minuten pro Partie geprägt: Verteidigungsminister Henrik Tömmernes.
Leichtfüssig als schwebe er über das Eis, smart als wäre er dazu in der Lage, Spielzüge im Voraus zu erkennen. Und manchmal bekommt der Schwede nicht einmal den statistischen Lohn. Das 1:0, das die Zürcher schon wieder unter Druck setzte, war sein Tor: Es gelingt ihm im Powerplay an der blauen Linie den Puck in der Zone der Zürcher zu halten und den Spielzug einzuleiten, der zu diesem ersten Treffer führt. Ein Assistpunkt wird ihm nicht gutgeschrieben. Bester Skorer dieser Playoffs ist er trotzdem.
Sven Leuenberger obliegt es nun mindestens einen aussergewöhnlichen Ausländer wie Henrik Tömmernes zu rekrutieren. Damit im nächsten Frühjahr die Saison nicht erneut gewöhnlich endet.
Zweimal hintereinander könnte ein gewöhnliches Saisonende dann doch zu einer ungewöhnlichen Reaktion führen. Die ZSC Lions sind im Selbstverständnis ja nicht eine gewöhnliche Hockey-Firma.
Letzter Meister nicht aus diesem Quartett:
EV Zug, 1998