Viel Kredit gibt die Liga Martigny («Red Ice») nach dem Ausstieg der russischen Investoren nicht mehr. Einer der Liga-Generäle, der anonym bleiben will, spricht wahr und klar: «In was soll denn dort investiert werden? Kein richtiges Stadion, keine Fans, kein Markt.» Verlässliche Quellen beziffern die Schuldenlast auf 1,5 Millionen und für nächste Saison stehen erst fünf Spieler und noch kein Trainer unter Vertrag.
Dieser Ansicht scheint auch Spielplan-General Willi Vögtlin zu sein. Entgegen seinen bisherigen Gewohnheiten hat er mit der Erstellung eines NLB-Spielplans noch gar nicht begonnen. «Wenn Martigny ausfällt, kann ich nicht einfach die Spiele von Martigny streichen. Wir müssten dann einen neuen Modus machen. Deshalb habe ich mit der Arbeit am NLB-Spielplan noch nicht begonnen.»
Am Dienstag trifft sich Vögtlin erstmals mit dem Mathematiker, der ihm bei der Ausarbeitung des NLB-Spielplanes hilft. «Wir brauchen dafür etwa drei Wochen Zeit. Wir können notfalls noch ein wenig zuwarten.»
Eine Pleite von Martigny ist wahrscheinlich. Wenn nicht in den nächsten Tagen, dann in den nächsten Monaten. Denn eine Zukunft hat Martigny als eigenständiges Unternehmen in der NLB nicht. Eine sorgenfreie wirtschaftliche Existenz wäre nur dann möglich, wenn ein NLA-Unternehmen Martigny zum Farmteam macht. In diesem Falle müsste die Aktienmehrheit inkl. der aufgelaufenen Schulden übernommen werden.
Unweigerlich wird nun wieder die Bezeichnung «Pleiteliga» für unsere NLB die Runde machen. Es gibt viele falsche Vorstellungen über die Dinge zwischen Himmel und Erde. Walfische sind keine Fische. Der Knurrhahn ist kein Federvieh. Mozart kein Österreicher. Dafür ist der berühmteste aller deutsche Kanzler ein Österreicher.
Und im helvetischen Eishockey ist die NLB keine Pleiteliga, sondern eine der besten zweiten Ligen aller Länder und Mannschaftssportarten. Trotz Martigny, trotz Farmteams mit geringer sportlicher Konkurrenzfähigkeit.
Und doch hält sich keine anderes Vorurteil in unserem Hockey so hartnäckig wie jenes der NLB als Pleiteliga. Als der HC Davos oder die SCL Tigers saniert wurden, als in Kloten selbst ein so berühmter «Unternehmer» wie Philippe Gaydoul Millionenverluste einfuhr, oder wenn in Ambri das alljährliche Jammern von Filippo Lombardi über finanzielle Not anhebt, dann kam und kommt es niemanden in den Sinn, unsere höchste Spielklasse als Pleiteliga zu bezeichnen. Dann wird differenziert und die Krise einzelner Klub nicht gleich auf die ganze Liga ausgeweitet.
Seltsamerweise wird der NLB diese Gnade der differenzierten Betrachtung nicht gewährt. Die Bezeichnung «Pleiteliga» ist schon deshalb eine tiefe Ungerechtigkeit, weil die NLB-Manager lange vor ihren Kollegen in der NLA die Budgets, die Kosten, die Löhne in Griff bekommen haben.
Olten, Visp, Langenthal, die Lakers oder Ajoie gehören zu den bestgeführten Hockey-Unternehmen und in Winterthur und im Thurgau werden mit wenig Geld wirtschaftliche und sportliche Heldentaten vollbracht. Von der NLB lernen heisst im Hockey managen lernen.
Die Bezeichnung «Pleiteliga» hat allerdings schon ihre Ursache. In den letzten Jahren gingen eine ganze Serie von Klubs pleite oder verloren die Lizenz fürs Profihockey: Sierre, Chur, Neuenburg, Morges und, weil kurz vor Saisonbeginn besonders spektakulär, auch Luzern und Basel.
Das Problem der NLB ist die geographische Lage auf dem Planeten Schweizer Eishockey. Sie liegt auf der Bruchstelle zwischen Amateur- und Profihockey, es ist ein unruhiges Grenz- und Durchgangsland zwischen «Big Business» und Hobby-Sport. Hier kommt es immer wieder zu Unruhen, Verschiebungen, Verwerfungen und Erdbeben. Nach der Formel «zu ehrgeizig für die 1. Liga, zu schwach für die NLB» haben immer wieder Klubverantwortliche die Anforderungen des Profihockeys unterschätzt.
Obwohl von den Reglementen und Gesetzen her alle gleich sind, ist eine Sanierung in der NLB viel schwieriger als in der NLA. Es gibt viel weniger politische Rücksichtnahmen und die Klubs haben viel weniger Strahlkraft. Mit ziemlicher Sicherheit wäre es nicht möglich gewesen, Kloten in der NLB zu retten.
Und der Entzug bzw. die Verweigerung der Lizenz wie bei Chur oder den Huttwil Falcons wagt die Liga nur in der NLB. In der NLA ist das Lizenzverfahren ein zahnloser Papiertiger, der vor den Mächtigen kuscht und klaglos jede Menge falscher Zahlen schluckt.
An dieser Ausgangslage wird sie nie etwas ändern. Eine NLB ist eben eine «Hybrid-Liga» in welcher erfolgreiche Unternehmen mit der Substanz für die NLA, Farmteams und «Pleiteteams» aufeinandertreffen und miteinander leben müssen. Daran kann kein Modus etwas ändern. In Zeiten einer weiteren heraufziehenden NLB-Pleite sei darum an die Qualität, den Unterhaltungswert und auch das hohe sportliche Niveau der NLB erinnert. Wir sollten NLB als «Mittelland-NHL» oder «Welschland-NHL» und nicht als Pleiteliga sehen.