Klar, HCD-Trainer Christian Wohlwend wird die Einschätzung des Chronisten nicht teilen. Tatsächlich hat Headschiedsrichter Daniel Stricker am 10. April in Davos oben in der Schlussphase der Playoffpartie gegen Zug einen juristisch-regeltechnisch zwar richtigen Entscheid getroffen. Aber beim Ausschluss von Jesse Zgraggen, der dem Meister 15 Sekunden vor Schluss den Siegestreffer ermöglichte, das Fingerspitzengefühl vermissen lassen. Und uns viel Gesprächsstoff beschert.
Doch diese «Spektakelstrafe» vermag den hervorragenden Gesamteindruck nicht zu trüben. Kommt dazu: Wenn ein Team in einem Halbfinal ein Tor weniger erzielt (nämlich zwei) als die Anzahl Flaschen (drei), die der Trainer nach dem vorerwähnten Schiri-Entscheid aufs Eis schmeisst – dann ist wohl nicht die Spielleitung am sportlichen Scheitern schuld.
Was zu berücksichtigen ist: Schiedsrichter in der National League zu sein, gehört zu den schwierigsten Jobs der Branche. Einerseits ist unser Hockey-Publikum eines der sachverständigsten und temperamentvollsten der Welt. Fehler der Spielleitung werden sofort erkannt und mit akustischen Unmutsäusserungen quittiert. Die Autorität des Schiedsrichters wird andererseits immer wieder intern (u.a. von vielen Sportchefs) viel stärker in Frage gestellt als in anderen Hockeynationen. Denn die Ausrede Schiedsrichter ist noch immer die billigste. Ein Trainer oder Sportchef darf davon ausgehen, dass Schiedsrichterkritik klubintern und extern Zustimmung findet.
Der Leistungsdruck ist also von mehreren Seiten hoch. Dazu kommt, dass die Schiedsrichter die Video-Entscheide selbst in engen Zeitnehmerhäuschen in der Arena in den Emotionen des Augenblickes fällen müssen. Sie können die Verantwortung nicht – wie etwa in der NHL – an eine Zentrale delegieren. Die Liga arbeitet an einem Projekt einer solchen Zentrale. Aber vor übernächster Saison ist keine Umsetzung zu erwarten.
Die Spielleitung ist auch deshalb anspruchsvoll, weil die National League eine der schnellsten Ligen der Welt ist. Die Schiedsrichter sind also auch läuferisch gefordert.
Was im Final auffällt: Die Schiedsrichter lassen das Spiel laufen. Was ihnen leichter fällt, weil die ZSC Lions und Zug zwei exzellent gecoachte, disziplinierte Teams sind. Die Entscheidung wird mit spielerischen Mitteln gesucht. Die vier ersten Partien sind mit sehr viel Gespür geleitet worden.
Mit Andreas Fischer (mehr als 500 Spiele mit Bern, Gottéron, Ambri, Olten und Chur) führt seit 2018 zum ersten Mal in der Geschichte ein ehemaliger Spieler die Schiedsrichterabteilung. Er hat nach seinem Rücktritt dann gut zehn Jahre lang Erfahrung als Ref bis in die höchste Liga gesammelt. Aber er ist unser erster Schiedsrichterchef mit der Hockey-DNA eines Spielers.
Unter ihm ist das gesamte Schiedsrichterwesen «praxisnaher» geworden. Will heissen: Die Unparteiischen bilden nicht mehr eine abgehobene «Kaste», die sich abschottet. Der charismatische, kommunikative Chef führt nach dem Leistungsprinzip, stellt sich vor seine Leute, geht aber weder nach innen noch nach aussen einem Konflikt aus dem Weg. Unparteiisch bedeutet in gewisser Weise eben auch: Es gibt keine Partei, die sich für die Schiedsrichter einsetzt.
Ruhm gibt es sowieso keinen. Die Schiedsrichter haben zwar ihren Platz auf der grossen Bühne. Aber Applaus gibt es nie und das höchste Lob ist es, wenn während des Spiels niemand die Schiedsrichter bemerkt hat und sie kein Thema sind. Sie sind die vergessenen Helden des Finals.
Es ist nicht einfach, sich zwischen den «Fronten», zwischen der Liga, den Klubs, der Hockey-Justiz und medialer Kritik zu behaupten. Das Menschenrecht auf Fehler können Refs für sich nicht beanspruchen. Eine alte Bauernweisheit sagt: Ein Pferd, das von mehreren Leuten geritten wird, ist arm dran. Ersetzen wir Pferd durch Zebra und wir haben exakt die Situation, wie sie für die Schiedsrichter (die Zebras) schon immer war, noch heute ist und für alle Zeiten sein wird.