Ein charismatischer, überragender Einzelspieler, ein Messi unseres Hockeys? Nein, haben die ZSC Lions nicht.
Ein revolutionäres Spielsystem, ein Tiki-Taka des Hockeys? Nein, spielen die Zürcher nicht.
Eine Mannschaft, so raffiniert zusammengestellt, ja komponiert, dass der Titel am Ende, zwingend ist. Ganz und gar nicht.
Und doch hat dieser erstaunliche ZSC-Triumph durchaus seine Logik.
➡️Das ist der Meisterjubel! Was für eine geile Finalserie war das. Gratulation @zsclions, danke @OfficialHCL !#MySportsCH #HomeofSports #NationalLeague #Playoffs2018 pic.twitter.com/48F5066RRI
— MySportsCH (@MySports_CH) 27. April 2018
Die ZSC Lions hingen noch Anfang Dezember einer skandinavischen Hockey-Irrlehre an, die sie die Playoff-Teilnahme gekostet hätte. Trainer Hans Wallson hatte in seiner Heimat Schweden viel zuviel Erfolg gehabt. So meinte er, im alleinigen Besitze der Wahrheit zu sein und setzte seltsames schwedisches Walzer-Hockey durch – mal links, mal rechts, mal im Kreis herum, aber nie direkt aufs Tor. Schön anzuschauen. Allein, es war im Alltag des helvetischen Resultathockeys nicht lebensfähig.
Gerade noch rechtzeitig hat Sportchef Sven Leuenberger den Trainer, den noch sein Vorgänger Edgar Salis angestellt hatte, Ende Dezember gefeuert. Mit Hans Kossmann hat er den Typ des einfachen, ehrlichen, geradlinigen Bandengenerals gefunden, der zu allen Zeiten in allen Ligen Erfolg hat. Dem schweizerisch-kanadische Doppelbürger blieb gerade genug Zeit, die Zürcher von der schwedischen Hockey-Grippe zu kurieren. Als die Playoffs begannen, waren sie bereit.
Der neue Meister ist eine spielerisch limitierte, aber fleissige, hart arbeitende und einsteigende, geduldige, disziplinierte, leidenschaftliche und doch meistens coole Mannschaft. Sie ist also geprägt von konservativen, ewig erfolgreichen Tugenden und Werten.
Und doch spielten die Zürcher ein hoch modernes Hockey: nämlich ein aktives, nicht ein taktisch passives. Die Zürcher haben in diesen Playoffs die scheibenführenden gegnerischen Spieler und die Scheibe gejagt und, als es um alles oder nichts ging, die Hoheit in den Zweikämpfen behauptet.
Sie waren, wenn es notwendig war, auch dazu in der Lage, Hockey zu arbeiten. So waren sie in der Lage, gestern den höchsten Preis zum dritten Mal nach 2001 (in Lugano) und 2012 (in Bern) im siebten Spiel auf fremdem Eis zu erringen. Es ist der 9. Titel der Klubgeschichte.
Für die erfolgreiche Umsetzung braucht es, natürlich, geeignete Spieler. Das Rückgrat des Meisters sind hart arbeitende, umfassend ausgebildete, smarte «Arbeiter», die so gut sind, dass sie sich bietende Chancen auszunützen vermögen. Und so selbstsicher und mental so robust sind, dass sie sich durch Rückschläge nicht irritieren lassen.
Verteidiger wie Phil Baltisberger, Patrick Geering, Christian Marti, Dave Suter oder Kevin Klein. Stürmer wie Chris Baltisberger, Mike Künzle, Reto Schäppi oder Ronalds Kenins. Geführt vom smarten Pius Suter, dem komplettesten Schweizer Stürmer der Liga. Ideal ergänzt mit «Abschlusspezialisten» wie Fabrice Herzog und Roman Wick. Befeuert von Energiespielern wie Fredrik Pettersson, der es im zweitletzten Finalspiel mit überbordendem Einsatz übertrieben hatte und gestern zuschauen musste (gesperrt).
Auch die Romantik kommt auch nicht zu kurz: Mathias Seger (40) beendet nach mehr als 1000 Spielen eine grandiose Karriere mit dem 6. Meistertitel. Und natürlich alles abgesichert vom Riesen Lukas Flüeler (192 cm/99 kg) war im Viertelfinal klar besser als Zugs Tobias Stephan, im Halbfinal besser als SCB-Titan Leonardo Genoni und im Final meistens auf Augenhöhe mit Luganos charismatischen Hexer Elvis Merzlikins. Er verkörpert den nüchternen, bisweilen hölzernen Blocker.
Es hat Hans Kossmann geholfen, dass er erst im Dezember gekommen ist. Spieler, die mit dem Trainer zerstritten und frustriert sind und zeigen möchten, dass sie die Kritik und die Schmähungen nicht verdient haben und endlich vom ungeliebten Chef erlöst werden, entwickeln eine enorme Dynamik. Kommt ein smarter, autoritärer, aber immer authentischer «Vereinfacher» des Spiels wie Hans Kossmann, dann ist angerichtet.
Die Meistermannschaft 2018 ist auf konservativen Werte gebaut, spielt modern und steht im Zenit ihres Leistungsvermögens. Sie kann unter dem neuen Trainer Serge Aubin (er wurde schon im Dezember für die neue Saison verpflichtet) den Titel verteidigen.