Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, müssen wir uns für einmal mit einer staubtrockenen, eigentlich langweiligen Materie eingehend befassen: Mit den modernen, vorbildlichen SCB-Führungsstrukturen. Eine sachliche Analyse. Keine Polemik also.
Zuerst ein Blick zurück: Ach, es gibt keine Hockey-Romantik mehr beim SC Bern. Ach, das waren noch Zeiten, als Marc Lüthi eine Saftwurzel des Sportmanagements war. Wenn er spürte, hörte, ahnte, dass das Volk mit dem Trainer nicht mehr glücklich, wenn er mit dem Trainer nicht mehr zufrieden war, dann schritt er spontan zur Tat.
Unvergessen, wie er im Herbst 2011 von seiner Loge eiligen Schrittes in die Kabine hinabstieg, um Meistertrainer Larry Huras unmittelbar nach dem Spiel zu feuern. Begründung: Zu wenig spektakuläre Spielweise. Gut zwei Jahre später wird Antti Törmänen, SCB-Meistertrainer auch er, spontan nach Spielschluss des Amtes enthoben. Unzufriedene Fans oder Erfolglosigkeit werden nicht geduldet.
Solche Szenarien sind heute völlig undenkbar. Sie sind nicht mehr zeitgemäss. Wichtig ist heute modernes Management mit klaren Strukturen, mehrstufigen Zuständigkeiten und geteilter Bürde der Verantwortung. Genügte früher ein Telefonat mit Marc Lüthi, um herauszufinden, wie es um den SCB-Trainer steht, sind heute vor allem die genauen Kenntnisse der neuen, vorbildlichen Strukturen, Befehlsketten und Zuständigkeiten beim SCB wichtig.
Frage also nach der Verlängerungsniederlage in Ajoie an Präsident Marc Lüthi: Wie ist die Situation rund um Trainer Johan Lundskog? «Das müssen Sie nicht mich fragen.» Aber Sie sind doch Präsident des Verwaltungsrates und die Anstellung oder Entlassung des Trainers ist Sache des Verwaltungsrates! «Nein, nicht mehr». Wie ist es denn heute? «Über den Trainer entscheidet die Geschäftsleitung.»
Der Verwaltungsrat befasse sich mit der Sache nur noch, wenn es bei Entscheidungen rund um den Trainer zu einer Budgetüberschreitung komme, erklärt Lüthi. Wer ist dann also zuständig, um die Frage des Chronisten zu beantworten? «Die Geschäftsleitung». Aha. Also Raëto Raffainer, der die Geschäfte führt und somit der Geschäftsleitung vorsteht? «Ja.»
Also geht die Frage an Raffainer: Wie ist die Situation rund um Trainer Lundskog? «Da müssen Sie den Sportchef fragen.» Einspruch: Das ist sehr wohl Sache des Geschäftsführers. Er verantwortet als Vorgesetzter des Sportchefs die sportliche Führung und der Sportchef rapportiert intern an den Geschäftsführer, der somit das letzte Wort hat.
Dem widerspricht Raëto Raffainer nun nicht mehr und er bestätigt freundlich am späten Mittwochnachmittag: «Ja, wir hatten heute Sitzung der Geschäftsleitung und der Sportchef hat rapportiert.» Aber es sei keine Krisensitzung gewesen. Sondern die ordentliche, alle zwei Wochen terminierte Geschäftsleitungssitzung. Aha. Und war der Trainer ein Thema? «Der Sportchef hat rapportiert.» Hat er Anträge gestellt? «Nein.»
Also: Präsident Lüthi hat sich noch nicht mit der Trainerfrage befasst (zumindest sagt er das) und überlässt die Entscheidung der Geschäftsleitung. In diesem Gremium ist am Mittwochnachmittag über den Trainer gesprochen worden. Aber es sind vom Sportchef keine Anträge gestellt und damit von der Geschäftsleitung auch keine Entscheidungen gefällt worden.
Das ist die neue, vorbildliche Ordnung beim SCB. So werden spontane Trainerentlassungen wie in der guten alten Zeit der Hockey-Romantik verhindert. Vor allem aber hilft diese neue Ordnung einem cleveren Manager und einem schlauen Sportchef, sich um die alleinige Verantwortung für den heiklen Trainerentscheid zu drücken.
Fassen wir zusammen und verwenden wir dabei die offiziellen Titel der Herren in der Geschäftsleitung. Chief Executive Officer Raëto Raffainer entscheidet in der Trainerfrage im Kollektiv der Geschäftsführung, bestehend aus General Manager Andrew Ebbett, Chief Financial Officer Richard Schwander, Chief Human Resources Officer Stefan Moser, Chief Operating Officer Rolf Bachmann und Chief Hospitality Officer Sven Rindlisbacher.
Was kommt dabei heraus, wenn sich Präsident Marc Lüthi nicht mit der Trainerfrage befassen mag und der Chief Executive Officer, der General Manager, der Financial Officer, der Human Resources Officer, der Chief Operating Officer und der Chief Hospitality Officer gemeinsam über den Trainer entscheiden?
Eine Mannschaft, die zu den teuersten der Liga gehört, auf Rang 9. Der SCB als Disneyland für einen erfolglosen Trainer. Da es sich nicht um eine Polemik handelt, verzichtet der Chronist auf den doch gar fantasielosen Spruch: «Zu viele Köche verderben den Brei.»
Das Schlusswort überlassen wir Chief Executive Officer Raëto Raffainer: «Der Trainer braucht nach den vielen Wechseln im Team Zeit.»
P.S. Sollte es doch zu einer Trainerentlassung kommen, wird voraussichtlich Sandra Rolli, Chief Executive Officer Assistant, eine Medienmitteilung entwerfen. Reto Kirchhofer, Head of Communication, wird womöglich dem Text mit der verbalen Nagelfeile den letzten Schliff verleihen und Raëto Raffainer, Chief Executive Officer, obliegt es dann, seinen Namen daruntersetzen und die Veröffentlichung zu bewilligen. Gut möglich, dass sodann Materialchef Frank Kehrli und sein Assistent Daniel Moser das Trainerbüro zu räumen und besenrein für den neuen Trainer herzurichten haben. Und vielleicht hilft ihnen dabei sogar der künftige Materialchef Beat Gerber.
Wenn alle mantramässig wiederholen, dass die Trainer-Frage nicht gestellt werde und er die volle Unterstützung der Teppichetage habe, dann steht die Entlassung vor der Tür 😉 Endlich!
So richtig verzichtet kann man dies aber nicht nennen, lieber Klaus.