Natürlich hat uns zu interessieren, wer den 92. Spengler Cup gewinnt. Wir haben dem Final am 31. Dezember entgegenzufiebern. Aber eigentlich interessieren uns andere, geradezu ketzerische Fragen, die in diesem Jahrhundert bei diesem Hockeyspektakel noch gar nie gestellt worden sind. Nämlich: Ist der HCD überhaupt noch gut genug, um beim Spengler Cup eine wichtige Rolle zu spielen? Wie wird sich Davos im Abstiegskampf bewähren? Kann Harijs Witolinsch in Arno Del Curtos Schuhen stehen?
Der HCD liegt auf dem zweitletzten Tabellenplatz. Schon bei «Halbzeit» der Qualifikation ohne jede Aussicht, die Playoffs noch zu erreichen. Der HCD tritt also sozusagen als «Lotterteam» der heimischen Meisterschaft gegen die Titanen aus Tschechien, Russland, Finnland, Deutschland und die kanadische Nationalmannschaft (Team Canada) an. Wenigstens eilen drei Spieler herbei, um dem HCD zu helfen: Der amerikanische Verteidiger Bobby Sanguinetti, der schwedische Schillerfalter Linus Klasen (Lugano) und der Zuger Dario Simion.
Da Spengler-Cup-Eishockey auch Menschen vor den Bildschirm lockt, die sich sonst nicht für Eishockey interessieren, kann es sein, dass sich jemand fragt: «Moment mal, habe ich den richtigen Kanal eingeschaltet?» Arno Del Curto (62) wird nämlich nicht ins Bild kommen und eine TV-Übertragung eines HCD-Spiels ohne den Engadiner im Schwenkbereich der Kameras ist wie ein Konzert der Rolling Stones ohne Frontmann Mick Jagger. Ein scheinbar ewiges Spengler-Cup-Gesetz – «ich sehe Arno Del Curto, also ist es der HCD» – gilt nicht mehr.
Natürlich wird er trotzdem präsent sein. Wenn irgendwo Experten schnattern, wird auch Arno Del Curto ein Thema sein. Deshalb hier gleich noch eine Präzisierung. Er ist in seiner 22. Saison nicht entlassen, gefeuert oder des Amtes enthoben worden. Er hat am Dienstag, 27. November am Vormittag gegen 9 Uhr sein Amt niedergelegt. Obwohl er am Sonntag zuvor seine Mannschaft zu einem 5:1 im Zürcher Hallenstadion gegen den Meister ZSC Lions geführt hat. HCD-Präsident Gaudenz Domenig, ein international hoch geachteter Wirtschaftsanwalt mit Sinn für juristische Präzision, sagt zu diesem Ereignis: «Arno Del Curto hat seinen Vertrag von sich auf den nächstmöglichen Termin per 30. April 2019 gekündigt. Wir akzeptieren diese Kündigung.»
Domenig zeigt dafür Verständnis, dass sein Trainer den Arbeitsplatz sofort verlassen hat und nicht bis zum Ende der Kündigungsfrist seines Amtes waltet. «Wir bezahlen ihm selbstverständlich den Lohn trotzdem bis zum Ende der Saison.» Im April 2019 wird der ehemalige Kulttrainer also seinen letzten HCD-Zahltag erhalten und dann ist seine HCD-Zeit per Saldo aller Ansprüche abgelaufen. Gaudenz Domenig geht übrigens davon aus, dass Arno Del Curto diese Saison keinen anderen Klub übernimmt. Auch keinen unter Palmen. Und Arno Del Curto sagt auf Anfrage, er werde beim Spengler Cup auch nicht als Zuschauer dabei, ja nicht einmal in Davos oben sein. «Ich spanne jetzt erst einmal aus. So um Mitte Januar bin ich zurück und dann können wir in aller Ruhe Kaffee trinken und über alles reden …»
Der neue Trainer heisst Harijs Witolinsch (50). Sein Vertrag läuft bis Ende Saison. Präsident Domenig sagt: «Es gibt keinerlei vertragliche Optionen. Der Vertrag endet mit Saisonschluss, unabhängig davon, welche Klassierung wir erreichen.» Der Lette mahnt an einem guten Abend mit seinem Temperament und der Art und Weise, wie er Eishockey lebt, durchaus an Del Curto. Er ist, mit seiner ruhmreichen Trainererfahrung in Russland, sozusagen der «Arno aus dem wilden Osten».
Aber es ist ein wenig wie bei «Wetten dass..?». Kult-Moderator Thomas Gottschalk, sozusagen der Arno Del Curto des Showgeschäfts, gab 2012 nach insgesamt 25 Jahren die Moderation der Sendung an einen gewissen Markus Lanz ab. Zwei Jahre später wurde eine der erfolgreichsten Sendungen der TV-Geschichte nach 215 Folgen eingestellt.
Nun hoffen wir natürlich nicht, dass es dem HCD unter Harijs Witolinsch ergeht wie «Wetten, dass..?».